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Pillars of Eternity: The White March 1 und 2 - Test

Des RPG-lers Kuscheldecke: Sicher, warm, gemütlich.

Actionreiches Add-on, das Pillars um 20, 30 Stunden erweitert und nach der zähen ersten Hälfte immer besser wird.

Rückblickend kann man fast verstehen, wieso sich Pillars of Eternitys erste White-March-Erweiterung so unumwunden, bescheiden und schmucklos anfühlte. Das Geschichtchen um die Inbetriebnahme von Durgans Batterie, einer legendären, seit Jahrhunderten brachliegenden Schmiede in den eisigen Bergen, war nur Set-up, Vorbote für etwas Größeres und sich weiter draußen Zusammenbrauendes.

Für sich genommen hatte Teil 1 durchaus eine Richtung - die Weißmark, ein optisch und besonders spielerisch an Icewind Dale erinnernder Landstrich -, verfolgte diese aber äußerst straight, mit ausgedehnten Dungeon-Crawls wie im Vorbild und ohne den Hals allzu weit zur Seite zu drehen. Selbst der Einstieg in einer von Ogern überrannten Bergbausiedlung war mehr gedankliche Rückkehr nach Luskan und Co. als kreative Jobofferte für eine von den großen Weltgeschehnissen ausgelaugte Heldentruppe.

White March bringt euch in die Weißmark mit einer Handvoll neuer Gebiete und vor allem Höhlen, Dungeons, Minen und Verliesen.

Von den Geschehnissen des Hauptspiels weitgehend unberührt, schien die Zeit in der Weißmark mit ihren paar neuen Gebieten beinahe stillzustehen wie die gefrorenen Flüsse und Seen im unterkühlten Umland. "Hier, dein kleiner Nebenplot, nimm ihn, wenn du magst, wenn nicht, lass es." Die Leute werden auch in Wochen noch zu Hause hocken und sich vor dem Zorn der Ogermatronin fürchten, aber vor allem wird die Weiße Esse ewig warten.

Es kommt ja sonst niemand vorbei, sie zu entzünden. Und wenn es jemand versucht, sind es die üblichen "vor Kurzem hier gewesenen" Abenteurergruppen, die keiner im Dorf kennt und die auf solchen Expeditionen als Köder fungieren, weil das nun mal ein paar Fragen aufwirft. Sie geben später auch immer einen coolen Kampf ab. Als die Esse dann nach rund zehn Stunden und mindestens ebenso vielen ausgemisteten Höhlen wieder loderte, blieb ein Gefühl der Leere zurück.

Die Festung der ''Eisenflegel''-Söldner durchs Vordertor stürmen. Kann man machen, muss sich aber auf endlose Gegenwehr in einem ohnehin schon nicht mit Gegnermassen geizenden Add-on einstellen. Der Einstieg hintenrum ist viel leichter.

The White March 2 setzt dort an, lässt vielleicht ein paar Wochen oder Monate verstreichen (auch wenn ihr nur einmal irgendwo im Dyrwald rasten müsst) und zeigt unter anderem die gleichen Gebiete, von der Bergbausiedlung Stalwart - diesmal mit geöffneter und in die Tiefe gehender Mine - bis hin zur Festung, wo die Arbeiter gerade dabei sind, die Verteidigungsanlagen wieder in Schuss zu bringen. Die Instandsetzung der Schmiede sorgte für einen Aufschwung der Gegend und lockte nicht nur gute, sondern auch böse Absichten an.

Und an diesem Punkt, sobald man die ersten Träume von tausend starrenden Augen und einer gen Stalwart marschierenden Armee hat, schlägt White March 2 deutlich pessimistischere, beinahe apokalyptische Töne an. Auch hier wartet ein weitgehend finessenbefreiter Fantasy-Plot, einer mit schon früh ausgeprägtem Mitteilungsbedürfnis, was auf dem Spiel steht. Komplexe Dialogszenarien gibt es zwar mehr als in der ersten Hälfte, aber vordergründig geht es erneut ziemlich geradeaus vor imposanten Hintergründen und mit viel Action im ewigen Eis.

Ein riesiger Handknochen inmitten grellblauer Eisflächen und karger Felswände, das sind sehr schöne Ausblicke. Über allem hier hängt ein Geruch des Verblichenen.

Unter dem wie immer wunderschönen 2D-Artwork ist das Getriebe sehr auf Funktionalität geölt. Ihr habt eure paar Nebenquests, erteilt von den einigen Hilfebedürftigen mit ihren paar Problemen. Hier ist die Tochter verschwunden, da passiert Merkwürdiges in den Minenschächten, dort eine neue Begleiterin, die zur Abtei des Gefallenen Mondes will. Nichts übermäßig Aufregendes, aber gefällige Unterhaltung und vorrangig zum Ausstopfen der rund zehn bis zwölf Stunden, die White March 2 dem Pillars-Universum hinzufügt. Ansonsten eine Mordskloppe für diesmal noch größere Gegnergruppen.

In der Form lohnt sich das Add-on am ehesten für Leute, die ihren ersten Durchgang erleben möchten, vielleicht mit der ab 1. März erhältlichen Game-of-the-Year-Edition, und immer mal wieder für eine Stunde in der landschaftlich rauen Weißmark ihr Ding machen. Weniger für gestählte Wiedereinsteiger, denen ein krönender Abschluss nicht funkelnd genug sein kann. White March funktioniert als Einschub wie der Endloser-Pfad-Dungeon, in Dosen gut genießbar, aber am Stück etwas überraschungsarm, zumal man fürs gute Finale erst Teil eins hinter sich bringen muss. Wie gesagt, mit Icewind Dale als Bezugspunkt war ungefähr damit zu rechnen.

In einer sehr netten Quest schickt Trutzbucht einen Abgesandten nach Stalwart, um ein Handelsabkommen zu schließen. Ihr entscheidet, wie die Bedingungen dafür aussehen können.

Dieses Wenige ergänzt die bestehenden Inhalte auf dem Rücken von Version 3.0, die passend zu White March 2 einen Schub an Änderungen mitbringt (und ohne den Kauf der Erweiterung als Update zur Verfügung steht). Die größte betrifft wohl das Magiesystem und insbesondere die Pro-Begegnung-Zauber. Diese sind nun ausgekoppelt aus dem Zauberbuch und belegen dort keinen Extraplatz mehr. Fällt ein Begleiter im Kampf, klagt er nicht nur über blaue Flecken, sondern auch über neue, die Stats bis zum nächsten Rasten drückende Verletzungen.

In der Festung anfallende Abenteuer haben mehr Text bekommen und die Ausprägung des "Survival"-Wertes jedes Gruppenmitglieds ermöglicht beim Rasten in der Wildnis die Wahl diverser Boni. Wem Pillars selbst im einfachen Schwierigkeitsgrad zu schwer war, der kann runterschalten auf "Märchenstunde". Die Kämpfe haben dann nichts mehr mit Taktik zu tun und man muss sich schon sehr gehen lassen, um hier in ernste Probleme zu schlittern.

Wer mag, hilft den Leuten dabei, die Kanonen in Durgans Batterie wieder in Betrieb zu nehmen, muss sich aber in die oberen Geschosse bis zum Dach durchkämpfen.

Nach wie vor wenig Freude bereitet das Looten, das man mit verdrehtem Willen höchstens als zynischen Kommentar auf das Konsum- und Plünderverhalten in RPGs verstehen kann. Es ist wirklich überschwänglich, was hier passiert. Zu Anfang des Hauptspiels, zu zweit oder dritt, als die Sechserparty noch nicht beisammen war, da freute man sich über jedes Geklimper, jede schartige Axt. Im Verlauf von White March hatte ich irgendwann mehr als 100.000 Münzen in der Tasche, davor längst alle Festungs-Upgrades, die besten Verteidiger und keine Not.

Die aus Ogern, Wegelagerern und Söldnern herausgeprügelten Waffen und Schilde bringen mehr ein, als man ausgeben kann, und jeden dahergelaufenen Wirt theoretisch in arge finanzielle Probleme, wenn die Kerle nicht unbegrenzte Mittel hätten. Sie beschweren sich ja auch nie. Pillars entwertet sein Wirtschaftssystem hiermit hauptspielübergreifend schon früh im Verlauf. Ich würde mich freuen, wenn Looting und Verkauf wieder maßvoll geschähen, mit Schätzen, über die man sich freut, und Geld, das man braucht.

Vielleicht sind das Dinge, denen sich Obsidian in Pillars 2 widmet, nachdem ihre Machbarkeitsstudie zeigte, dass Platz für diese Art von Spiel ist. The White March ist eine ordentliche, die Spielzeit weiter ins Epische drückende Erweiterung voller Action, Oger, Geister und Höhlen. Ein ehrlicher Dungeon-Crawl mit wenigen schlimmen Schwächen, aber auch wenig, was das Hauptspiel um markante Facetten bereicherte. Reicht es euch, in die alte Pillars-Schlabberdecke eingehüllt noch mehr Content zu erleben, mehr Kämpfe zu bestreiten, kann man mit The White March nicht viel falsch machen.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Pillars of Eternity

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.

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