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Homefront

Knapp daneben

Ich mag Danny Bilson. Der Chef der Core-Games-Abteilung von THQ hat mit dem amerikanischen Publisher Großes vor. Er hat eine Vision. Er möchte weg von simpel gestrickten Ballerbuden und banalen Casual-Titeln. Er setzt auf starke Core-Produkte mit ebenso starken Storys und Charakteren. Deshalb wurde für Homefront vielleicht nicht eine der plausibelsten, dafür aber eine äußerst detailliert ausgearbeitete Hintergrundgeschichte geschaffen.

Ein wiedervereinigtes und vor allem wiedererstarktes Korea landet in nicht allzu ferner Zukunft in den USA und zwingt den geschwächten Riesen zu Boden. Das klingt im ersten Moment unwahrscheinlich, doch die vielen fiktiven Fakten, geopolitischen Modelle und intelligenten Erklärungen aus der Feder von ehemaligen CIA-Beratern schaffen zumindest eine gelungene Illusion für eine glaubwürdige Spielwelt.

Doch ein gut recherchierter Background allein genügt nicht. Eine packende Kampagne benötigt auch gute Charaktere und eine spannende Handlung. Ein Job für Autor John Milus, verantwortlich für den Achtziger-Blockbuster „Die rote Flut", der dem Konstrukt Homefront Leben einhauchen und damit Dannys Vorgabe von einer „filmreifen" Inszenierung erfüllen sollte. Getragen von einer harten, kompromisslosen Darstellung wollte der Experte für amerikanische Horror-Szenarien der sonst so gesichts- und namenlosen Masse, für die es zu kämpfen gilt, endlich eine Stimme geben. Ihr Leben, ihr Leid und ihr Sterben sollen die beinharten Kämpfer des Widerstands antreiben, ihrem Handeln eine moralische Dimension verpassen.

Schade nur, dass es Homefront zu selten gelingt, diese hehren Ziele, die Vision von Danny Bilson auch wirklich umzusetzen. Zum Einen ist die Kampagne schlicht zu kurz, um wirklich in die Welt des Jahres 2025 einzutauchen. Nach fünf Stunden ist man auf Normal durch. Das Spiel hört praktisch dann auf, wenn es richtig losgeht und gerade der Anfang wirkt ein wenig gehetzt. Klar, ihr erlebt die Unterdrückung im ersten Level am eigenen Leib. Müsst mit ansehen, wie Kinder ihre Eltern verlieren und willkürliche Erschießungen für Terror unter der Bevölkerung sorgen. Das ist hart, aber macht von Anfang an klar, hier geht es nicht ums Heldentum, sondern ums nackte Überleben.

Doch gerade euer eigenes Schicksal lässt euch relativ kalt. Ihr seid ein Pilot, der von den Koreanern interniert und vom Widerstand befreit wird. Wieso, warum und weshalb? Über Stunden hinweg kein einziges Wort dazu. Auch die restlichen Protagonisten bleiben viel zu flach. Wieso sie kämpfen, welche Schicksale sie in den Untergrund getrieben haben, wird noch nicht mal angerissen. Koreaner greifen an, also muss man wohl um sich ballern und Gleiches mit Gleichem vergelten. Ja, andere Shooter machen das nicht viel besser, Homefront hat aber zumindest theoretisch einen anderen Anspruch und der wird hier leider nicht ganz erfüllt.

Noch dazu fällt die Inszenierung zu simpel, zu linear aus. Die meiste Zeit folgt ihr euren KI-Kameraden und werdet praktisch in einen Schlauch gezwängt. Immer wieder müsst ihr warten, dass eure Kollegen eine Tür aufmachen oder einen Schrank beiseite schieben. Offensichtlicher kann man geskriptete Sequenzen gar nicht mehr präsentieren. Auch hier gibt es atmosphärische Höhepunkte und zumindest ein paar spannende Abschnitte, um den Titel vor der Mittelmäßigkeit zu retten. Geschickt wird gerade zu Beginn ein Spannungsbogen aufgebaut. Ihr werdet nicht mit Dauer-Action penetriert, sondern erlebt auch ruhige, nachdenkliche und manchmal auch erschreckende Momente.

Und auch die eigentlichen Kämpfe funktionieren hervorragend. Die Waffen fühlen sich gut an, die Schlachtfelder sind insbesondere später offen genug, um eine eigene Vorgehensweise zu ermöglichen und die KI gewinnt zwar keinen Nobelpreis, liefert aber genug Gegenwehr, um die Spannung zu halten. Auch hier ein kleiner Tipp: Stellt den Schwierigkeitsgrad in den Optionen auf „Schwer". Vor dem Start der Kampagne werdet ihr nicht gefragt.

Die Grafik ist dagegen ein zweischneidiges Schwert. Angetrieben von der Unreal Engine 3, liefert das Spiel einige beeindruckende Landschaften und ein erstklassiges Beleuchtungsmodell. Wenn ihr euch, gejagt von der koreanischen Armee, durch die Felder des mittleren Westens kämpft und im Hintergrund gerade zum ersten Mal die Sonne eine dichte Wolkendecke durchbricht, gelingt es Homefront, eine dichte Atmosphäre aufzubauen.