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Lovecraft's Untold Stories: Mit der Schrotflinte gegen die großen Alten

… und immer im Kampf gegen den Wahnsinn.

"That is not dead which can eternal lie", heißt es im Necronomicon, gewissermaßen der Bibel der Großen Alten im Universum des H. P. Lovecraft. Die Großen Alten sind eine Art Mischung aus Göttern und unfassbar mächtigen Aliens, die irgendwann erwachen und dann - verkürzt gesagt - dafür sorgen, dass alle wahnsinnig werden bevor die Realität selbst zu existieren aufhört. Düsteres, verrücktes Zeug, Lovecraft eben.

Im Deutschen wurde diese Passage meist mit "Es ist nicht tot, was ewig liegt" übersetzt, was der Sache leider nicht ganz gerecht wird, denn es könnte gleichermaßen "Es ist nicht tot, was ewig lügt" bedeuten. Was genau nämlich passiert, wenn die Großen Alten wiederkehren, das weiß keiner. Könnte auch sein, dass all die Kultisten, die ihre Wiederkehr feiern, sinnlosen Versprechen aus dem Necronomicon huldigen. Und wie das so bei Menschen ist, sie haben Angst vor dem Unbekannten, weshalb es auch in Lovecraft's Untold Stories erst mal mit einer recht primitiven Waffe auf die Jagd nach den Lovecraft'schen Dämonen geht: einer Schrotflinte. Peng!

Dieser Kampf gegen eine Truppe Kultisten verlief nicht ganz nach Plan.

Das wirkt zunächst reichlich unpassend, denn Lovecrafts Werke zeigen das eigentliche Grauen nie, Menschen begegnen einem der Großen Alten nicht direkt, sie bekommen höchstens Ausläufer von Ausläufern des kosmischen Wahnsinns mit. Dass jemand mit der Schusswaffe auf die Jagd nach ihnen geht, ist also eigentlich ziemlich undenkbar und doch funktioniert das Thema als Twin-Stick-Shooter ganz hervorragend. Genau das ist Lovecraft's Untold Stories nämlich, ein sehr eingängiges 2D-Ballerspiel in Pixelgrafik. Anfangs verkörpert ihr im Spiel einen Detektiv, nach und nach schaltet ihr neue Figuren frei, darunter etwa einen Professor oder eine Hexe.

In Lovecraft's Untold Stories wird aber nicht durchgängig geballert, im Gegenteil. Ein großer Teil des Gameplays gehört der Erkundung der prozedural generierten Spielwelt. Immer wieder müsst ihr kleinere Rätsel lösen, beispielsweise Schlüssel für Türen oder Schatzkisten finden. Immer wieder findet ihr dann auch rätselhafte Artefakte, die euch dabei helfen können, euer Wissen über die Großen Alten zu erweitern, gleichzeitig riskiert ihr dadurch aber, mehr und mehr dem Wahnsinn zu verfallen.

Wirkliche Konsequenzen ergeben sich daraus leider nicht, das Spiel benutzt den Wahnsinn, der sich in Form von violetten Tentakeln um euer Charakterporträt rankt, eher zum Aufbau der Atmosphäre. Nicht ganz zum Lovecraft-Kanon dürfte allerdings gehören, dass ihr dem Wahnsinn durch den Genuss von Schokolade entrinnen könnt, die ihr regelmäßig in Kisten und Schubladen findet.

Die Pokémon-Version von Cthulhu. Oder Star Spawn, erster Boss von Lovecraft's Untold Stories.

Wenn ihr über irgendeine Höllenbrut oder ein paar Kultisten stolpert, merkt ihr das sofort - dann nämlich erscheinen dämonisch anmutende Symbole auf der Tür hinter euch. Die verhindern, dass ihr sie wieder öffnen könnt, das geht erst, wenn ihr alle Feinde um die Ecke gebracht habt. Manchmal ist das überraschend einfach, an anderer Stelle beißt ihr dagegen ziemlich schnell ins Gras. Die prozedural generierten Levelabschnitte erscheinen manchmal ein wenig arg zufällig. Mal rennt ihr gleich im ersten Zimmer des alten Herrenhauses in Kapitel eins in eine riesige Herde Zombies, Mal geht es Problemlos durch ein paar Räume und direkt zum ersten Boss.

Cover image for YouTube videoLovecraft's Untold Stories Trailer

Charakterprogression wie man sie von Rollenspielen kennt, gibt es in Lovecraft's Untold Stories nicht, wohl aber findet ihr immer wieder Ausrüstungsgegenstände, die euch gegen bestimmte Arten von Schaden wie Feuer oder Säure besser schützen. Auch hier können die zufallsgenerierten Level zum Problem werden - denn wenn ihr nicht ein paar Health Packs in der Schnellzugriffleiste habt, kann schon der erste Bosskampf zum ernsthaften Problem werden. Habt ihr aber nur genügend Schränke durchsucht, besitzt ihr davon ziemlich sicher einen guten Vorrat.

Wenn die Karte selbst euch nicht im Weg steht, entsteht durch den Wechsel aus Erkundung und Kampf aber ein netter Spielfluss. Werdet ihr getroffen, beginnt ihr oft zu bluten, woraufhin ihr kontinuierlich Lebensenergie verliert. Das wiederum könnt ihr mit einem Verband heilen, aber den müsst ihr erst mal haben - ein Hauch von Survival Horror zieht sich durch Lovecraft's Untold Stories und das tut dem Spiel ausgesprochen gut. Es zollt dem Thema nämlich zumindest im Ansatz einen gewissen Tribut.

Da hab' ich mich doch glatt hinter dem Vorhang versteckt: Mit dieser Ladung Schrot in den Rücken hat das Tentakelvieh nicht gerechnet.

Das Lovecraft-Thema, so unpassend es für einen Twin-Stick-Shooter zunächst erscheinen mag, war für meinen Spaß am Spiel schon wichtig. Immer wieder greift der Title Versatzstücke aus dem literarischen Erbe des kontroversen Schriftstellers auf, Innsmouth hier, Große Alte wie der bei Groß und Klein beliebte Cthulhu da. Kunstvoll gefertigte Pixelskulpturen grotesker Tentakelwesen in Herrenhäusern, untersucht von bereits leicht wahnsinnig gewordenen Detektiven, das ist der Stoff aus dem Lovecraft-Geschichten sind. Das funktioniert in der Pixelgrafik des Spiels erstaunlich gut, weil es, wie bei Lovecraft üblich, relativ viel der Vorstellungskraft des Betrachters überlässt.

Die Actionszenen sind ein Bruch mit dieser Thematik, ganz ohne Zweifel. Und sie sorgen dafür, dass Lovecraft's Untold Stories eher eine Lovecraft-Parodie ist, ob nun freiwillig oder nicht. Als solche funktioniert der Titel aber gut. Cthulhu wartet derweil in R'lyeh träumend auf das erste Spiel, das der Lovecraft'schen Fiktion wirklich gerecht wird.


Entwickler/Publisher: LLC Blini Games/LLC Blini Games - Erscheint für: PC - Preis: 14,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Gespielte Version: PC - Sprache: englisch - Mikrotransaktionen: Nein

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Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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