Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Doctor Strange 2 ist jetzt auf Disney Plus, aber das macht die Sache nicht besser

Ein unterhaltsamer, solider Raimi-Film, der einer wichtigen Figur Unrecht tut.

Update (SPOILER): Doctor Strange in the multiverse of Madness ist ab sofort auf Disney Plus verfügbar, weshalb wir euch noch einmal diese Kritik präsentieren. Gut sechs Wochen, nachdem ich ihn das erste Mal sah, hat sich mein Verhältnis zu dem Film zwar ein wenig aufgelockert, enttäuscht bin ich aber nach wie vor. Ich fand ihn sehr unterhaltsam und unterm Strich sehenswert, aber seit Civil War in einem (zugegebenermaßen guten) Film abgefrühstückt wurde, anstatt als nächste Phase nach Endgame genutzt zu werden, wurde nicht mehr so viel Potenzial verschenkt wie hier. Wanda hatte etwas Besseres verdient.


Ursprüngliche Filmkritik: Die Enttäuschung für Avengers-Fans - Doctor Strange in the Multiverse of Madness

Vorsicht SPOILER: Vergebt mir den Titel, der in seiner Unschärfe ein wenig wie Clickbait wirkt. Ich wollte nicht schon in der Überschrift einen dicken Spoiler platzieren und halte mich deshalb vage. Jetzt aber geht’s ins Detail und wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte wieder rausklicken aus diesem Artikel.

Bis in meine frühen Zwanziger war Sam Raimi mein Lieblingsregisseur. Der verbotene Reiz des "schlimmsten Films aller Zeiten", Tanz der Teufel (Evil Dead im Original), übte auf Jungs meines Jahrgangs ungeheure Anziehungskraft aus. Und da Raimi nicht gerade subtil, aber dafür umso unterhaltsamer auf immer wiederkehrende Stilmittel setzt, hat sein Werk einen hohen Wiedererkennungswert. Als Film-Geek in der Mache identifiziert man sich schnell mit dieser unkonventionellen und unverwechselbaren Energie.

Auch in Doctor Strange in the Multiverse of Madness ist sie Daumendick aufgetragen und darf bisweilen den kompletten Film für fast eine Minute unterbrechen. Zum Beispiel, um einmal mehr den Beweis anzutreten, dass Bruce Campbell immer noch der beste Schauspieler ist, wenn man jemanden braucht, der sich vor laufender Kamera selbst verprügelt. Weitere Gimmicks, die keinen Zweifel daran lassen, wer diesen Film gedreht hat, sind die wilden Kameraschwenks und -kipper, POV-Einstellungen aus Sicht des “Monsters” und Augäpfel, die sich mit dem “Plopp” eines beschwipsten Weinkorkens aus der Höhle lösen.

America Chavez muss leider als MacGuffin herhalten und bleibt deshalb blass. Wong und Wanda liefern hingegen beste Arbeit. Und ein paar ausgedehnte Marvel-Gastauftritte brachten mir - obwohl nicht permanent - geradezu kindliche Freude.

Alles da und auch wenn ich in der Sekunde, in der der beige Oldsmobile Delta, in dem Raimi seine Unschuld verlor, in einer der Paralleldimensionen durch die Luft schwebte, wohl geblinzelt haben muss. Mir hat die ungebrochene Raimi-haftigkeit viel Spaß bereitet, gerade zum Schluss hin. Obwohl ich nicht immer ganz sicher war, ob sie stilistisch so wahnsinnig passend war für das MCU, weil ich vor lauter Stilmittel manchmal den eigentlichen Film nicht mehr sah. Aber wo, wenn nicht in einem Doctor-Strange-Film über das Multiversum kann man so etwas bringen? Insofern: Alles gut und im Zweifel für die kreative Freiheit des Regisseurs.

Gleichzeitig hat mich diese Fortsetzung von Scott Derricksons deutlich konventioneller aufgezogener Origin-Geschichte mal wieder daran erinnert, dass Doctor Strange fast immer eine der besten Figuren in einem starken Ensemble ist, aber solo irgendwie nicht ganz so gut funktioniert. Vielleicht ist es die Second-Hand-Stark-Arroganz, die man schon ein wenig zu gut kennt. Aber auch das hatte ich im Vorfeld erwartet, war darauf eingestellt und darauf gefasst, dass Cumberbatch schon das Beste aus diesem Umstand machen würde. Meine eigentliche Enttäuschung liegt woanders.

Die Olsen spielt wieder mal fantastisch. Aber sie hätte mehr Grauzone verdient gehabt. So sabotiert der Film Wandavision nur unnötig.

Mein zentrales Problem mit Doctor Strange in the Multiverse of Madness ist aber einmal mehr die Prämisse eines neuen MCU-Stoffes. Schon bei Eternals tat ich mich schwer und dass Moon Knight das ägyptische Pantheon jetzt de Fakto zur einzig wahren und wahrhaftigen Weltreligion erklärte, bereitete diesem ein bisschen zu zwanghaft auf Ordnung und Kohärenz gebürsteten Hirn ebenfalls ein paar Schwierigkeiten. Dieser Film nun untergräbt mit seiner Ausgangslage einen Avengers-Charakter, der gerade in Infinity War und der Serien-Phase des MCU ordentlich an Profil gewann. Wie Multiverse of Madness mit Wanda umgeht, ist grob fahrlässig und macht mir die Figur ein Stück weit kaputt.

Was ist also die Ausgangslage? Die junge America Chavez wird quer durch die Dimensionen gejagt, weil sie die Kraft hat, sich durch das Multiversum zu bewegen. Ziemlich schnell wird klar, es ist Wanda Maximoff, die Scarlet Witch, die irgendwo auf dem Weg von Wandavisions Westview zurück ins Kino ihren Verstand verloren hat und das Multiversum nach ihren Kindern abgrast. Erklärt wird diese Wandlung zum Bösewicht der Geschichte abseits des Bildschirms durch das Necronomicon Ex-Mortis – pardon “das Darkhold”. Jenes finstere Zauberbuch, das Wanda in ihrer Disney+ Serie von Agatha Harkness stahl. Das verdirbt nämlich alles und jeden, mit dem es in Kontakt kommt und brachte Wanda wohl auf die Idee, sich Americas Kräfte mit Gewalt zu holen.

Zum Glück, darf Raimi auch ein bisschen albern werden. Obwohl mich das Raimi-Stilmittel-Bingo manchmal kurz aus dem Film-Riss, ist es schön zu sehen, dass Regisseure den Filmen noch ihren eigenen Stempel aufdrücken dürfen.

Doof nur, dass sich in Wandavision buchstäblich alles darum drehte, mit Verlust klarzukommen, ihn zu akzeptieren, weil die Alternative sich und anderen Menschen nur Schmerzen zufügt. Doctor Strange 2 macht das alles zunichte und tut der Figur damit Unrecht. Mir ist bewusst, dass die Post-Credits-Szene der Serie diese Wendung das schon andeutete, aber bereits da schmeckte sie mir nicht. Ich hatte eher etwas in die Frienemy-Richtung erwartet, mit einer Wanda, die die Grauzonen auslotet, anstatt komplett wahnsinnig über Leichen zu gehen. Ich finde, ihre Entwicklung wurde komplett verschwendet und Wandavisions Ereignisse zur Bedeutungslosigkeit degradiert, zumal auch die Auflösung am Schluss erschreckend einfach scheint: Ihre Kinder sehen Wanda als Scarlet Witch, Problem gelöst! Nun gut, immerhin habe ich endlich eine Erklärung dafür bekommen habe, warum ihre Kinder nicht komplett ausgedacht waren.

America Chavez, wenngleich eine sympathische Erscheinung, ist über weite Teile ebenfalls ein ziemlicher MacGuffin ohne allzu viel Profil. Für ihren nächsten Auftritt wird sie beinahe bei null anfangen müssen. Ich muss gestehen, all das hat mir ganz schön den Film verhagelt, der ansonsten eigentlich ziemlich gut gemacht ist und ein schönes Tempo geht. Außerdem muss ich sagen, dass dieser gesamten Multiversum-Geschichte langsam die Luft ausgeht, da es schon schwierig genug ist, die Ereignisse in einem Universum gespannt zu verfolgen. Wenn es so viele Versionen unserer Welt gibt, warum sollten wir uns dann für eine spezielle wirklich interessieren? Es eskaliert auf ungesunde Weise und mittlerweile habe ich den Überblick über die Zusammenhänge zwischen Endgame, Loki und den Timekeepers, Spider-Mans interdimensionale Streiche und nun Doctor Strange ein wenig verloren.

Tentakel und Augäpfel schon gleich zu Beginn! Raimi weiß, wofür wir Eintritt bezahlt haben.

Wir könnten eine Erinnerung daran vertragen, warum erst jetzt das Multiverse so durchschlägt im MCU, das Regelwerk, nachdem gerade alles kollidiert. Oder sie schwenken auf eine komplett andere Handlungsebene um (hoffentlich), denn dieses stückweise Auftragen und Abarbeiten von Multiversum-Geschichtchen vor dem Hintergrund in ihrer Zahl exponentiell anwachsender Realitäten ist irgendwie nicht befriedigend.

Das ist es am Ende, oder? Ein temporeicher und sehenswerter Film voller guter bis exzellenter Szenen und schauspielerischen Leistungen – eine bestimmte Konfrontation in der Mitte hatte eine Menge von Invincible – und schöner Panoramen. Viel eigene kreative Energie obendrauf, nur mit Achillesfersen an ein paar für mich sehr empfindlichen Stellen. Ich jedenfalls kam zwar gut unterhalten, aber irgendwie mit einem leeren Gefühl in der Brust aus dem Kino. Gut möglich, dass ich mit der Zeit meine Meinung zu Wandas Wandlung ändere – das MCU ist gut darin, nachträglich Kontext nachzufüttern, der bestimmte inkonsistent wirkende Dinge glättet (siehe Wandas nur vermeintlich "ausgedachten" Kinder). Aber das ist gerade mein dezent zerknirschter Stand.

In diesem artikel

Marvel's Avengers

PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC

Verwandte Themen
Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
Kommentare