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Lovecraft-Adventure-RPG: Warum Dreams in the Witch House mein bester Kauf im Steam-Sale ist

Ein Point-and-Click zum Überleben.

Ich hatte Dreams in the Witch House schon länger auf der Einkaufsliste. Vor allem, nachdem das finstere Adventure im englischen Sumpf, The Excavation of Hob’s Barrow, so lange in mir nachhallte, war meine Lust auf Pixel-Point-and-Click mit entschieden düsterer Note ziemlich groß. Im Summer Sale kostet Dreams… jetzt nur noch 8,79 Euro und nachdem ich mich gestern kaum davon loseisen konnte, wollte ich euch auch noch schnell darauf aufmerksam machen, was für ein kleines Juwel sich hier versteckt.

Dieses beachtliche kleine Spiel aus Finnland ist alles andere als ein konventionelles Adventure klassischer Machart, auch wenn es zunächst ganz danach aussieht. Tatsächlich aber wirft es diverse erstaunlich spannende Spielelemente zusammen, um eine Lovecraft-Kurzgeschichte in ein interaktives Format zu pressen. Als Student Walter Gilman verschlägt es euch in eine Pension in Arkham, wo ihr eurem Mathematikstudium nachgehen wollt. Mehr will ich eigentlich nicht verraten, denn herauszufinden, was hier eigentlich passiert, macht einen großen Teil des Reizes aus.

Das Loch unten links ist immer da. Und selbst, wenn es komplett still ist, macht es euch Angst.

Wie so oft bei Lovecraft beginnt es im Grunde nur leicht entrückt und seltsam, hier mit einem auffällig groß geratenen Rattenloch in der Wand eures Apartments und Geräuschen aus einem Nebenraum, den es eigentlich nicht gibt. Wenn ich jetzt noch sage, dass es einen Sanity-Balken gibt, der anzeigt, wie nahe ihr dem Wahnsinn seid, habt ihr vielleicht schon eine leise Ahnung, wohin die Reise geht. Hattet ihr vielleicht schon bei “Lovecraft”. Es ist der vertraute, magnetische Sog einer Geschichte, deren Ausgang ihr eigentlich nicht wissen wollt.

Das ist bei diesem problematischen Herrn oft Teil des Spaßes: Das Nachhaken, das Schauen hinter der Kulisse der Normalität verschlägt den Leser – oder “Spieler” in diesem Fall – auf eine parallele Bahn zum Protagonisten, dessen Niedergang jede weitere Erkenntnis nur noch mehr zementiert. Das Teuflische an Dreams in the Witch House: Es schichtet einige spannende Rollenspiel-Systeme über das Adventure-Korsett, die darauf hinweisen, dass man sich eben doch gegen das Unvermeidliche wehren kann, wenn man nur alles richtig macht.

Studentsein, Interesse am Okkulten und schieres Überleben - klingt für mich fast autobiografisch.

Ihr managt auf Anfangs 12 Dollar pro Woche euren Hunger, eure Müdigkeit, Wärme, Feuchtigkeit sowie eventuelle Erkrankungen oder Verletzungen und versucht nebenher, das vorgegebene Lernmaterial zu pauken, um bei den Prüfungen nicht durchzufallen. Dumm, dass euch der Spuk in eurem Zimmer oft nicht zur Ruhe kommen lässt, das Geld oft genug durch nicht ganz ungefährliche Handlangerarbeiten für eure Vermieterin aufgebessert werden muss und man bei Klausuren auch bei perfekter Vorbereitung schonmal schlecht abschneidet. Zum Beispiel, weil es einem am Stichtag miserabel geht, weil man zwei Tage vorher im Regen Holzhacken musste, sich dabei erkältete und sich den Fuß mit dem Beil verletzte. Wenn dann noch nachts das Loch in der Wand immer größer zu werden scheint…

Das Coole daran ist, dass Dreams in the Witch House nicht nur mehrere Lösungen für seine jeweiligen Probleme offeriert, sondern die Rätsel, Fundorte und Ereignisse auch im Ablauf variieren. Ich spielte die ersten 8 Tage zweimal und beide Male jagte mir die durchbrennende Glühbirne im Zimmer denselben Schrecken ein, weil es zu unterschiedlichen Gelegenheiten passierte. Beim zweiten Versuch, den an einen Nachbarn verliehenen Hammer zurückzuholen, fand ich ihn nicht nur nicht im selben Schrank, sondern in anderen Stellen und in zwei Teilen. Und dass ich sogar entscheiden darf, ob ich den Bibliotheksausweis ganz offiziell kaufe oder den per Schwarzes Brett gesuchten einer Kommilitonin mit einem Ausschnitt aus meinem Familienporträt zu meinem eigenen mache, gibt mir Gelegenheit, meinen eigenen Walter zu spielen.

Die Spannungskurve von Dreams in the Witch House ist ganz beachtlich. Die Entwickler verstehen es bestens, euch auch hintergründig zu beunruhigen.

Und zwischendrin immer wieder das Tauziehen zwischen Bücher wälzen – was jedes Mal fünf Stunden des Tages verstreichen lässt – und dem Rest des schwierigen Studentenlebens. Dass sich im weiteren Verlauf – ganz Lovecraft – noch ganz andere Schmöker dazugesellen, als die, die Walter (oder irgend jemand) eigentlich lesen sollte, ist bei diesem Sujet Ehrensache. Ich muss sagen, mir hat Hob’s Barrow schon viele wohlige Schauer den Rücken runterlaufen lassen, aber Dreams in the Witch House finde ich richtiggehend gruselig. Insofern nach gut drei Stunden mit diesem hier: Schaut es euch in jedem Fall mal an.

Wissen sollte man vorher aber noch, dass Atomic Brain Games wohl entweder nicht die Mittel oder die Lust dazu hatte, das Spiel von Sprechern vertonen zu lassen. Dafür ist der Rest der Sound-Kulisse sehr geschmackvoll und versetzt gekonnt an die unterschiedlichen Räumlichkeiten. Gerade bei den geisterhaften Schritten im “Nebenzimmer” und anderen Hausgeräuschen musste ich mehrmals die Kopfhörer abnehmen, um zu prüfen, ob ich wirklich alleine war. Ach, und noch eine Sache: Eine Hotspot-Anzeige gibt es ebenso wenig, wie ein unmittelbares Verlassen von Örtlichkeiten durch einen Doppelklick auf den Rand des Bildschirms. Vermutlich, um die Zeitmanagement-Komponente des Spiels nicht zu sehr zu untergraben. Allzu starken Zeitdruck empfand ich übrigens nicht.

Es wird schon gut ausgehen. Oder?

Wie die Reise auch ausgeht: Ich bewundere schon jetzt Aufbau und Struktur und den Mumm dieses kleinen, aber feinen Spiels. Werft am besten selsbt einen Blick in den Steam Store. Dieses Spiel hat mehr Aufmerksamkeit verdient. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es weitergeht, ängstige mich jede Spiel-Nacht davor, Walter ins Bett zu schicken und freue mich, von euren Erfahrungen mit Dreams in the Witch House zu hören.

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