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Herr der Ringe: Die Ringe der Macht lässt mich an meiner Liebe zu Fantasy zweifeln

Und die eine Szene, die mir doch Hoffnung macht.

Schon klar, dass die neue Herr der Ringe Serie: Die Ringe der Macht das nächste Review-Bombing-Opfer wird. Immerhin ist in dieser Version von Mittelerde nicht jeder Charakter so blütenweiß, wie es sich sein vor 130 Jahren geborener Autor ausmalte, als er kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges anfing, diese Welt auf Papier zu bannen. Ich persönlich finde derartige Pedanterie (wenn es denn Pedanterie ist) hochgradig enervierend, vor allem, wenn man bedenkt, was für einen Unterschied oberflächliche äußerliche Erscheinungsmerkmale letzten Endes für die Geschichte machen.

Tatsächlich würde ich es sogar als Stärke von Amazons Die Ringe der Macht betrachten, dass hier irdische Vererbungslehre offenkundig nicht greift, wenn wir es mit Haarfüßen, Zwergen, Elben und ungewaschenen Menschen zu tun haben, die in jeder Konfiguration auseinander hervorgehen können. Die Welt wirkt entschieden fremdartiger, fantasievoller und weiter weg, wenn sie nicht so tut, als würden dort die gleichen Grenzen gezogen wie in der unseren. Schade, dass viele Kritiker in Mittelerde auf dieselben Linien bestehen, wie in der Realität. Mit der Fantasie ist es ironischer Weise bei vielen von ihnen nicht weit her.

Galadriel ist der Fokus der ersten Episoden.

Vielleicht ein paar Takte dazu, wie ich zu Herr der Ringe stehe. Ich bin kein Tolkien-Megafan. Aber der Hobbit und die Ring-Trilogie gehörten zu den ersten Büchern, die ich in meinem Leben aus freien Stücken gelesen habe. In einem Arbeiterhaushalt, wie dem unseren, wo man uns nicht unbedingt zu Bücherwürmern erzog, hat das schon etwas zu bedeuten. Als ein paar Jahre darauf Peter Jackson das Material verfilmte, kamen wir geradezu berauscht aus dem Kino. Ich weiß jetzt noch, wie ein guter Freund nach Die Gefährten auf dem Parkplatz, fassungslos und um Worte ringend, meinte "echte Hobbits, Alter!" stammelte. Was wohl auch der Umfang meiner Reaktion gewesen wäre, hätte ich noch ein Wort herausgebracht.

Obwohl ich keinen Teil mehr so liebte wie den Ersten, konnte ich mir lange Zeit nicht ausmalen, jemals wieder bessere Filme zu sehen. Und jetzt ist da diese Serie und sie lässt mich – erstmal – kalt. Nach Ansicht der ersten beiden Folgen muss ich sagen, ich bin geneigt, das Problem bei mir selbst zu suchen. Denn eigentlich gefällt erstaunlich vieles an Die Ringe der Macht. Mich stört nicht einmal der große (und ich meine grooooooße) Anteil an Exposition. Die Schauspieler sind gut, auf die "verlässlicher Handwerker"-Art, bei der man gut vergessen kann, dass man vor dem Fernseher sitzt. Ein paar, insbesondere unser Frodo-Äquivalent Elanor Brandyfoot (Markella Kavenagh) und Galadriel (Morfydd Clark), noch ein gutes Stück besser. Die Menschen und Hobbit-Verschnitte laufen wunderbar dreckig umher, die Elben sind frustrierend schön, das Set-Design ist ein Traum.

Die Produktionswerte sind ohne Gleichen. Wohl dem, der gerade mehr damit anfangen kann.

Vor allem: Es ist auch kein geistloses, heruntergedummtes Spektakel, das auf schnelle Gratifikation ausgelegt ist, sondern angemessen elegisch, beinahe gemütlich und komplett entschleunigt. An nur wenigen Stellen war ich mir nicht sicher, ob ein Monolog noch poetisch war oder schon kitschig und stilistisch und technisch ist diese Show die wohl beeindruckendste Serie, die ich je gesehen habe. Allein, dass sie Tausende von Jahren vor Herr der Ringe spielen soll und man ihr das nicht ansieht, irritiert mich gelegentlich. Ich bin fast sicher, diese Serie ist gut, viel, viel besser, als ich bei einer Produktion zu hoffen gewagt hatte, die vor allem durch einen Unendlich-Geld-Cheat ins öffentliche Bewusstsein gebrannt werden sollte. Und doch komme ich irgendwie nicht an, in Mittelerdes Vergangenheit, und ich befürchte, dass das Problem bei mir liegt. Mag ich Stoffe wie diesen überhaupt noch wie damals? Haben mich weltlichere und vermeintlich realistischere Serien wie Game of Thrones "verdorben"?

Fakt ist, Der Herr der Ringe war schon in den Neunzigern, als ich ihn lieben lernte, arg betuliche und gestriegelte Fantasy. Daran ist nichts Verwerfliches, aber der ewige Kampf Licht gegen Dunkel, Gut gegen Böse, er übt heute einfach nicht mehr denselben Reiz auf mich aus. Ich befürchte, ich bin dieser Art prototypischer Abenteuergeschichte einfach entwachsen, woran sicherlich auch die einfach gestrickten Weltenretter-Storys von Tausenden Videospielen nicht unschuldig sind, die ich in den Dekaden seither verschlang. Wenn ich sie jetzt sehe, diese makellosen Fusionen aus atemberaubenden Naturpanoramen und perfekter Effektarbeit, regt sich bei nicht immer, aber häufig, erstaunlich wenig.

Zwischen Elrond und Galadriel geht wohl mehr, als ich gedacht hätte.

Ich finde das schade, denn selten merkt man so plötzlich und auf einen Schlag, wenn nicht mehr reizt, was einem einst so viel bedeutete. Das letzte Mal, dass mir das passiert ist, hatte ich nach über zehn Jahren im Verein plötzlich keine Lust mehr, kompetitiv Basketball zu spielen. Natürlich, wir sind noch in der Aufwärmphase von Die Ringe der Macht und das hier ist gut genug gemacht, dass ich ihm gerne weiter eine Chance gebe, aber die Möglichkeit, dass die Vorzüge dieser Show wirkungslos an mir vorüberziehen, ist definitiv da.

Gleichzeitig gab es auch einen Moment, den ich aufrichtig mochte: Als die hobbitartige Elanor mit ihren kleinen Geschwistern ein wenig untypische Abenteuerluft schnuppert, weil jenseits des Zaunes süße Beeren wachsen, bekommt sie anschließend eine Standpauke von ihrer Mutter, die wie alle Hobbitartigen eher auf Sicherheit bedacht ist. "Wenn niemand den Pfad verlässt, geht keiner seinen Weg alleine", und so. Die Szene endet in dem stillen Eltern-Kind-Einvernehmen, das so oft keines ist. Elanor ist im Begriff zu gehen, macht dann aber noch mal kehrt und legt ihrer Mama eine faustgroße Brombeere auf den Tisch, bevor sie einen Abgang macht. Die Kamera hält aufs Gesicht der Mutter, die ihre Tochter für einen Moment versteht— und begreift, dass sich Elanor nicht ändern wird.

Das war elegant und geschmackvoll und von der Sorte wortloses und persönliches Geschichtenerzählen, das diese oft so abgehoben wirkende Welt nahbar erscheinen lässt und von dem ich in den restlichen Folgen gerne mehr sähe. Wenn es mehr davon gibt, wo das herkam, kann ich gut damit leben, dass Herr der Ringe und High Fantasy für mich nicht mehr das Maß aller Dinge sind.


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