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Rock Band 4 - Mehr iterativ als innovativ

Erwartet keine Revolution. Erwartet ein verdammt gutes Musikspiel.

Nach der Ankündigung von Guitar Hero Live war ich ein wenig besorgt, dass Rock Band 4 eine ebenso krasse Neuorientierung wagen würde. Damit möchte ich Guitar Hero Live auf gar keinen Fall schlechtreden. Aber die dort eingeschlagene Richtung scheint sich stark von dem zu entfernen, was ich persönlich von einem Musikspiel erwarte. Und da Rock Band 3 in meinen Augen noch immer den absoluten Höhepunkt des Genres darstellt, sehnte ich mir keinen kompletten Neuanfang herbei, nur weil man irgendwelche Innovationen erzwingen möchte.

Zum Glück ist Rock Band 4 genau das, was ich mir gewünscht habe: Eine sich weiter der Vervollkommnung annähernde Fortsetzung, die den zuvor gelegten Grundstein als richtig anerkennt und darauf aufbaut. Mit Rock Band 4 wird Harmonix daher niemanden überzeugen, der nicht bereits Spaß an der Serie hatte. Dieser Tatsache ist sich das Studio durchaus bewusst und bei einer kleinen Präsentation in München vergangene Woche verwies Community Development Manager Aaron Trites mehrfach auf die grundlegende Philosophie: Rock Band 4 ist ein Spiel für Fans.

Dementsprechend versucht das Team, sämtliche Wünsche und Anregungen der Fans umzusetzen. Ihr werdet beispielsweise alle alten Instrumente verwenden können. Genauso wie jeden gekauften DLC-Song, solange ihr zumindest beim gleichen Plattformanbieter geblieben seid. Besitzt ihr die Songs auf der Xbox 360 und möchtet nun auf PS4 umsteigen, müsst ihr leider erneut den Geldbeutel zücken, was angesichts einiger Lizenzprobleme wohl nicht anders zu lösen ist. Ich bin jedenfalls äußerst froh darüber, meine knapp 500 Songs umfassende Bibliothek sofort in Rock Band 4 einsetzen zu können.

Keine FMV-Hintergründe. Kein Next-Gen-Sega-CD. Ich bin so erleichtert.

Dazu gesellt sich die neue Trackliste, von denen bisher lediglich sechs Songs bekannt sind. Dutzende weitere sollen natürlich folgen und in den kommenden Monaten bis zur Veröffentlichung Ende des Jahres enthüllt werden. Allerdings lässt sich schon an den ersten sechs ausgewählten Stücken ableiten, dass Harmonix die Bezeichnung ,Rock' im Titel sehr ernst nimmt und ein breites Spektrum an Genrevielfältigkeit aus den letzten 50 Jahren präsentieren will.

The Whos The Seeker und Fleetwood Macs You Make Loving Fun sind hervorragende Repräsentanten des 70er Rocks. Die jüngere Seite des Spektrums wird von Jack Whites Lazaretto und Avenged Sevenfolds Hail to the King vertreten. Letzterer ist zudem ein exzellentes Beispiel für die Einbindung der Fangemeinde. Auf dieser Homepage (http://www.harmonixmusic.com/games/rock-band/request/) dürft ihr weiterhin eure Songwünsche vorschlagen, die von Harmonix beachtet werden. Laut Trites gehörte Hail to the King zu den meist gewünschten Titeln und auch viele andere aus der Liste werden im fertigen Spiel auftauchen.

Die restlichen Kandidaten müssen wohl auf eine spätere DLC-Umsetzung warten. Genau wie bei den alten Rock-Band-Ablegern will man auch den neusten Teil jede Woche mit frischen Songs unterstützen. Rock Band 4 soll der erste und gleichzeitig letzte Vertreter für die aktuelle Konsolengeneration sein. Und nicht nur Songs möchte Harmonix über die Jahre hinzufügen. Das Feedback zum Gameplay und Spielmodi fließt ebenfalls in die Weiterentwicklung des Titels mit ein. „Falls sich genügend Leute ein bestimmtes Feature wünschen, werden wir es vielleicht als DLC hinzufügen", verkündet Trites mit überzeugendem Elan und lässt die ersten Journalisten endlich auf die Bühne klettern.

Können sich bitte alle schnell einen Song von General Elektriks wünschen? Super, danke!

Als echter Schlagzeuger und Serienveteran konnte ich meinen energischen Griff zu den Sticks nicht verkneifen und stellte beim Performen des besten Songs aller Zeiten, Tribute, wenig überrascht fest: Jup, das ist Rock Band. Am eigentlichen Spielprinzip hat sich hier überhaupt nichts verändert. Nun gut, Keyboard und Pro Gitarre unterstützt man nicht länger, aber ansonsten fühlt es sich wie eine leicht schönere Version der bekannten Serie an.

Ein paar kleine Änderungen gibt es aber dennoch. So dürft ihr als Sänger eurem virtuellen Publikum vor eurem Auftritt etwas einheizen. Typische Sprüche wie „How's it going Boston?" erscheinen als Text und sollten möglichst laut ins Mikro gebrüllt werden. Ob ihr Bonuspunkte erhaltet, wenn ihr zuvor eine Flasche Whiskey kippt, konnte ich leider nicht bestätigen. Der Rocker-Atmosphäre würde es sicherlich nicht schaden.

Jedenfalls ist diese Art der Interaktion mit dem Publikum ein zentraler Bestandteil der neuen Mechanik. Nicht allein eure generelle Performance sorgt für die Zufriedenheit eurer Zuhörer. Stattdessen könnt ihr nun aktiv auf ihre Wünsche eingehen. Schreien sie nach einem bestimmten Musikstück, erhaltet ihr mehr Geld und Fans, solltet ihr darauf eingehen. Möchtet ihr jedoch viel lieber etwas anderes spielen, müsst ihr mit den Konsequenzen leben. Komplementiert wird das System durch die Dynamik innerhalb eurer Band. Am Ende eines Songs darf jeder über fünf zufällig ausgewählte Kategorien abstimmen. Wollt ihr lieber einen Titel aus den 80ern spielen, etwas mit harten Gitarrensolos oder doch lieber einen Song von Radiohead? Jeder darf darüber abstimmen und das Spiel entscheidet danach per Zufallsprinzip.

Auf dem Schlagzeug folgt ihr nun vorgefertigten Fills, weil die meisten Leute anscheinend nie wussten, wie sie in diesen Momenten agieren sollten.

„Wir hatten einige hitzige Auseinandersetzungen im Büro deswegen.", gesteht Trites. „Wir möchten die Banderfahrung stärker in den Vordergrund rücken und solche Diskussionen über die Richtung der Band gehören ebenfalls dazu."

Ich kann daher mir sehr gut vorstellen, welche Auswirkungen dieses System auf zukünftige Abende mit Freunden haben könnte. Zudem verbessert es den Spielfluss. Ihr müsst nicht länger nach einem gespielten Song zurück auf die Trackliste gehen, ein neues Stück auswählen, darüber erst minutenlang streiten und abschließend noch einmal sämtliche Instrumente und Schwierigkeitsgrade bestätigen. Nun könnt ihr in diesem Show-Modus ohne Unterbrechung endlos weiterspielen oder zumindest solange, bis entrüstete Nachbarn die Polizei rufen. Hey, alles schon erlebt.

Über die restlichen Spielmodi wie den kompetitiven Multiplayer oder den mit vielen Rollenspielelementen angereicherten Story-Modus wollte Trites nicht reden und verwies stattdessen auf die E3, wo wir mit „einigen Ankündigungen rechnen dürfen."

Als großer Fan der Reihe war ich von meiner kleinen Anspielsession total begeistert. Denn im Prinzip hatte ich nur einen Wunsch: Eine leicht verbesserte Version von Rock Band mit allen alten Songs und Instrumenten auf den neuen Konsolen spielen zu können. Obwohl ich mir wahrscheinlich trotzdem wieder die neue Plastikperipherie zulegen werden. Diese entwickelt wie schon bei Rock Band 3 Mad Catz und sie sollen noch besser funktionieren als vergangene Iterationen. Ich bin jedenfalls gespannt darauf, genauso wie ich nun den weiteren Informationen auf der E3 entgegenfiebere.

Und ehrlich gesagt bin ich mittlerweile sogar froh, dass Guitar Hero Live sein komplett eigenes Ding macht und eine etwas andere Zielgruppe verfolgt. Somit sollte in dieser Generation hoffentlich gewährleistet sein, dass beide Serien in Frieden aufblühen und das Genre kein zweites Mal zu Tode gemolken wird.

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