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Alone in the Dark im Test: Ich bin enttäuscht vom schrecklichen Kampfsystem und der schwachen Geschichte

Gut gedacht – nicht so gemacht.

Stimmungsvolle Kulissen helfen wenig, wenn das Gruselspiel weder gruselig ist noch seine Geschichte gut erzählt wird. Der einzige Schrecken geht von den miserablen Kämpfen gegen langweilige Gegner aus.

Louisiana vor etwa 100 Jahren. Die grelle Sonne kämpft sich durch den Dunst eines schwülen Nachmittags. Frösche quaken im Mohr abseits der matschigen Straße, als der Wagen mit Edward Carnby und Emily Hartwood das alte Anwesen erreichen: Derceto Manor. Ein Heim für geistig Kranke, aus dem Emilys Onkel verschwunden ist. Ob etwas mit ihm geschehen ist? Oder hat ihm sein ungesunder Geist nur einen Streich gespielt?

Ich entscheide mich, ob ich das Abenteuer als Edward oder Emily erleben will und schon geht’s mit einer Taschenlampe in den Keller des Hauses. Und bevor dort auch nur der Hauch von Spannung, Grusel oder wenigstens dem geringsten Anzeichen einer Gefahr aufkommt, krallt sich Emily erst mal Patronen für die Pistole, dann noch mehr und anschließend gleich noch ein paar. Eine Kiste nach der anderen klappt auf. Hier noch ein Heiltrank, dort in einer privaten Truhe wühlen. Erst mal satt Derceto looten. Herrlich!

Ich hatte mich wirklich auf diese Neuerfindung des Horror-Klassikers gefreut. Zumal der seit Monaten schon separat erhältliche Prolog stimmungsvollen Grusel versprach – sowie eine erzählerische Dichte und spielerische Interaktion, die das Erkunden des geheimnisvoll knarzenden und sich auf seltsame Art verändernden Anwesens zu einer schaurig-schönen Rückkehr an die Geburtsstätte des Survival-Horrors machen sollten.

Nur ist im fertigen Spiel verdammt wenig davon zu sehen. Gut… das stimmt so nicht. Denn das reine Ansehen von Derceto ist tatsächlich ein Genuss. Das schwedische Studio Pieces Interactive fängt die verwunschene Südstaaten-Atmosphäre hervorragend ein und fügt seinem „Liebesbrief“ an das ursprüngliche Alone in the Dark neue Schauplätze hinzu, die das Szenario auf gelungene Art erweitern.

Die Geschichte von Emily Hartwood und Edward Carnby ist ja nicht die des Originals. Sie basiert natürlich auf Gemeinsamkeiten mit dem Vorbild. Von Beginn an ist aber klar, dass die Suche nach Emilys Onkel auch neue Wege gehen wird, wenn man neben Derceto auch die Gefühlswelt von Emily und Edward erkundet. Immerhin balanciert Alone in the Dark zwischen realem Horror und dem, was sich „nur“ im Geist abspielt.

Daher auch die Ortswechsel. Deshalb öffnet man mitunter eine Tür und befindet sich plötzlich in einer ganz anderen Umgebung. Oder an einem mit dicken Wurzeln durchwachsenen Derceto. Was es damit auf sich hat, werde ich selbstverständlich nicht verraten.

Alone in the Dark im Test

Ich erwähne nur, dass die Geschichten beider Charaktere (man spielt sie unabhängig voneinander in voneinander getrennten Durchgängen) eine gute ist. Kein Wunder: Verfasst hat sie Mikael Hedberg, dessen Handschrift auch Soma und Amnesia tragen. Nicht zuletzt wurde sie aufwändig vertont. Zahlreiche Briefe und Notizen werden vorgelesen (leider nur, während man im Menü verharrt), Emily und Edward selbst von passenden Stimmen gesprochen und auch die anderen Charaktere klingen vielleicht etwas zu sehr nach den Klischees ihrer Herkunft, aber doch weitgehend überzeugend.

Ihr wollt nur ein wenig durch schicke Kulissen laufen, verschlossene Türen in einem schmucken Anwesen öffnen und wissen, was es mit den geheimnisvollen Vorgängen auf sich hat? Bitte… Lasst euch von mir nicht abhalten! Wie gesagt: Auf dem Papier sind die zwei leicht verschiedenen Erzählungen richtig gut.

Im Detail sind sie für mich aber auch eine der Schwachstellen des Spiels: Ich will nämlich nicht nur Stichpunkte davon präsentiert bekommen, was faktisch passiert ist. Ich will es interaktiv erleben oder zumindest einem dramaturgischen Aufbau mit Hinführung, Höhepunkt und Nachhall folgen. Doch was macht Alone in the Dark? Irgendwann erhält man das wichtigste Puzzlestück zu Emilys Geschichte, welches sogar einen starken Bezug zu [sag ich nicht] herstellt, während ein wehmütiges Klavier zu hören ist – und im nächsten Raum spielt nichts davon mehr eine echte Rolle.

Dieses Puzzlestück war vorher auch kein erkennbarer Teil der Geschichte. Der Moment war einfach da, dann wieder weg. Und das ist mir zu wenig. Man muss eine Geschichte auch erzählen, nicht nur erklären. Und genau das schafft Pieces Interactive leider nicht. Eine große Bedrohung wird irgendwann sang- und klanglos fallengelassen, die Verzweiflung beim Balancakt zwischen Fantasie und Wirklichkeit nie endgültig greifbar und mehr.

Die emotionale Distanz rührt auch daher, dass Spiel und Geschichte praktisch komplett voneinander getrennt sind. Beim Erkunden von Derceto joggt man ja durch eine ausgesprochen starre Kulisse, in der es zwar Munition, Heiltränke, Schlüssel und Puzzleteile sowie gelegentlich ein Rätsel gibt. Dass Emily oder Edward auch mal andere Personen treffen oder Zeugen interessanter Ereignisse werden, geschieht aber fast ausschließlich nach plötzlichen Übergängen in separate und… eher überschaubar inszenierte Filmsequenzen.

Symptomatisch dafür ist eine frühe Szene, nachdem man minutenlang offene Türen gesucht hat (viel mehr tut man über weite Strecken ohnehin nicht). Findet man die richtige, reden auf einmal drei Leute mit Emily und Edward, die wer weiß wo herkommen und bis zum nächsten Filmhappen auch wieder verschwinden. Das passt einfach nicht zusammen. So entsteht doch kein Gefühl dafür, in einem bewohnten Heim unterwegs zu sein! Viel zu selten sitzt mal jemand vor Emily oder Edward, um auf Knopfdruck wenigstens zwei Zeilen aufzusagen – und selbst das erst nach einer solchen Szene, nicht aus dem Spiel heraus.

Das Schlimme daran: Auch Momente des Horrors geschehen so gut wie immer nur in Zwischensequenzen. Das starre Erkunden selbst ist dagegen überhaupt nicht gruselig. Von Horror oder Angst fange ich gar nicht erst an. Gut, in den circa acht Stunden, die ich mit Emily unterwegs war… Es hat mal irgendwo geknarzt, wurden überraschend Vögel aufgescheucht. Und zwei-, dreimal befand sie sich plötzlich in einer anderen Umgebung.

Nur sind das Ausnahmen. Meist ist die Kulisse mehr Museum als schaurige Unwirklichkeit. Außerhalb des Prologs kann ich mich an keine Türen erinnern, die direkt vor mir vehement ins Schloss geworfen wurden. An kein Gesicht im Spiegel. An nichts, das durch eine Ranke nach Emilys Arm greift. An keine Gegenstände, die wie im Prolog plötzlich woanders stehen. An keine subtilen Übergänge in die andere Welt, sondern stets nur plötzliche Schnitte. An keine angsteinflößenden Geräusche. Nur an (durchaus klangvollen) schrägen Jazz – und ein ziemlich gewöhnliches Spannungsgerumpel, sobald die dafür umso harmloser hauchenden Gegner auftauchen.


Alone in the Dark wird sowohl digital als auch physisch erhältlich sein, einmal als normale Ausgabe und einmal als Digital Deluxe Edition, die neben grafischen Filtern auch Entwicklerkommentare enthält, in denen sogar der Erschaffer des ursprünglichen Alone in the Dark, Frédérick Raynal, zu Wort kommt. Abgesehen davon gibt es eine 5.000 Stück limitierte Collector’s Edition für knapp 200 Euro mit einer Statue des Dark Man und anderen Inhalten. Ihr erhaltet sie genau wie die anderen Versionen u.a. bei Amazon und Saturn. Der Preis der normalen Ausgabe beträgt etwa 60 Euro. Die Xbox-Fassung ist mit knapp 55 Euro etwas günstiger.

  • Amazon
  • Saturn
  • PlayStation
  • Xbox

  • Ach, und die Gegner! Dunkle Irgendwase, vermutlich grotesk gedacht, tatsächlich aber kein bisschen furchteinflößend, die oft wie die Wachen sehr einfacher Stealth-Action Patrouille schieben, sodass man manchmal sogar um sie herum schleichen kann. Wobei man auch beim Entdecktwerden schnell an ihnen vorbeikommt, weil man während des Ausweichschritts nahezu unverwundbar ist. Und falls der trotzdem mal schief geht, schluckt man eben einen der zahlreichen Heiltränke. Nein auch hier: Unter Survival(!)-Horror stelle ich mir etwas anderes vor.

    Munition ist ja in Hülle und Fülle vorhanden. Wobei ich die Schlurfer ohnehin lieber mit einer der zahlreichen Spitzhacken, Schaufeln oder einem anderen Werkzeug bearbeitet habe. Noch besser: Es liegen überall Steine und Flaschen herum, mit denen man werfen darf. Das geht allerdings nur, während man sich quälend langsam vom Fleck bewegt, sodass man dazu gezwungen ist, von einem dieser Aktionspunkte zum nächsten zu laufen, das jeweilige Ding auf den Gegner zu werfen, dann zum nächsten Aktionspunkt zu laufen und so weiter.

    Das ist ein ganz seltsamer, erschreckend spaßfreier Rhythmus – aber leider längst nicht das Schlimmste. Die Kreaturen lassen sich nämlich auch denkbar schlecht anvisieren. Oft trifft der Schlag deshalb ins Leere oder irgendwas in der Umgebung, aber keinen der Gegner, die ihrerseits ähnlich ungelenk herumhampeln. Das schwammige Schießen fühlt sich kaum besser an und spätestens als sich die militärisch in keiner Form versierte Emily kommentarlos ein „Maschinengewehr“ schnappt, um sofort mit knallenden Salven Dinge zu töten, hatte ich diesen groben Albtraum ehrlich gesagt satt.

    Denkt euch eine Fluchtsequenz dazu, bei der ihr mehrmals nur darauf warten müsst, bis eine als schreckliches Überwesen eingeführte Figur langsam um ein Bücherregal herum schwebt, sodass ihr auf der anderen Seite gemütlich vorbeilaufen könnt. Rechnet mit Kreaturen, die in der Umgebung hängenbleiben und sich durch geschlossene Türen hindurch vermöbeln lassen. Und vielleicht geht es euch dann noch wie mir, wenn einer der stärksten Bosse nach der ersten Phase einfach aufhört Emily anzugreifen, obwohl er direkt vor ihr steht.

    Nun gibt es zum Glück mehr als die furchtbaren Kämpfe – zum Beispiel Rätsel, von denen ich einige durchaus gelungen finde. Zu denen man hin und wieder allerdings dermaßen verkopfte Hinweise bekommt, dass ich einmal sogar nach der Lösung gefragt habe.

    Diese spezielle Kopfnuss finde ich auch im Nachhinein nicht besonders einleuchtend und überhaupt gefielen mir die immer sinnvoll zur Umgebung passenden Puzzles in dem ebenfalls frisch erschienenen Mystery-Abenteuer Reveil um einiges besser als das ständige Nummernsuchen in Derceto, wo manche Aufgaben dann auch noch so leicht sind, dass man sie kaum als Herausforderung bezeichnen kann. Eine ganze Reihe davon lässt sich zudem durch stures Ausprobieren lösen. Das geht nämlich schneller. Aber ob das im Sinne der Erfinder ist?

    Auf jeden Fall angedacht ist das mindestens zweimalige Durchspielen; einmal mit Emily und einmal mit Edward. Nachdem ich zwei, drei Stunden lang mit Edward nun aber praktisch das exakt gleiche Spiel gespielt habe wie mit Emily, werde ich mir den zweiten Durchlauf ehrlich gesagt schenken. Ja, seine Geschichte ist ganz offensichtlich eine andere. Aber sie wird ja genauso starr und spielerisch uninteressant erzählt wie die, bei der ich mit Emily schon um vertanen Chancen getrauert habe.

    Alone in the Dark im Test – Fazit

    Das Gemeine ist: Man merkt Alone in the Dark tatsächlich an, dass es als Liebesbrief an das namhafte Original entwickelt wurde. Immerhin hat es seine Momente, wenn man durch das stimmungsvolle Derceto-Anwesen läuft. Das Ganze funktioniert nur als Survival-Horror überhaupt nicht – weder im Sinne des Gruselns noch im Sinne brauchbarer Action! Und obwohl die Geschichte auf dem Papier eine gute ist, hat sie mich aufgrund des schwachen dramaturgischen Aufbaus vor allem emotional kaum erreicht. Gelungene Kulissen sind nun mal zu wenig, um aus dem ikonischen Schauplatz ein gelungenes Gruselabenteuer zu machen.

    Alone in the Dark
    PROCONTRA
    • Stilvolle und abwechslungsreiche Kulissen
    • Inhaltlich gute Geschichte
    • Ungenaues, schlecht lesbares und absolut spaßfreies Kampfsystem mit mitunter fehlerhaftem Verhalten der Gegner
    • Starre Kulissen, in denen fast nichts passiert – nahezu alle interessanten Ereignisse werden in Zwischensequenzen gezeigt
    • Interessante erzählerische Momente werden knapp abgehakt, anstatt dramaturgisch spürbar zu sein
    • Viele mäßig unterhaltsame und einige schlecht verständliche Rätsel
    • Benutzen von Steinen und Flaschen praktisch nur an dafür vorgesehenen Stellen
    • Technische und KI-Fehler sowie keine Cloud-Saves auf Steam

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