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Nur auf Apple Arcade: Fantasian ist das neue alte Final Fantasy

Genauso, wie man es will, wenn man "wie früher" sagt.

"Von alten Leuten für alte Leute", das scheint das Motto für Fantasian zu sein. Es ist das Final Fantasy VIII eines alternativen Universums. Es spielt sich fast exakt so. Gut so.

Hironobu Sakaguchi ist Mr. Final Fantasy persönlich. Er erfand praktisch den ersten Teil - oder vielmehr, schaute sich sehr genau an, was Dragon Quest so trieb -, war bis X-2 mal Director, dann Producer und schließlich noch Executive Producer und kein Name ist so mit der Serie verbunden wie er. Nun, das stimmt nicht ganz, der andere Name wäre Nobou Uematsu, der die berühmte Musik der praktisch gesamten Reihe schrieb. Beide wollten es nun noch einmal wissen, nachdem das letzte RPG von Mistwalker, ihrer Firma seit 2006, auch schon ziemlich genau 10 Jahre zurückliegt. Und nicht nur, dass alte Männer hier ihr Alterswerk abliefern, sie tun es auf die denkbar schrulligste Weise. Im Grunde als Bastelprojekt im Keller.

Ganz, als wäre es 1997 und das Ding heißt Final Fantasy

Der Twist ist hier sicher nicht die relativ handelsübliche Story, die mehr als nur ein paar Ähnlichkeiten mit FF VII mitbringt, genretypischer Helden-Gedächtnisverlust inklusive. Wie gesagt, in einem anderen Universum hätte dieser Mix aus Fantasy und Sci-Fi auch Final Fantasy VIII sein können, es wäre inhaltlich niemandem aufgefallen und die 20+ Jahre Unterschied fallen hier gar nicht auf. Kann man gut spielen und dank Instant-Sprechblasen auch schnell durchklicken, wenn der Dialog mal wieder eine unnötige Extra-Runde dreht. Was er gern mal tut. Aber nicht mehr als so ziemlich jedes andere J-RPG auch. Rechnet übrigens schon mal mit ein wenig Cliffhanger zum Ende, dies ist der erste Teil von Fantasian, Teil zwei folgt später dieses Jahr.

Hier sieht man den eigenen Stil der Dioramen sehr schön. Als würde man mit AR auf seiner Modelleisenbahn spielen...

Das eigentliche Gameplay ist dann sicher auch nicht der Twist, zumindest von Aufbau her. Ihr habt ein durch und durch konservatives Level-System für die Helden, die ihr nach und nach in der Story einsammelt, habt eine Standard-Attacke und Spezialfertigkeiten wie auch Magie. Diese sind alle das, was man aus nunmehr fast 35 Genre-Jahren gut kennt. Ich glaube es gab nie eine Fertigkeit, die ein Charakter beim Hochleveln neu bekam und bei der ich mich fragte "Hm, was könnte das wohl sein?" Ihr habt in den anfangs etwas zu häufigen Zufallskämpfen eine klar angezeigte Zug-Reihenfolge, jeder wählt brav einen Move und selbst ein recht konservatives Bravely Default erscheint einem da geradezu bahnbrechend anders. Aber es spielt sich auch schnell und zügig genug, bietet solide Bosskämpfe und auch sonst genug der üblichen Taktik des Genres. Macht Spaß, fast egal wie oft man es schon gespielt hat.

Aber ab einem Punkt wird es dann richtig gut: Dann nämlich, wenn das Dimengeon-System freigeschaltet wird. Jetzt kämpft ihr nicht mehr sofort gegen die Monster, die ihr trefft, sondern sammelt sie in eurer Pokémon-Kugel oder was auch immer das genau ist. Aber keine Sorge, sie kämpfen nicht für euch und ihr müsst sie auch nicht lange sammeln. Denn wenn maximal 30 drin sind, müsst ihr kämpfen, und zwar gegen alle in einem Kampf. So viele wie auf ein Schlachtfeld passen, werden platziert, die restlichen rücken nach, sobald ihr ein paar erledigt habt. Es ist als würde man 10 bis 20 Zufallskämpfe in einer Runde absolvieren und es ist großartig! Nicht nur geht es schneller, der taktische Anspruch steigt auch merkbar, denn es kommen ein paar Bonus-Punkte auf dem Schlachtfeld dazu, die euch buffen und heilen können, wenn ihr sie richtig erwischen könnt. Wenn ihr das dann überlebt habt, dann gibt es auch den verdienten dicken XP-Aufschlag, den man merkt, im Gegensatz zu den kleinen einzelnen Pünktchen, hätte man jeden Kampf einzelne ausgetragen. Ein geniales System, auf das Meister Sakaguchi ruhig 30 Jahre vorher hätte kommen können.

Dimengeon for the win: Mehr Monster, mehr XP, weniger öder Grind!

Dimengeon war dann auch schon die eine spielerisch neue Idee - die eigentlich eine alte nimmt und wieder interessant macht, was keine kleine Leistung ist. Der Rest drumherum erfindet nichts, aber auch gar nichts neu. Ihr habt sogar eine Oberwelt, auf der ihr herumwandert. Zu meist drei recht definierten Punkten, aber ja, sie ist da, als wäre es irgendwas zwischen 1987 und heute. Man kann dem Genre nicht zu viel Lust zur Veränderung vorwerfen. In den kleineren Gebieten geht es meist insoweit linear zu, als dass ihr Start und Ziel habt und dazwischen nur kurze Sackgassen zu optionalen, aber lohnenden Schatzkisten findet. Wer jetzt denkt, dass ich hier Final Fantasy aus der SNES- oder PlayStation-Zeit beschreibe... Nun, ja, im Grunde ist es das. Und es ist wundervoll.

Fantasian hat zwar ein, zwei Zufallskämpfe mehr als ihm guttut, sicher. Es gibt nur die Illusion spielerischer Freiheit, das ist so gedacht. Aber gleichzeitig ist es ganz genau das, was man haben will, wenn man sagt "Ich möchte jetzt ein gutes, altmodisches J-RPG wie früher spielen". Genau das ist Fantasian auf die einfachste und beste Art. Gemacht von den Leuten, die ihr halbes Leben mit nichts anderem zubrachten und offenbar auf ihre alten Tage nicht das Rad neu erfinden wollten.

Modellbauer sucht Highend-Mobile-Plattform

Das heißt aber nicht, dass Fantasian keine Besonderheiten zu bieten hätte. Zum einen ist das die Apple-Exklusivität. Aktuell bekommt ihr Fantasian nur als Teil der Apple Arcade, die voraussetzt, dass ihr im Monat das Geld für große Paket Apple One zahlt oder nur die 4,99 monatlich für nur Apple Arcade opfert. Ihr könnt Fantasian nicht einzeln kaufen und bekommt es auch auf keiner anderen Plattform, zumindest aktuell nicht. Dafür benötigt ihr dann natürlich auch ein Apple-Gerät, das auf iOS oder MacOS läuft. Dazu zählt auch das neue Apple-TV-Gerät, das ihr dann mit einem Bluetooth-Xbox-Controller verbindet und spielt, als wäre es eine Konsole. Aber man merkt auch direkt, dass Fantasian mit Touch im Hinterkopf entworfen wurde.

Natürlich gibt es ein Luftschiff...

Das eine besondere spielerische Feature, das Touch anspricht, ist das "Werfen" von Specials und Magie. Mit dem Finger - oder dem Stick des Controllers - zieht ihr eine Flugbahn, um mehrere Gegner zu erwischen oder um einen Tank herum seine Kollegen hinter ihm zu treffen. Das ist jetzt keine spielerisches Killer-Feature, aber schafft es, elegant die Kämpfe ein wenig zeitgemäßer aufzulockern. Leider fehlt im Gegenzug ein Auto-Kampf, da aber nicht so viel gegrindet wird, ist das okay. Vor allem, da es eine bequeme Schnellreise auf den Karten gibt. Einfach den gewünschten Punkt anklicken und die Figur läuft hin - aber natürlich kann sie dabei in Gegner laufen und tut das auch häufig und gern.

...und so sieht es dann im Spiel aus.

Die andere große Besonderheit neben der Apple-Exklusivität ist das Art-Design von Fantasian. Sakaguchi ist leidenschaftlicher Modellbauer und so wurden unter seiner Anleitung 150 teils recht große Dioramen gebaut und abgefilmt. Damit habt ihr auch keine freie Kamera, sondern wandert mit euren eher schlichten Polygon-Figuren durch diese Modelle. Das Ergebnis muss ein wenig mit dem Switch-Effekt leben: Je größer der Screen, desto weniger beeindruckend und detailliert wirken diese Areale. Aber gerade auf Tablet und Phone mit ihren kleinen Screen sind die Modelle teilweise hinreißend. Ein klein wenig fremdartig, ein wenig wie eine Modelleisenbahn und immer ein wenig was Besonderes.

Es ist das Äquivalent zu Nightmare Before Christmas: Eine aus der Zeit gefallenen Technik wurde auf 11 gedreht und schafft sich so eine eigene denkwürdige künstlerische Nische. So erhebt sich Fantasian von einem netten Standard-J-RPG zu etwas Besonderem. Der Legende nach nutzte Sakaguchi auch eine über 10 Jahre alte Digital-Kamera statt dem neuesten Modell, weil nur diese genau den etwas altmodisch-verschwommenen Look brachte, den er sich vorstellte. Was soll ich sagen, Künstler halt. Aber das Ergebnis gibt ihm recht.

Das Beste an Fantasian? Dass es genau weiß, was es ist und gar nichts anderes sein möchte!

Das andere Element, das Fantasian über sich selbst erhebt ist der Soundtrack. Uematsu wagte sich ein klein wenig aus der Deckung, wenn der Soundtrack mitunter etwas minimalistischer und weniger filigran zu Werke geht. Er improvisierte häufiger beim Komponieren und ließ sich wohl direkt dabei von den Dioramen inspirieren. Wie auch immer, Fantasian zeigt einmal mehr, dass der Gaming-Welt ärmer sein wird, wenn er sich nach diesem Spiel tatsächlich zurückziehen sollte.

Fantasian: Ganz eigen und doch genau wie früher

Würde ich für Fantasian allein ein Apple-Arcade-Abo abschließen? Ja, sicher, ohne Frage. Zumal ich es ja nach ein, zwei Monaten kündigen kann, wenn ich die etwa 20 Stunden durchhabe. Dann kann ich später im Jahr wieder für Teil zwei zurückkommen. Würde ich dafür ein Apple-Gerät kaufen? Nun, da müsste ich schon ganz harter Sakaguchi-Uematsu-Fanboy sein, schließlich sind diese Geräte nicht ganz preiswert. Aber ja, als ganz starker Anreiz für die Apple Arcade hat man sich ein sehr eigenes Projekt mit Fantasian herausgegriffen. Es spielt gleichzeitig die vollständige Retro-Klaviatur durch, kann aber auch mit seinem ganz eigenen, unverbrauchten Look punkten und natürlich mit Dimengeon, den besten Zufallskämpfen, seit es J-RPG gibt. Es ist mit Touch gut spiel- und insgesamt als gar nicht mal so kleine Genre-Perle ebenso gut vorzeigbar. Die Plattform für Fantasian mag ungewohnt sein, aber das Spiel ist das beste wirklich klassische J-RPG, das euch derzeit unterkommen kann.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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