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Yakuza

Ab in die Unterwelt

Meine erste Begegnung mit der japanischen Unterwelt der Yakuza-Gangstersyndikate hatte ich wohl mit Ridley Scotts "Black Rain" (1989). Ein Film, der recht oberflächlich in die asiatische Mafiathematik einführte. Abgeschnittene Finger fürs Versagen waren mir damals aber trotzdem neu. Mit einiger Verspätung erscheint nun in Europa das in Japan bereits als "Ryo Ga Gotoku" bekannte Videospiel Yakuza. Das Playstation 2-exklusive Spiel lässt uns im Gegensatz zur Handlung des oben erwähnten Films tief in den Untergrund abtauchen - in der Rolle eines Yakuza-Gangsters und nicht eines Cops.

Kazuma Kiryu, ein stadtbekannter Schläger aus Tokio, steht kurz davor, seinen eigenen Clan zu gründen. Doch dazu kommt es nicht. Aus Pflichtgefühl und Verbundenheit einem Freund gegenüber, nimmt er dessen Mord an ihrem Boss auf seine Kappe und wandert dafür für zehn Jahre hinter schwedische Gardinen. Außerdem wird er natürlich aus dem Yakuza-Clan geworfen und muss zukünftig alleine klar kommen. Nachdem er das Kittchen wieder verlassen darf, hat sich in der zuvor durchorganisierten Tokioter Unterwelt einiges geändert. Kämpfe und Morde unter den Familienmitgliedern haben die Stimmung ordentlich vergiftet. Und alle haben plötzlich Handys!

Immer mitten in die Fresse rein!

Ausgedacht hat sich die Hintergrundstory des Spiels der in Japan bekannte Drehbuchautor Seishu Hase. Kerninhalte wie Ehre, Respekt und Selbstaufopferung fehlen daher natürlich genau so wenig in diesem Action-Adventure, wie Brutalo-Fights en masse. Der Handlungsfaden wird von diversen Cutszenen gesponnen, die von der guten, aber nicht übermäßig tollen Ingame-Engine angetrieben werden. Oft dauern diese Sequenzen mehrere Minuten und lassen sich weder beschleunigen noch abbrechen. Das erweist sich vor allem beim erneuten Spielen als großes Manko. Zudem sind die Dialoge leider weit davon entfernt, lippensynchron zu sein.

Anfangs kommt es einem vor, als würde die Action als Zwischensequenz für die überlangen Cutszenen herhalten müssen, so häufig dürfen wir uns beschäftigungslos zurücklehnen. Spätestens nach Kapitel eins, das teilweise als Tutorial dient, gerät das aber wieder ins rechte Lot und ich kann mich vor kampfeslustigen Yakuza und anderen Straßengängstern kaum noch retten. Dann nämlich gehe ich - auf der Suche nach den wahren Verrätern - meiner Haupttätigkeit nach und durchstreife das von Leuchtreklamen erhellte Nachtleben des Viertels nach wertvollen Informationen. Alle Nase lang werde ich von irgendwelchen Hinterhofschlägern angehalten, die sich eine Tracht Prügel abholen wollen. So gut wie immer bin ich auf mich allein gestellt, während die Kontrahenten fast ständig einige Freunde mitbringen. Das macht aber nichts.

Einerseits ist der Schwierigkeitsgrad von Yakuza ziemlich moderat. Andererseits machen die 08/15-Gegner gegen meinen nach außen hin eiskalten Protagonisten keinen Stich. Er ist mit allen Wassern gewaschen und beherrscht neben normalen Tritten und Schlägen auch einige besonders effektive Kombos und Würfe. Lediglich die Masse an Feinden und einige der wenigen Bossgegner können mir gelegentlich zu schaffen machen. Sollte ich mehrmals hintereinander gegen einen Endboss den Kürzeren ziehen, bietet mir das Spiel den "Downgrade" auf Spielstufe "leicht" an. Natürlich lehne ich dankend ab - schließlich bin ich ein Yakuza!

Wo gehts hier zum Bus?

Einer der Grunde, warum die Kämpfe meist recht easy sind: die schwache KI. Die Schläge und Tritte der Angreifer lassen sich leicht vorhersehen und ausweichen. Ist aber kein wirklicher Kritikpunkt, denn wenn ein erfahrener Yakuza von einem einfachen Straßenpenner angegriffen wird, erwartet man ja unterschiedliche Kampfskills. Während der Fights lässt sich alles mögliche aufheben und als Waffe missbrauchen: Golfschläger, Baselballschläger, Holzschwerter, Lanzen, Feuerlöscher, Statuen, Lampen usw. Allerdings hat jeder Gegenstand eine begrenzte Einsatzdauer, die per Countdown eingeblendet wird.

Kämpfe ich mich in Rage, nennt sich das in Yakuza "Heat Mode". In dieser kurzen Periode kann ich besondere Attacken auslösen, die dem Kontrahenten auf einen Schlag den Rest geben. Diese Finishing-Moves laufen geskriptet ab, was zum Vorteil hat, dass sie nicht unterbrochen werden können. Zum anderen kann mir in dieser Zeit niemand hinterrücks auf die Fresse hauen. Feinde während des Heat-Modes in den Boden zu stampfen, bringt auch noch einen weiteren Pluspunkt: Ich kassiere mehr Erfahrungspunkte. Diese setze ich zum Aufbessern von drei Hauptattributen ein, mit denen beispielsweise meine Trefferpunkte gesteigert werden oder ich stärkere Kampfkombos erhalte.

Als ziemlich störend erweist sich während der Kämpfe häufig die Kameraführung. Immer wieder schlage ich deshalb Luftlöcher und fange mir Konterschläge ein. Zudem ist es wenig nützlich, wenn ich meinen Helden von vorne betrachten darf, dafür aber die Gegner nicht sehe. Erst umständliches Davonlaufen und eine Drehung lassen mich meinen Widersachern wieder in die hasserfüllten Augen sehen.

Hoffentlich hält meine Frisur!

Wenn ich nicht gerade von infantilen Schlägern zu einem Tanz gebeten werde, durchstreife ich "mein" Viertel immer wieder von A nach B und zurück. Dabei labern mich ständig Gestalten an, die mich in ihre Schuppen locken oder anderweitige Beschäftigung anbieten wollen. Aufträge gibt es so überall und insgesamt soll es über 70 Nebenquests und Minispiele geben, bei denen ich auch in Kasinos und an Spielautomaten meinen Zaster vermehre. Zwar bitten die Minigames nicht wirklich viel Spieltiefe, aber als willkommene Abwechslung gehen sie auf jeden Fall durch. Die in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Straßenprügeleien sind ideal zum Leveln. So wie "Random Encounters" in einem Rollenspiel.

Ab und zu empfiehlt sich ein Besuch eines "Saftladens". Dort kann ich Verpflegung einkaufen, mit der ich verlorene Trefferpunkte wiederherstelle. Alternativ schaue ich mir halbnackte asiatische Mädels in Magazinen an. Das hilft meinen Trefferpunkten zwar nicht auf die Sprünge, meinem Kreislauf aber schon ... Als zusätzliche Gameplay-Aufklockerung dienen Dialoge mit NPCs, die ein bisschen Rollenspiel integrieren sollen. Abgesehen von der einen oder anderen nützlichen Information, bringen die Gespräche aber kaum Spieltiefe und sind häufig reiner Selbstzweck.

Ärgerlich sind das ständige Nach- und Neuladen und die insgesamt zu langen Ladezeiten. Die Grafik ist für PS2-Verhältnisse gut bis spitzenmäßig. Tokios Straßenzüge wirken belebt und die vielen beleuchteten Reklametafeln vermitteln ein authentisches Bild. Der ein oder andere Kleinkriminelle, den Ihr auf die Fresse haut, hätte aber ein paar Polygone mehr vertragen. In Sachen Sound verdient die Sprachausgabe ein dickes Lob, auch wenn das Ganze nicht immer lippensynchron ist. Die Soundeffekte an sich sind ebenfalls ok und vor allem das Geprügel tut schon beim Zuhören weh.

Mein Ausflug in das von Blut, Ehre, Respekt und überdimensionalen Tattoos geprägte Gangstermillieu Tokios war echt unterhaltsam. Die Yakuza-Story ist spannend, wobei es zum Schluss hin chaotisch wird. Mit den blutigen Haudrauf-Fights verhält es sich ähnlich. Die sind eigentlich wirklich spaßig, aber nach dem hundertsten Mal lässt die Motivation schon ein wenig nach. Was sehr ambitioniert beginnt, endet mit einer Spur zu wenig Abwechslung. Dank der Mini-Games und Nebenaufgaben wird dieses Manko aber ein bißchen entschärft, weshalb es Yakuza gerade noch ins sonnige 8-von-10-Land schafft.

8 / 10

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In diesem artikel

Yakuza

PS2

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Über den Autor

Nedzad Hurabasic

Contributor

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