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The Mooseman - Test: Reise durch Tod und Schöpfung

Willkommen im finno-ugrischen Limbo.

Sidescroller, der sich um nordische Mythologie dreht. Technisch leider etwas fehlerhaft, inhaltlich aber zumindest interessant.

Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich in Dinge zu viel hineininterpretiere. Bei The Mooseman beispielsweise hielt ich es lange Zeit für ein Stilmittel, dass zwischen den Kapiteln des Spiels jemand auf russisch mit mir redet. Bis ich dann gemerkt habe, dass das schlichtweg die etwas unpassende Standard-Spracheinstellung war, die ich jederzeit auf Deutsch umstellen hätte können.

Nachdem ich auf einmal verstand, was das Spiel mir sagen will, verlor es zugegeben ein bisschen von seinem mystischen Zauber. The Mooseman wirkt zunächst wie Fantasy, will eigentlich aber von den Mythen der finno-ugrischen Völker erzählen. Das sind, vereinfacht gesagt, Volksgruppen, die hauptsächlich in Skandinavien und in Gebieten des heutigen nördlichen Russland und Ungarn lebten und teilweise heute noch leben. Ein sehr nettes und vor allem unverbrauchtes Szenario für ein Spiel, meine ich.

Allein auf weiter Flur? Na wartet mal ab. (The Mooseman - Test)

Aufgrund der PR-Beschreibung habe ich mit The Mooseman eine Art Walking Simulator erwartet, ein Genre, das ich sehr mag. The Mooseman schlägt allerdings eher in die Kerbe eines Limbo oder Inside, es läuft komplett in 2D ab. Im Gegensatz zu den genannten Spielen sind die Rätsel hier ein wenig simpler, wirklich lang hängt ihr nie fest. So kommt es, dass sich The Mooseman je nach Talent in ein bis zwei Stunden durchspielen lässt, dafür kostet es lediglich 6,99 Euro. In dieser Zeit bekommt ihr aber auch was für euer Geld. The Mooseman ist ziemlich abwechslungsreich, wenn auch recht farbarm. Ihr wandert durch Wälder oder Höhlen, bekommt es mit den verschiedensten Kreaturen zu tun. Und ihr könnt sehen, was keiner sonst sehen kann.

Schließlich seid ihr der Elchmensch. Auf Tastendruck erweitert ihr eure Sicht auf die Welt und blickt gewissermaßen in das Reich der Toten. Ein Baumstamm ist dann kein Baumstamm mehr, sondern eine Raupe. Nähert ihr euch, bewegt sie sich, kriecht vorwärts und bedeckt einen Fluss. Wechselt ihr nun wieder zurück in die reale Welt, ist dieser Baumstamm wieder ein Baumstamm und ihr könnt ihn nutzen, um besagtes Gewässer zu überqueren. Es sind solche Rätsel, die The Mooseman am Laufen halten, die euch immer wieder herausholen aus der Träumerei, in die ihr zwangsläufig verfallt, wenn ihr ungebremst durch diese mystische 2D-Welt lauft. Wobei letzteres auch angenehm ist, The Mooseman ist ein sehr entspannendes Spiel.

Dieses Schneemonster hat einiges an Weisheit abzugeben. (The Mooseman - Test)

Entspannend ist es aber vor allem inhaltlich. Nicht so sehr technisch. Man merkt dem Titel deutlich an, dass er ursprünglich für mobile Plattformen entwickelt wurde. Gelernte Playstation-Mechanismen funktionieren hier manchmal nicht. Ein Beispiel: Im Verlauf des Spiels könnt ihr an versteckten Orten kultische Gegenstände finden. Anschauen dürft ihr euch die in einem Menü und ich würde nun erwarten, dass ich mit einem Druck auf die Kreistaste (PS4) aus diesem Menü wieder herauskomme. Geht aber nicht, stattdessen muss ich nach unten navigieren und auf "Weiter" drücken, ein Wort das nur geringfügig verdunkelt wird, wenn ich es anwähle.

Zusammengefasst: Die Nutzerführung ist einfach misslungen. Und auch die Kollisionsabfrage hat manchmal ihre Probleme. Mal renne ich in einen Baumstamm und hänge dann in ihm fest, manchmal passiert mir das gleiche mit winzigen Steinen. Manchmal aber eben nur, es stört beim Spielen nur selten, zumal die Checkpoints relativ fair gesetzt sind.

Jemand oder etwas sieht euch ... (The Mooseman - Test)

Aber: Wenn auf einmal im Hintergrund einer sehr dunklen mystischen Spielwelt tausende von Augen aufgehen, die mich beobachten, wenn sich diese Augen dann auch noch in einem See spiegeln, von dem ich vorher aufgrund besagter Dunkelheit noch nicht mal wusste, dass er da ist, dann bin ich bereit, einem Spiel solche technischen Unzulänglichkeiten zu verzeihen. The Mooseman schafft es ganz hervorragend, mir die gefühlte Gedankenwelt von Menschen nahe zu bringen, die Jahrtausende vor mir gelebt haben. Das Spiel gibt mir ein realistisches wirkendes Bild davon, wie diese Menschen vielleicht die Welt gesehen haben. Und irgendwie komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob in Tausenden von Jahren jemand ein Spiel machen wird, in dem dargestellt wird, wie wir heute die Welt sehen. Ich würde das zu gern sehen, werde es aber nie. Das ist schade.

Nun, wie ihr vielleicht schon herausgelesen habt: The Mooseman hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe mich gefragt, was wohl ein prähistorischer Mensch gedacht haben mag, war er doch rein biologisch gesehen kein anderer als der heutige Homo Sapiens. Ob da Sprache im Spiel war und welche Rolle die gespielt hat. Ob diese Menschen manchmal diskutiert haben, meinetwegen über das Wetter oder über Ebbe und Flut, oder ob da nur das Thema Essen auf der Tagesordnung stand.

Letzteres glaube ich ehrlich gesagt nicht. Und The Mooseman hat mir sehr eindrucksvoll vermittelt, warum. Weil diese Menschen nämlich eine Kultur hatten und haben, weit entfernt von unserer zwar, aber eine durch und durch menschliche. Sie haben allem irgendeine Bedeutung zugemessen, selten bis nie die richtige, wenn es um Naturwissenschaftliches geht, aber eine, auf der man aufbauen kann, ein in sich schlüssiges System, das dabei geholfen haben muss, sich zu erklären, warum die Welt ist, wie sie ist.

Okay, es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch braun. (The Mooseman - Test)

Spielerisch hat The Mooseman trotzdem seine Probleme. Manchmal funktioniert ein Rätsel nämlich offensichtlich einfach nicht wie es soll. Das äußert sich beispielsweise so: Per Tastendruck bewegt ihr im Geistmodus bestimmte Bretter, die wiederum den Blick eines Gegners auf euch versperren sollen. Tun sie aber nicht, das Licht scheint einfach durch. Ich habe das Spiel auf der PS4 gespielt, eine kurze YouTube-Recherche hat mir gezeigt, dass das auf anderen Plattformen funktioniert. Ich habe die fragliche Stelle irgendwann geschafft, aber nur mit Glück. Das ist nicht, was die Entwickler wollten. Und das ist potenziell ein Bug, der dazu führen kann, dass ihr an dieser Stelle aufhören wollt, The Mooseman zu spielen.

The Mooseman ist dennoch ein tolles, ambitioniertes Sidescroller-Spiel, das aber vielleicht ein bis zwei Monate mehr Entwicklung verdient gehabt hätte, zumindest für die Konsolenversion. Freunde von Limbo oder Inside werden das Spiel trotzdem lieben, die Atmosphäre ist großartig und irgendwann fühlt ihr euch wirklich, als wüsstet ihr, wie urzeitliche Menschen in Nordrussland gedacht haben - was ihr in Wirklichkeit natürlich nicht wisst. Aber dieser Einblick in eine fremde Welt ist wertvoll. Das Spiel bringt euch zum Nachdenken, irgendwie. Und dafür sind 6,99 Euro echt okay.


Entwickler/Publisher: Vladimir Beletsky, Mikhail Shvachko/Vladimir Beletsky - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch, iOS, Android - Preis: 6,99 Euro - Erscheint am: erhätlich - Getestete Version: PS4 - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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