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Spacetime: Gothic-Erfinder Mike Hoge macht auf Weltraumspiel

"Ich habe so ein Spiel in der Form noch nicht gesehen."

Mike Hoge hat ein kleines Problem. Er lässt sich gerne genügend Zeit, was als Spielentwickler aus dem deutschen Mittelstand keine so einfache Sache sein dürfte. Als der Mitbegründer des Studios Piranha Bytes für dessen Debüt "Gothic" eine mittelalterliche Gefangenenkolonie mit Hierarchien und Lagerbildung entwarf, war das noch anders. Ende der Neunziger, als das Spiel entstand, da hatte er diese Zeit. Und Glück im Marktumfeld, doch das ist eine andere Sache. Ihm gelang damit etwas in vielen Belangen nicht mal unbedingt Brandneues, aber etwas Eigenes, Beseeltes und bis heute Geliebtes. Bei "Risen" war die Zeit knapp, sowohl beim ersten als auch zweiten Teil. Am dritten war er nicht beteiligt. Als dieser 2012 in die Produktion ging, zog er sich zurück.

"Ich habe viel Party gemacht und ein bisschen gejobbt, damit wenigstens Kohle reinkommt", sagt er, "und ansonsten: eine Auszeit genommen - nach 17 Jahren kann man die gut gebrauchen". Die wenigsten würden ihm da widersprechen. Noch etwas kam in dieser Ruhephase wieder: Zeit. Dafür, sein neues Spiel zu entwerfen, sich auch einfach mal nur in irren Ideen zu verlieren, zu grübeln, ob sie umsetzbar sind oder nicht, ohne Zwang und Zeitplan.

"Ich hatte bis jetzt keinen Bock, mich um die Verpackung zu kümmern", erzählt er und meint damit alles von den nackten Spielinhalten Abweichende, "nicht mal um den Namen". Hoge ist nach wie vor Teilhaber von Piranha Bytes. Am bekannten Studio, das Mitte August die Risen-Trilogie beendete, hängt inzwischen ein Unterlabel: Piranha Bytes Red ("Wir kannten sie bisher wirklich nur unter dem Namen CD Projekt..."). Mit zweien seiner alten Kollegen sitzt er in einem kleinen neuen Büro. Seit zweieinhalb Monaten läuft die Produktion eines Prototypen.

Gothic war Hoges erstes großes Spiel. Bis heute existiert eine leidenschaftliche Community.

Einen Codenamen gibt es bereits: Spacetime. Ein Reiseziel auch: der Weltraum. Hoge mag das Spiel weder auf ein Genre reduziert noch allzu spezifische Erwartungen geweckt sehen. Im Fancyspeak moderner Spielentwicklung nennt er es einen "Space-Explorer". Nicht weniger als das All lässt Platz für Spekulation, was das irgendwann einmal im Detail bedeuten soll, außer halt ganz weit draußen die hoffentlich aufregendsten Geschichten zu erleben.

So seine Vision eines Tages Realität wird, soll man Schiffe fliegen und erkunden, aus diesen Schiffen aussteigen und erkunden, Planeten ansteuern, Dialoge führen, erkunden vielleicht. Das Fliegen und Unterwegssein zu Fuß in etwa gleichem Verhältnis. Und all das in der Ego-Perspektive, denn "anders würde das Spiel gar nicht funktionieren". Wieso? "Das zu erklären wäre jetzt zu früh", meint Hoge.

No Man's Sky lässt grüßen? Nein, so größenwahnsinnig ist hier keiner, nicht als kleiner Entwickler aus dem deutschen Mittelstand. Hoge weiß, wo die Grenzen verlaufen müssen. "Wir haben nicht Hunderte Planeten zum Erkunden und müssen das wirklich im Rahmen halten", sagt er. "Man muss nicht überall landen können."

Ein Schiff und eine darauf stationierte Crew sind nichts, was man nicht spätestens seit Star Trek: Bridge Commander kennt. Was ist das Besondere an diesem Ansatz? Wie offen dieser Ansatz klingt, zumindest wenn Hoge darüber redet. Hier bekommt man als Kapitän eine Befehlsgewalt über eine stetig wachsende Mannschaft in die Hand. Einige der Frauen und Männer sind offensichtlich Ambiente-Details und verlieren sich im Kleinklein ihrer täglich an Bord anfallenden Arbeiten. Wichtig sind die Brückenoffiziere und das, wofür man sie anheuert.

Gothic 2 das zweite. Ja, sorry, Leute, ist ein wenig langweilig, aber es gibt halt noch kein Bildmaterial dazu.

Die von ihnen geleisteten Beiträge sind im weitesten Sinne so etwas wie das Rollenspielskelett. Jeder beherrscht irgendwas besonders gut, was Einfluss auf die Qualität der durchgeführten Aktionen nimmt. Das Schiff ist der heimliche Star des Spiels und wird im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut. Also kann man entweder in die Tiefe oder in die Breite gehen, vieles so halb können oder weniges richtig gut?

"Wir wollen es nicht machen wie in Mass Effect, wo das Fliegen eine Zwischensequenz oder ein Ladebildschirm ist", sagt er. "Das Schiff ist so etwas wie der Charakter, den man aufrüstet und verbessert." Wenn die angedeutete Unendlichkeit eines hat, dann Geheimnisse: fremde Kulturen und Technologien, die man entdecken, erforschen kann, vielleicht annektieren muss beim Vordringen nach... wohin auch immer. Und so wird aus einem "Space-Explorer" schnell ein Rollenspiel, je nachdem, wo man seine persönlichen Schwerpunkte für diese Art von Spiel setzt. Erkunden und das Gefühl haben, es existiere ein "Weit-Draußen" und dort nicht nur ein paar Level, sondern ein Universum mit Geheimnissen, Geschichte - hat das gerade jemand im Sinn?

In jedem Fall plant Hoge, dass ihr mit einem frei wählbaren Zweiertrupp die Fremde erkundet, ein Gefühl für die Größe des Universums bekommt, kämpft, quatscht und rettet, was es da draußen zu retten gibt. Zwischen den Offizieren umschalten und sie steuern? Jederzeit. Leveln? Tun sie nicht. "Nehmen wir Dragon Age. Die meiste Zeit über spielt man einen Charakter, dann schaltet man irgendwann mal zum Elfen zurück, der ist inzwischen 16 Stufen aufgestiegen", scherzt Hoge. "Also schnell Autoverteilung und weiter." In seinem Spiel schart man Spezialisten um sich, die allesamt ihren Teil zum Erleben der großen Geschichte im Hintergrund beitragen.

Geschichten und Geschichte, ja, gibt es. Und fremde Alien-Rassen, mit denen man mehr oder weniger erfolgreich kommunizieren kann. Je nachdem, wen man für die Gespräche in die erste Reihe schickt. Falls man reden und nicht gleich schießen will.

Mass Effect... war von Bioware. Hoges Spiel will das Schiff viel mehr in den Mittelpunkt stellen als nur in schicken Zwischensequenzen.

Ein erdachtes Beispiel ohne Gewähr, es in genau dieser Form im Spiel zu erleben: "Nehmen wir an, eine Mission entsendet dich zur Rettung einiger versprengter Bergleute", sagt Hoge, "da sucht man sich im Vorfeld die Leute aus, die dafür geeignet sind, nicht unbedingt den Kampfdroiden."

Welchem Spiel ähnelt das hier nun?

"Keine Ahnung, ich habe diese Zusammensetzung bisher so nicht gesehen", meint er. "Will da jetzt noch nicht zu viel drüber sagen."

Hm, man kann von Beginn an in alle Richtungen fliegen und die Grenzen des Möglichen steckt der Ausbau des Schiffes ab... Fallout? Kneifen wir die Augen zusammen und nehmen Fallout, das erste?

"Ja, ich denke, die Richtung kommt ganz gut hin."

Fallout ist ein Rollenspiel.

"Nenn es, wie du willst."

Nennen wir es halt so. Rollenspiele haben oft Dialoge. "Dort wollen wir weg von Frage... Antwort... Frage... Antwort", verspricht Hoge, "sonst könnte man auch einfach die Unterhaltung starten und das Ganze automatisch laufen lassen".

Bisher ist das Spiel kaum mehr als eine abgesteckte Vision. Eingeplant sind etwa drei Jahre Entwicklungszeit. Der erste Prototyp soll im Frühjahr 2015 fertig sein. Dann mal sehen, welcher Geldgeber anbeißt. (Bild: Elite Dangerous)

"Nehmen wir an, du triffst ein anderes Schiff und sprichst mit dem Kapitän. Dann erzählt der dir natürlich nicht, dass er seine Socken verloren hat", sagt Hoge. "Es kann auch passieren, dass die Zeit für einen Handel nicht mehr reicht, weil er schnell weiter muss." Begreift auch das eher als grobe Richtung, wie die Dinge verlaufen können.

Das Spiel soll auf jeden Fall eines sein, das reines Spielen über cineastische Inszenierung stellt, euch vom Schiff bis zur Planetenoberfläche alles erkunden und manuell ablaufen lässt. "Stell dir vor, du nimmst eine Stadt aus Gothic, steigst ein und fliegst damit durchs All", sagt Hoge, und es klingt im ersten Moment viel zu cool, um es hier nicht zu schreiben.

Da haben wir es wieder: Gothic. Ein Spiel, das an den richtigen Stellen zurückgefahren und in seinem Umfeld jahrelang fortschrittlicher war als vieles, was große internationale Teams in jener Zeit leisteten. Gothic ist Deutschland, Spielekunst, ein Meilenstein, so schmalzig und kitschig das klingt. Mike Hoge und seine Kollegen hatten Zeit dafür - und Glück dabei. Vielleicht kann man diesen "Impact" noch einmal wiederholen oder kommt zumindest in die Nähe, wer weiß das schon.

Aber was, wenn das nicht gelingt? Was, wenn Gothic Hoges größter Erfolg bleibt, sein Magnum Opus, ein Glückstreffer, uneinholbar, unwiederholbar? "Man kann nie wissen, wie die Leute ein Spiel aufnehmen", sagt er, "doch ich bin auf jeden Fall willens, es noch einmal zu versuchen".

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Gothic

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.
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