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Batman: Arkham Origins - Test

Braucht die Welt ein drittes Arkham?

Warner ist nicht gerade in einer beneidenswerten Lage: Mit Gears of War: Judgement und God of War: Ascension sind in diesem Jahr gleich zwei Prequels von absoluten Schlager-Franchises verhältnismäßig bitter gefloppt. Zumindest inhaltlich tun sich bei Arkham Origins deutliche Parallelen auf. Gut vorstellbar, dass gerade großes Nägelkauen angesagt ist. Gelten für den Dunklen Ritter die gleichen Regeln, wie für die ungleich weniger ikonischen, aber vergleichbar erfolgsverwöhnten Gears-Fleischberge oder den ultimativen Griechen-Rabiator Kratos?

Am Spielerischen hat es jedenfalls bei der Epic-Konkurrenz ebenso wenig gehapert wie bei Sony Santa Monica. Warner hat unterdessen den entscheidenden Vorteil, dass eine Figur wie Batman zum einen - so sollte man zumindest meinen - immer Konjunktur hat. Zum anderen rächt sich Bruce Waynes nächtliches Alter Ego erst durchs dritte Spiel und nicht durch Version 4.0. Dennoch überließ man auch in Sachen Gameplay nichts dem Zufall und betraute mit Warner Bros. Montreal ein offensichtlich fähiges und mit der Materie sehr vertrautes Team. Denn herausgekommen ist eine fast schon zu routinierte, jedoch umfangreiche und unterhaltsame Weiterführung der bewährten Mechaniken. Gleichermaßen zeigt Arkham Origins aber auch, dass sich Rocksteady für die Next-Gen etwas einfallen lassen muss, um das DC-Idol in den kommenden Jahren für Spieler relevant zu halten.

Wie Radfahren

Arkham Origins beginnt ohne Umschweife nach kurzer Filmsequenz, als wäre man nie weg gewesen - und als wäre man seit Arkham City nicht ein paar Jahre in der Zeit zurück gereist. Genauer gesagt ins Jahr zwei von Bruce Waynes Rachefeldzug gegen das Verbrechen. Am Heiligabend ruft ihn die Entführung des Police Commissioners Loeb ins Blackgate-Gefängnis, wo der Capeträger nach einem unaufdringlichen Steuerungs-Auffrischungskurs feststellen muss, dass ihm Drogenbaron Black Mask acht Killer auf den Leib gehetzt hat. Schafft es einer, die Fledermaus an Heiligabend zu erledigen, erhält er 50 Millionen Dollar. Wer sich fragt, warum Bruce die Nacht nicht einfach bei einem Quart Wein vorm Kamin des Wayne Manor aussitzt: Jeder der Auftragsmörder von Bane bis Deathstroke hat seine Gang mitgebracht, die in den Straßen wütet, bis sich Batman zeigt. Die überforderte Polizei um Lieutenant Gordon kann nicht mehr tun, als eine Ausgangssperre zu verhängen, um die Bürger wenigstens halbwegs sicher zu halten.

Von der Gestaltung her ist Gotham City wieder mal ein Hingucker.

Das ist auch der Grund, warum die Welt nach dem Knalleffekt, den es vor zwei Jahren erzeugte, endlich über Gothams Dächern unterwegs zu sein, dieses Mal etwas leblos wirkt: Außer den Kriminellen und ein paar qualmenden Schornsteinen gibt es keinerlei Anzeichen von Leben in dieser Stadt. Die Skyline sieht toll aus, besticht durch Weite und trifft den Ton des Vorgängers sehr gut. Aber Warner Bros. Montreal entlarvt sein diesmal beinahe doppelt so großes, aber trotzdem wie leergefegtes Gotham ein bisschen als bloßes Bühnenbild für die Verfolgungsjagd auf Black Mask. Gerade wenn man aus einem GTA 5 oder sogar Saints Row 4 kommt, wünscht man sich doch ein wenig mehr Stadt-Charakter. Stattdessen gibt es in den Straßen Gothams im Grunde niemanden, der nicht verprügelt werden müsste. Interaktionen mit der Umwelt beschränken sich derweil darauf, in optionalen Aufträgen Waffencontainer des Penguins, Drogenlager von Black Mask, Bomben von Anarky oder Riddler-Rätsel mit dem passenden Werkzeug zu manipulieren oder zu zerstören.

Okay, kennt man auch von Arkham City nicht anders und ist im Einzelnen auch gut gemacht. Aber während man hier häufig deutlich längere Strecken durch die Straßenschluchten mithilfe der einmal mehr exzellenten Gleitflugmechanik zurücklegt, denkt man sich oft, was wäre, wenn Gotham wirklich mal Stadt sein dürfte? So richtig mit Passanten und allem, was dazugehört, anstatt nur eine Map zu sein, damit zwischen den einzelnen Dungeons was passiert? Aber im Bezug hierauf liegt der Ball wohl in Rocksteadys Feldhälfte, die sich hoffentlich schon Gedanken in die Richtung machen.

Es wird eine lange Nacht

Das heißt nicht, dass es abseits der Handlung von Arkham Origins, für die man schon gut 12 Stunden benötigt, nicht genug zu tun gäbe, das in den meisten Fällen die Zeit auch wert wäre. Die zehn Enigma-Türme etwa schalten Schnellreisepunkte für euren Batwing auf der Map frei, wenn ihr ihre Störsender findet und abschaltet. Das ist fast immer damit verbunden, dass ihr erst mal überhaupt den Eingang finden müsst, was sich häufig interessant gestaltet. Es ist vergleichbar mit den Aussichtspunkten von Assassin's Creed oder den Funktürmen von Far Cry 3, aber man fühlt sich nie genötigt, sie anzugehen, was mir durchaus gut gefiel. Auch viele der nebengelagerten, kurzen Handlungsverläufe um obengenannte Randfiguren aus Batmans Rogue Gallery sind ein fließend integrierter Zeitvertreib, obwohl sie nicht selten ein bisschen zu viel Sucharbeit mit sich bringen.

"Der Ablauf folgt, ohne einen Millimeter abzuweichen, der seit Teil eins etablierten Formel."

Abseits der Geschichte trefft ihr auf Bösewichte mit eigenen Agenden. Hier im Bild: Bombenleger Anarky.

Brot und Butter von Arkham Origins ist aber die Geschichte, in der es etwa durch Gordons Polizeirevier, die oben genannte Strafvollzugsanstalt Blackgate oder des Penguins schwimmende Festung Final Offer geht. Der Ablauf folgt dabei, ohne einen Millimeter abzuweichen, der seit Teil eins etablierten Formel. Ihr reißt Lüftungsgitter mit demselben Tastengetippel aus der Wand wie schon zwei Mal zuvor, hackt Türschlösser mit dem kryptografischen Sequenzer,verprügelt alle paar Räume einige Schergen des ortsansässigen Obermotzes und sobald ihr einen Gargoyle seht, wisst ihr, dass die Zeit für Stealth gekommen ist. Diese Formel funktionierte bereits zweimal ziemlich gut. Mittlerweile aber nutzt es sich ein wenig ab, eben weil die Level trotz unterschiedlicher Art-Designs rein spielerisch eigentlich nur dieses Template immer wieder ein wenig variieren und unregelmäßig ein neues Werkzeug einwerfen, dessen Benutzung drei Räume später auch schon wieder Routine ist. Es ist das klassische Schlüssel-Schloss-Prinzip eines Zelda mit - wenn man nur genau genug hinschaut - klar telegrafiertem Weg durch jedwede Umgebung.

Die Predator-Abschnitte, in denen ihr - ganz Batman - eure Feinde von erhöhten Positionen ausknockt, sind zwar beinahe unverwüstlich, aber auch nicht unbedingt die flexibelsten Stealth-Einlagen der Branche. Es ist im Grunde immer nur eine Frage, darauf zu warten, dass eine der Wachen sich vom Rest isoliert (oder das mit dem Geräusche erzeugenden Batarang zu provozieren) und dann mit einem lautlosen Takedown zuzulangen. Wird man dann entdeckt, zählen schneller Rückzug und Raubkatzen-artiges Zuschlagen. Es ist temporeich und durchaus befriedigend, aber eben auch nicht mehr ganz so frisch wie einst.

Action mit Hand(kanten) und Fuß(tritten)

Die Massenprügeleien sind ebenfalls weiterhin fester Bestandteil des Spiels und mittlerweile finde ich es wirklich etwas schade, dass Warner darauf besteht, die Fledermaus selbst in Konfrontationen mit gut 30 Gangstern noch die Fäuste schwingen zu lassen, anstatt irgendwie einen Weg an der Konfrontation vorbei zu bieten. Blendgranaten, Greifhakenspielereien und Rauchbomben versprechen immer nur kurz Entlastung, das explosive Gel ist nicht durchschlagkräftig genug. Mir ist klar, dass man von dem neuen Studio schlecht verlangen kann, ein etabliertes Spielkorsett für diese Sorte Brückentitel komplett umzustricken, aber die Massenkämpfe - so ausgezeichnet sie sind - passen für mich am wenigsten zu Batman. Das ändert nichts daran, dass man sich regelmäßig fabelhaft in die nun noch besser gemischten Gegnermobs verbeißen kann. Die Hiebe und Tritte knallen wie eh und je und der Flow, der aufkommt, wenn man richtig kontert und in alle Richtungen austeilt wie ein Derwisch, ist industrieweit unerreicht. Wer mit den Fights bisher kein Problem hatte, wird auch hier wieder viel Spaß empfinden.

"Allerdings gibt es bei zwei Bossen ordentlich Frustpotenzial, weil man lange nicht begreift, wo in der Angriffstaktik des Gegners die Sollbruchstelle ist."

Technisch ist das Spiel ohne Tadel. Auf der 360 bricht die Bildrate unter freiem Himmel ab und an ein, dafür gibt es kein Tearing.

Auf die Spitze treibt Warner das kämpferische Treiben dann in den Begegnungen mit den acht Killern, die inszenatorisch und dramaturgisch zu glänzen wissen und regelmäßig den Höhepunkt eines Levels markieren. Allerdings gibt es bei zweien von ihnen auch ordentlich Frustpotenzial, wenn ihr auf einmal an einem bestimmten Punkt kontern sollt, oder lange nicht begreift, wo in der Angriffstaktik des Gegners die Sollbruchstelle ist, bis es euch der Ladebildschirm vor dem nächsten Versuch verrät. Das ist nicht immer bester Stil, aber doch aufregend genug.

Mit jedem erreichten Erfahrungspunkte-Meilenstein investiert ihr erneut einen Punkt auf einem Skilltree, der in Serientradition nicht der interessanteste ist, weil er sich viel um verbesserte Panzerung gegen Nah- und Fernkampfwaffen dreht. Es sind ein paar Sahnestücke unter den Fähigkeiten dabei, auf die man sich freut. Bis man dort ankommt, sackt man aber so einiges ein, das einen nicht besonders interessiert. Aber dieser Punkt hatte auch in 'City' eher Beiwerk-Charakter. Cooler sind dagegen schon die Herausforderungen in drei unterschiedlichen Kategorien von Stealth bis Kampf. Es grenzt zwar ein wenig Arbeit, motiviert aber ziemlich, für das versprochene, besonders coole Batman-Outfit seine Spielweise gezielt etwas anzupassen. Aufmerksame und lernfähige Spieler werden viel Leidenschaft aus den häufig recht interessanten Vorgaben in verschiedenen Gameplay-Bereichen ziehen.

Spürnasen aufgepasst!

Eine deutliche Verbesserung in Sachen Flair und Spielerischem zu damals ist unterdessen, dass Batman im Gegensatz zu Asylum und City endlich tatsächlich ab und zu Detektiv sein darf. Während der Kampagne - und auch abseits davon - gibt es diverse Tatorte, die ihr mit der Detektivsicht nach Beweisen absucht, aus denen dann ein holografisches Abbild des Verbrechens rekonstruiert wird. Warner verschenkt zwar die Chance, den Spieler aus Batmans Erkenntnissen die richtigen Schlüsse ziehen zu lassen (letzten Endes plappert einem Bruce vor, was hier augenscheinlich passiert ist), aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt muss man im nächsten Anlauf nur noch der Spieler diese Fälle lösen lassen, anstatt nur markierte Hotspots anzuklicken, und man fühlt sich vollends wie 'the World's Greatest Detective'.

Den Multiplayer-Modus konnten wir vor Veröffentlichung nicht testen. An der Wertung unten ändert er in einem derart handlungsgetriebenen Spiel aber ohnehin nichts.

Und dann ist da noch die Handlung, deren Dialoge die neuen, angemessen jünger klingenden Sprecher Roger Craig Smith und vor allem der fabelhafte Troy Baker in den Hauptrollen mit reichlich Spaß und Nähe zu ihren jeweiligen Vorgängern vortragen. Die Geschichte selbst krankt wie schon 'City' ein bisschen daran, dass man wegen der vielen Figuren und Agenden hier und da aus den Augen verliert, was man gerade macht und warum. Und einige Charaktere werden eingeführt, um sich auf halber Strecke irgendwo zu verlieren. Aber die Handlung bewegt sich mit einem guten Tempo vorwärts und vermittelt das Gefühl einer durchaus florierenden kriminellen Parallelgesellschaft Gothams, was mir gut gefiel.

Letzten Endes fehlt ein bisschen der Esprit, den Spieler durch vergleichbare Höhen und Tiefen zu peitschen wie in den Vorgängern. Die Gleichförmigkeit zu den Rocksteady-Titeln hat derweil zur Folge, dass spielerisch die großen Überraschungen ausbleiben und man sich dem Spiel häufig einen Schritt voraus wähnt. Zwar gibt es drei oder vier wirklich ausgezeichnete Momente in diesem Abenteuer und auch sonst lässt sich Warner Bros. Montreal wenig zu Schulden kommen, liefert ein robustes Erlebnis nach bekannter Machart. Auf die komplette Länge gesehen bleibt von diesem Batman aber eindeutig nicht so viel hängen, wie von der Serie gewohnt. Vielleicht liegt's einfach daran, dass man die Abläufe - Gitter, Lüftungsschacht, Kampf, Tür knacken, 'Double Takedown', Gargoyle, Detektivsicht, 'Inverted Takedown', Lüftungsschacht, Kampf - schon so sehr verinnerlicht hat?

Fragte ich Anfang des Monats noch in meiner Vorschau, ob Batman Prequels cool machen könne, so gelingt Arkham Origins doch vor allem etwas ganz anderes: Es nimmt extern und bei unbekannten Teams entwickelten Fortsetzungen großer Serien ein wenig den Schrecken. Und in dieser Hinsicht ist dieses Batman auch im Stillstand noch ein echter Fortschritt.

7 / 10

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In diesem artikel

Batman Arkham Origins

Android, iOS, PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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