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Alt+F40: Weird West macht erst den Fallout-Fehler, dann aber vieles besser - und Unpacking ist kistenweise Wehmut

Folge 32: Wenn der erste Eindruck doppelt trügt... hat man zur Abwechslung mal Glück gehabt. Alex im Weird West und beim Auspacken von Umzugskartons.

Die letzte Seuche - Norovirus-Brechdurchfall - ist gerade vorüber, da fangen die Kinder auch schon wieder mit dem Husten an. Und das ist jetzt vielleicht egoistisch, aber im Anlauf auf ausgerechnet dieses Wochenende wird das wirklich zur unerträglichen Zitterpartie: Ab Sonntag bin ich eigentlich das erste Mal seit Jahren wieder alleine zu Hause, denn meine Frau hatte geplant, mit unseren Kindern ihre Cousine im hohen Norden zu besuchen. Ich hätte "frei" bis Dienstagabend, wenn es denn wegen der Erkältung jetzt nicht ins Wasser fällt. Ich freue mich seit dem Sommer auf diese drei Tage Ruhe. Bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Behält man solche Impulse lieber für sich? Sagt ihr es mir.

Jedenfalls steht das jetzt auf der Kippe, denn in der Nacht hat der Kleine schon ganz ordentlich gehustet und der Große war nach dem Aufstehen heiser. Ich gehe einfach mal vom Schlimmsten aus - dann kann ich im Grunde nur positiv überrascht werden. Falls ich Glück habe, mal die Frage in die Runde: Was für ein Typ seid ihr? Wie würdet ihr die Tage, beziehungsweise Nachmittage und Abende nutzen? Lieber verplanen und Dinge machen, die sonst einfach nicht drin sind, oder euch treiben lassen und besser auf nichts festlegen?

So oder so: Drückt mir die Daumen. Ich finde, ich hab ein wenig sturmfrei verdient... Ist 'ne Weile her...


Inhalt


Weird West vom Dishonored-Macher duckt sich gerade so unter einer Kugel weg

Ich freue mich schon länger auf Raphael Colantonios erstes Spiel nach seinem Abgang von Arkane. Wie könnte ich auch nicht? Mit Dishonored hat er eine der coolsten neueren Spieleserien auf dem Kerbholz, Prey war fantastisch und wenn er mit der Offenheit dieser Spiele ein Action-Rollenspiel aus Vogelperspektive in einem ausgefallenen Horror-Western-Szenario auf die Beine stellt, bin ich automatisch von Kopf bis Fuß nur noch Ohr. Und was soll ich sagen: Weird West macht seine Sache gut - allerdings erst nach einem unfassbar schlechten Start, nach dem ich direkt ein bisschen Lust hatte, das Spiel wieder auszustellen.

Keine Panik, es ist nur der Schädel deines gerade eben ermordeten Sohnes!

Es ist ein wenig das Fallout-Problem, dass das Spiel beziehungsweise die Geschichte, die es erzählen will, über die Möglichkeiten und Freiheiten des Regelwerks stolpert. Und das gleich zu Beginn, wohl weil es euch am liebsten sofort in diese sehr interaktive Welt entlassen würde. So bekommt man kaum mit, dass der Sohn der Protagonistin - eine Kopfgeldjägerin im Ruhestand - von verdächtig nach Kannibalen müffelnden Banditen erschossen und ihr Mann verschleppt wird. Das ist buchstäblich das Erste, was passiert - und mein stummes Alter Ego verzieht keine Miene. Wenn man nicht auf die Idee kommt, aus dem Schlafzimmer durchs Fenster in den Hof zu springen, sondern die Tür nimmt, kann es sogar passieren, dass einen der Sheriff abfängt und in einen Dialog verwickelt, noch bevor man den Leichnam seines etwa sechsjährigen Kindes in die Arme schließen könnte - was meine Spielfigur offenbar ohnehin nicht vorhat.

Anstatt, endlich am leblosen Körper des kleinen Kindes angekommen, irgendeine emotionale Regung zu zeigen, sollt ihr erstmal den Schlüssel für den Schuppen und dann eine Schaufel holen. Den Hund der Familie, der ebenfalls getötet wurde, kann man aufheben und an einen schönen Platz hinters Haus tragen - das Kind nur exakt dort verscharren, wo es niedergeschossen wurde. Direkt in der Einfahrt meiner Farm - auf dass ich täglich drüberlaufe. Ich kann ihn sogar ausgraben und seinen Schädel und einen großen Knochen mitnehmen. Zumindest denkt das Spiel, dass ich das möchte. Ich dachte eigentlich nur, es könne ja wohl nicht sein, dass er hier nun liegen muss und wollte noch einmal versuchen, die Leiche woanders hinzuschaffen - aber es kamen nur Knochen zum Vorschein.

Hier kämpfen die Systeme des Spiels mit roher Gewalt gegen eine Inszenierung, die nicht am Menschlichen interessiert ist. Keine Ahnung, wer das so entworfen hat und sich dachte, "Ja, so reagieren normale Leute, genau so muss unser Spiel beginnen." Das waren nur zehn, zwölf Minuten, nach denen Weird West mich direkt auf seiner kalten Seite hatte. Zum Glück wurde es danach entschieden besser. Denn das Spiel hat nicht nur sehr viel BioShock- oder Dishonored-artigen Interaktionsspielraum, es hat auch ein gutes Gedächtnis dafür, was ihr hier eigentlich vorhabt. Rache nämlich. Und es überlässt euch, wie böse ihr die ausleben wollt.

Weird West besteht aus mehreren kürzeren Kampagnen, deren Hauptfiguren gegen Ende aufeinandertreffen werden. Ein interessanter Ansatz.

Wie sich herausstellt, war ich trotz der mauen Inszenierung der Einleitung doch ziemlich kompromisslos drauf - vermutlich, weil ich selbst Kinder habe - und befragte einen der Gangster, den der Sheriff packen und in die Zelle werfen konnte, indem ich ihm nacheinander erst den kleinen, dann den Ring- und schließlich den Mittelfinger brach, was mir dann die Info einbrachte, die ich brauchte. Das Spiel stellte mir diese Optionen im Multiple-Choice-Verfahren zur Verfügung und ich war ihm sehr dankbar dafür. Ich bin gegen Folter jeder Art, aber es passte zur Handlung und zu dem, was eine abgebrühte Kopfgeldjägerin wohl tun würde, um ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Was noch zu ihr passte: Dass sie dem Typen noch in der Zelle eine Kugel in den Kopf jagte.

Das war meine Version der Geschichte, die ich Renegade-mäßig ausleben durfte und in dieser Konsequenz ging es weiter. Auf meiner Verfolgungsjagd über eine große Oberweltkarte - auf der man durch Zufallsereignisse angehalten werden kann - zu neuen Locations, bekam ich immer mehr als eine Möglichkeit, eine Situation anzugehen. Und auch wenn ich noch nicht abschätzen kann, wie sich meine Entscheidungen auf lange Sicht auswirken, spürte ich doch durchgängig die Motivation, wenigstens den Gatten der Kopfjägerin zu retten, auf dass man sich die Trauer teilen könnte.

Sogar der unmittelbare Blutrausch der Vergeltung klang irgendwann ein wenig ab. Nicht, dass ich zimperlich geworden wäre, aber ich exekutierte immerhin nicht mehr jeden Gegner, an den ich von hinten bewusstlos würgen konnte, verschonte so manchen von ihnen. Aber der Zorn schwang in jeder Zeile mit. Etwa, als mich ein sichtlich korrupter Bürgermeister im Gegenzug für Informationen zum Verbleib meines Mannes damit beauftragte, einen Bauern zu schikanieren, ihm sein Gehöft zu verkaufen. Da hätte ich beinahe vom Fleck weg die Hazienda zusammengeschossen - zusammen mit meinen angeheuerten, aber autonom agierenden Begleitern. Ich beließ es dann dabei, mich heimlich ein wenig auf dem Anwesen umzusehen und die Informationen zu stehlen, die ich benötigte (was einer meiner Begleiter gar nicht gut fand und das auch direkt so kommentierte).

Überschaubare, aber auf jedem Teilschritt umso wirkungsvollere Charakterprogression.

Der Kampf an sich ist eine actionreiche Twin-Stick-Geschichte - mit Spezialfähigkeiten, die man über die Bumper aufruft. Etwa, indem man seinen Revolver "fächert", um eine schnelle Serie von Schüssen abzugeben. Oder ein Skill, bei dem der nächste Schuss komplett lautlos ist und unaufmerksamen Zielen doppelten Schaden zufügt. Eine Max-Payne-artige Ausweichrolle gibt es ebenso, wie Elementareffekte, wenn nasse Gegner stärkeren Blitzschaden nehmen. Aber unterm Strich fand ich den Kampf eher zweckmäßig bis ordentlich. Vielleicht liegt es an den etwas steifen Animationen. Weitere Rollenspielelemente kommen im Rahmen eines Perk-Systems mit vertrauten, Fallout-artigen Boni und durch Waffen-Upgrades beim Schmied zum Tragen.

Vor allem aber lebt Weird West von seinem Szenario, in dem man nicht nur Cowboys, sondern auch schon mal Werwölfe vor die Flinte bekommt. Auch die seltsamen Begegnungen prägen den Aufenthalt hier: An einer Stelle stand ich vor einer Hexe, die mir Fragen stellte, bei denen ich nicht sicher war, ob ich direkt zum Revolver hätte greifen sollen, die mir dann aber eine Kiste überreichte, die ich auf keinen Fall öffnen dürfte - bis zum nächsten Treffen mit dieser wundersamen Gestalt. Im Menü steht mir dennoch frei, es trotzdem zu tun. Noch konnte ich widerstehen. Weird West fühlt sich dem Titel entsprechend "schräg" an und hat mit seinem desaturierten, erdigen Comic-artigen Stil, deren handgezeichnete Texturen gern auch mal etwas der Fantasie überlassen, einen Look, den man schnell wiedererkennt.

Und irgendwann wird's richtig wild.

Immer mal wieder blitzt er durch, der Hang zur Spielsystem-getriebenen Soziopathie - etwa, als ich auf einem Friedhof ein gutes Dutzend Leichen ausbuddelte und dabei drei Spaten verschliss, nur weil der erste, noch nicht verbuddelte Körper, den ich untersuchte, einen Barren Silber im Inventar hatte. Klar, das war ich, nicht das Spiel. Aber mir einen Anreiz zu geben, das zu tun, das dient weder meiner zentralen Quest noch zeichnet es ein besonders gutes Bild von der Welt oder der Hauptfigur. Auch alles Teil des "Fallout-Problems" - ist aber drin, weil das Spiel sich nun mal über seine Freiheiten definiert. Vielleicht ist das aber auch einfach eine Eigenart, mit der ich mich langsam mal arrangieren sollte.

Wie dem auch sei: Weird West ist kreativ, atmosphärisch und spielerisch recht wandlungsfähig. Schade, dass es noch bis Januar dauert, bis es herauskommt.


Weitere Notizen - Kalenderwoche 44/21: Mastodon, charismatische Kisten und warten auf Marvel-XCOM

Gerade bei Alex in der Rotation: Für mein hoffentlich freies Wochenende freue ich mich unter anderem auf den Multiplayer von Call of Duty: Vanguard. Auch Guardians of the Galaxy hat eigentlich kein Recht, so gut zu sein, wie es ist, und wird alsbald weitergespielt. Nur leider hat da gerade noch Riders Republic ein Wörtchen mitzureden, das ein klarer Fall von "leider geil" geworden ist. Was Film und Fernsehen angeht: Weil Tom Hanks immer geht, habe ich natürlich auch direkt Finch auf Apple TV+ auf dem Zettel - und mal schauen, ob ich in Foundation endlich mal weiterkomme. Hänge bei Folge 6 - und habe aktuell mehr Lust, Das Problem mit Jon Stewart weiterzuschauen. Auch Invasion, das 2007er Remake von den Körperfressern mit Kidman und Craig in den Hauptrollen, wollte ich mir noch geben. Und ja, ich weiß, dass der nicht gut sein soll...

Es gibt Spiele, die will man nicht mögen - und ist dann doch machtlos gegen sie. Riders Republic ist so eines.

Musiktipp der Woche: An der neuen Mastodon ("Hushed and Grim") bin ich reflexartig wieder abgeprallt - ist lange her, dass ich ein Album von ihnen geliebt habe - The Hunter war das letzte, das ich immerhin mochte. Aber das hier scheint mir im Wechsel zu verkopft und zu stumpf, in den Harmonien gleich zu Beginn schon allzu vertraut. Ich werd' ihm kommende Woche noch mal eine Chance geben. Sonst habe ich eigentlich nur den Soundtrack von Industries of Titan mal wieder Revue passieren lassen, der wirklich außergewöhnlich gut ist.

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Höhepunkt der Woche: Rein spielerisch ist Unpacking (Switch, Xbox, PC - auch Game Pass) eigentlich nur Haut und Knochen: Minimale Interaktion vor klar identifizierbarer, aber nicht wahnsinnig charakterstarker Pixelart. Kiste auf, Klick um Klick Sachen herausholen, vielleicht mal - Rechtsklick! - um 90 Grad drehen, Platz suchen, abstellen. Bis alle Kisten leer sind und alles in jedem Zimmer einen Platz hat, ohne das Feng-Shui zu ruinieren. Aber dieses kleine Spiel macht erstaunliche Dinge mit mir. Es macht mich wahnsinnig wehmütig.

Im Grunde ist Unpacking eine Bestandsaufnahme - eine Inventur, wenn ihr so wollt - des Lebens einer jungen Frau, immer zum Zeitpunkt eines Umzuges in eine neue Wohnung. Das beginnt mit dem Einzug ins Kinderzimmer um 1997 rum und endet irgendwann ... womit, mag ich nicht sagen, denn das wäre ein Spoiler. Ja. Ein Spoiler in einem Spiel, in dem man nichts weiter macht, als Umzugskartons aus- und deren Inhalte irgendwo einzuräumen. Seltsam.

Kann eine Gamecube-Besitzerin in einem PS2-Haushalt glücklich werden?

Parallel zu jedem einzelnen Umzug erinnert man sich selbst an eine vergleichbare Phase in seinem Leben und merkt dabei, dass dieses Spiel voller nahbarer Kleinigkeiten steckt, mit denen man sich identifiziert. Einzug in die WG, in der man droht, komplett unterzugehen, wie das Küchenmesser, das man mitbringt, das aber eigentlich zu viel ist und deshalb in irgendeiner Schublade versauern wird. Oder der Sandwich-Maker, den man seit Jahren mitschleppt, nur für den einen Tag alle zwei Jahre, an dem man tierisch verkatert nichts anderes will, als sich den Gaumen an einem dieser fettigen Toastbrot-Dreiecke zu versengen.

Man registriert sie ziemlich schnell, diese nüchterne Weisheit, mit der Unpacking kleine Geschichtchen erzählt. Und dazu muss es nichts anderes tun, als die materiellen Menschenfragmente, die man bei jedem Umzug zu Hunderten aus den Kartons zieht, in eine neue und ungewohnte Umgebung einzusortieren. Als wäre es die Person selbst, der man stückchenweise ihren Platz im Leben schafft. Ganz klar: Wir kommen hier einem kreativen jungen Menschen näher, indem wir uns durch den Negativraum wühlen, den seine Besitztümer bilden.

Alleine haptisch ist das schon sehr befriedigend, weil alles sehr nett einrastend an seinem Ort zum Ruhen kommt, aber auch optisch besticht das Spiel mit großer Detailfreude und Lesbarkeit: problemlos unterscheidet man Gamecube-Spiele von Blu-rays - und nicht nur das, ich erkenne sogar Pan's Labyrinth, Donnie Darko, Pikmin und andere auf den Hüllen - oder zumindest die lizenzrechtlich unbedenklichen Versionen davon.

Kupfertöpfe? Du bist hier falsch, Mädchen!

Seltsam, wie emotional einen dieser Schattenriss eines Lebenswegs über die verschiedenen Stationen hinweg mitnimmt. Ein angedeuteter Schicksalsschlag, ein Einzug bei einem Partner, der schon mit dem ersten Schuh, für den man vergeblich einen Platz sucht, wie eine schlechte Idee wirkt. Man merkt, sie gehört hier irgendwie nicht her und freut sich, wenn sich dieses Gefühl ein paar Jahre später ins Gegenteil verkehrt - wenn alles auf einmal wie von selbst zu passen scheint.

Unpacking ist ein Stück weit magisch, eine Idee voyeuristisch, bewahrt sich aber trotzdem ein durch und durch gutes Herz. Pure Poesie aus Kartons.


Mittelpunkt (?!) der Woche: Ich habe mich wahnsinnig auf Firaxis' Midnight Suns gefreut. Wer XCOM so gut ins neue Jahrtausend holen kann, der bekommt auch mit Karten-Unterstützung ein rundenbasiertes Marvel-Taktikspiel hin. Ganz egal, ob meine Vorstellung von einem Marvel-XCOM anders ausgesehen hätte. Jetzt kommt es also nicht mehr im März, sondern erst in der zweiten Jahreshälfte 2022. Da solche Verschiebungen aber immer auch die Chance erhöhen, dass das Spiel am Ende nicht enttäuscht, nehme ich die paar Monate zusätzliches Warten gerne in Kauf. Jake Solomon hat mein vollstes Vertrauen!


Tiefpunkt der Woche: Nothing to report. Zumindest nichts, was mein Gemüt ausreichend erhitzte. Soll auch mal vorkommen.

Umzug gut überstanden. Mit dem Umtopfen warte ich aber noch. Ich warte erst die Reaktion auf den Dünger ab.

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