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Star Trek: Strange New Worlds – Das war endlich wieder Star Trek!

Es tut so gut, dieser Besatzung zuzusehen.

Tja, wenn es sonst keiner schafft, dann muss es eben der älteste aller Star-Trek-Captains richten. Das ist zumindest mein Fazit nach der ersten Staffel Strange New Worlds, die seit einigen Tagen in der deutschen Version des Streaming-Diensts Paramount+ in ihrer Gesamtheit verfügbar ist.

Und kommt mir jetzt nicht mit Archer. Ihr wisst genau, wen ich meine: Christopher Pike, der anno 1965 in der ersten aller Pilotfolgen die Enterprise kommandierte, bevor er den Staffelstab an Kirk abgab. Und wisst ihr, was dieser Pike am Ende der ersten Folge von Strange New Worlds sagt, als er gefragt wird, welche Mission seine Crew hat?

“Wir erforschen”, sagt er da. Mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte es weder Abrams’ Actionfilme noch das Cringefest Discovery oder die Heldenvernichtung Picard je gegeben. Da ging mir das Herz auf.

„Wir erforschen.“ Unter Christopher Pike ist die NCC-1701 auf der Suche nach abenteuerlichen, überraschenden, herausfordernden Entdeckungen – genau so, wie es für Star Trek mal vorgesehen war.

Das Schöne ist, dass Star Trek: Strange New Worlds so klar zu seinen Wurzeln steht. Dass diese Worte nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern in jeder Sekunde spürbar sind, wenn das Flaggschiff der Föderation auf der Suche nach unbekannten Lebensformen und Zivilisationen ist. Woran ich das festmache? Unter anderem daran, dass die Geschichten einzelner Ereignisse im Vordergrund stehen.

Denn anstatt sich mit vermeintlich epischer Gigantomanie zu überschlagen, erzählt Strange New Worlds spannende, überraschende und romantische Anekdoten, um dabei mitunter ethische Fragen aufzuwerfen, die beim gebildeten Science-Fiction-Publikum sicherlich kein Staunen hervorrufen, aber hin und wieder auch nach den gut 50 Minuten noch hängenbleiben. Children of the Comet fand ich gerade als Einstieg in diese Art des Erzählens jedenfalls angenehm clever, während das unscheinbare Lift Us Where Suffering Cannot Reach sowohl emotional als auch mit Bezug auf ein größeres Thema Eindruck hinterlassen hat.

Selbstverständlich geht es auch um Action und Abenteuer. Das alles wird aber in einem Tempo erzählt, von dem man sich nicht überrollt fühlt.

Und mit welcher Gelassenheit das geschieht! Anstatt die Kamera wie von einer Hornisse gestochen durch den Raum zu prügeln, darf sie hier in Ruhe beobachten. Menschen und Nichtmenschen reden ganz altmodisch miteinander, anstatt zu eskalieren oder pathetische Reden zu schwingen – was den wohltuenden Effekt hat, dass es, wenn es doch mal passiert, auch eine Wirkung hat. Es gibt einen Moment in der vorletzten Folge, als Pike seine sonst gut aufgelegte Steuerfrau sehr harsch in ihre Schranken weist. Da habe ich kurz die Zähne zusammengebissen.

Dabei ist Strange New Worlds nun wirklich keine intellektuelle Schnarchnase, sondern ein flottes, farbenfrohes Abenteuer, das mit prachtvollen Aufnahmen der Enterprise sowie beeindruckenden Panoramen protzt. Vom grandiosen Bühnenbild ganz zu schweigen! Knallrote Türen in cremefarbenen Wänden, breite Leuchtkörper und die durch das weite Breitbild geschwungenen Träger der großen Quartiere und Besprechungszimmer: Für mich ist Strange New Worlds das schönste Star Trek, das es je gegeben hat.

Die plakative Naivität der 60-er passt hervorragend zu den schlichten Formen der heutigen Zeit und ist damit sogar mit dem Designkonzept der Next-Generation-Ära verwandt – das muss so erst mal hinbekommen.

Wenn die souveräne Regie dann sogar im Weltraumkampf ihre Stärken ausspielt, weil sie auch dort auf hektische Schnitte verzichtet und stattdessen in längeren Einstellungen sowohl die Enterprise als auch ihren Gegner im Blick behält… traumhaft! Dadurch wirkt das Flaggschiff angenehm schwer und man erhält einen guten Eindruck davon, wie so ein Gefecht in der Weite des Raums eigentlich abläuft.

Aber wisst ihr, was oft erst das Beste ist? Der charmante Witz, mit dem die Charaktere aufeinander reagieren. Manchmal reicht schon Pikes fragender Blick, wenn besagte Erica Ortegas am Steuer seinen Befehl als „Flug in eine riesige Gaswolke des Todes“ bestätigt. Oder sein überraschtes, beinahe auslachendes Grinsen, als er nach dem Beschuss eines völlig harmlosen Gegners fragt, ob die Enterprise zu Schaden gekommen ist.

Schön auch, wie ihn seine Nummer Eins ebenso leise wie dringend anfleht, bitte damit aufzuhören einen Piraten nachzuahmen. All das erinnert ebenfalls an die Zeiten, in denen Kirk, Pille und Spock das Weltall (un)sicher machten.

Ein relativ großes Thema ist Spocks Beziehung zu T'Pring - sowie romantische Aspekte, die schon in den 60-er Jahren eine Rolle spielten.

Überhaupt finde ich Anson Mount in der Rolle von Christopfer Pike überragend. Tatsächlich schafft er sogar etwas, das ich lange nicht für möglich gehalten habe: Er reiht sich direkt neben Patrick Stewarts Jean-Luc Picard ein. Indem er Kirks verschmitzte Abenteuerlust mit Picards kühlem Kopf vereint, führt er mit sanfter Autorität und was ganz wichtig ist: Er schenkt seinen Offizieren so aufmerksam Gehör, dass deren Ideen und Lösungsvorschläge stärker im Mittelpunkt stehen als auf anderen Brücken.

Dass kommt natürlich nicht von ungefähr. Immerhin übernahm Pike schon in der zweiten Discovery-Staffel das Kommando, während seine Figur aus dramaturgischen Gründen der ihm unterstellten Michael Burnham untergeordnet werden musste. Und obwohl er in Strange New Worlds jetzt im Mittelpunkt steht, nimmt er den Input seiner Besatzung eben weiterhin auf die gleiche Art ernst.

Wenn ihr mich fragt, reiht sich Mounts Christopher Pike, hier mit seiner Nummer Eins Una Chin-Riley, direkt neben Stewarts Jean-Luc Picard ein.

Was ihm schon deshalb nicht allzu schwer fallen dürfte, da die Enterprise mit einer erstklassigen Mannschaft besetzt ist. Immerhin tun da höchst illustre Offiziere ihren Dienst, darunter eine gewisse Nyota Uhura, ihr Kollege Spock sowie Pikes erster Offizier Una Chin-Riley und Stationsschwester Christine Chapel, die witzigerweise beide damals von Majel Barrett-Roddenberry gespielt wurden.

Ihnen allen könnte ich mehrere Kapitel widmen, da ich sämtliche Rollen hervorragend besetzt finde, doch das würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen. Alleine wie Sicherheitsoffizier La'an Noonien-Singh ihre Vergangenheit aufarbeitet und dabei ausgerechnet den durch eine höchst amüsante Szene berühmt gewordenen Gorn einen Schrecken verleiht, den es in Star Trek seit der Einführung der Borg nicht mehr gegeben hat, ist bemerkenswert.

Ab jetzt werde ich übrigens einige entscheidende Entwicklungen beim Namen nennen. Wer spoilerfrei durch den Text kommen möchte, kann deshalb mit diesem Link direkt darüber hinweg zur abschließenden, spoilerneutralen Zone springen.

Schiffsarzt Joseph M'Benga hat ein Geheimnis auf der Enterprise versteckt.

Spoilerzone

Die Darstellung der Gorn funktioniert unter anderem deshalb, weil sie in der vierten Folge verheerenden Schaden anrichten. Nur mit einer List kann ihnen die Crew der Enterprise dort entkommen. Von einem echten Sieg ist sie weit entfernt.

Zugegeben: Wenn die Gorn später in All Those Who Wonder so dargestellt werden, als hätte Paramount eine Fortsetzung zu Alien 3 gedreht, war ich davon weitaus weniger begeistert. Spätestens die Aufnahmen aus ihrer Sicht wirkten wie seltsame Fremdkörper. Vom Herausbeißen aus dem Wirtskörper fang ich gar nicht erst an.

Überhaupt muss ich sagen, dass trotz vieler starker Szenen auch in Strange New Worlds nicht alles gelungen ist. Dass Schiffsarzt M’Benga zum Beispiel seine Tochter im Speicher des Transporters sichert, damit er genug Zeit hat ein Gegenmittel für ihre schnell fortschreitende Krankheit zu entwickeln, halte ich, gelinde formuliert, für moralisch höchst bedenklich – was in Ordnung wäre, wenn die Serie das thematisieren würde! Doch es spielt nicht die geringste Rolle. Stattdessen wird dieser Handlungsfaden schon in dieser Staffel und in einer so seltsamen Auflösung an sein Ende geführt, dass mich das auch emotional nicht erreichen konnte.

Leider wird die Moral um das Speichern eines Menschen in der Datenbank des Transporters nicht hinterfragt und die Geschichte um M'Bengas Tochter zudem auf etwas plakative Art aufgelöst.

Abgesehen davon könnte sich die Serie gerne ein kleines Stück weniger darüber bewusst sein, dass sie mit vertrauten Charakteren und Motiven spielt. Ein „It’s dead, Chris“ ist super. Aber das sentimentale gegenseitige „Liebesbekenntnis“ zwischen Pike gegenüber Spock am Ende der letzten Episode hat für mein Empfinden dort noch nichts verloren, weil Spock seine menschliche Seite zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weit genug ergründet hat – der Zirkus, den Discovery um ihn herum veranstaltet hat, mal bewusst außen vor gelassen.

Es ist klasse, dass Strange New Worlds die bekannten Figuren nicht einfach verwendet, weil sie eben da sind, sondern ihre Entwicklung zwischen der einstigen Pilotfolge The Cage und der darauf folgenden Serie mit der endgültigen Crew um Captain Kirk zeigt. Warum musste Pikes Nummer Eins etwa ihren Posten als erster Offizier aufgeben? Und wie hat es Uhura (vortrefflich verkörpert von Celia Rose Gooding) ans Pult des Kommunikationsoffiziers geschafft?

Strange New Worlds erzählt unter anderem davon, wie sich die Crew zwischen The Cage und Where No Man Has Gone Before entwickelt hat.

Ich hätte nur darauf verzichten können, dass die (ebenfalls hervorragend gespielte) Sicherheitschefin La'an Noonien-Singh mit einem alten Bösewicht verwandt ist. Und auch der gute James Tiberius hätte nicht in der ersten Staffel gleich auftauchen müssen. Er wird zwar um Welten besser eingebunden als Lukes albernes Herumstehen in Disneys Mandalorian; A Quality of Merci ist ein guter Abschluss mit dem Hadern, das Pike nach seinem Blick in die Zukunft belastet. Seinen Nachfolger hat es dafür allerdings nicht gebraucht.

Sei’s drum. Zum überwiegenden Teil bin ich sehr glücklich über die Drehbücher und darüber, wie sie verfilmt werden. Schon die Auflösung der ersten Folge, in der Pike einen drohenden Krieg auf rein diplomatischem Weg abwendet, empfand ich nach den gehetzten Konflikten der letzten Jahre als geradezu befreiend. Dieses positive Zutrauen in eine nicht nur technologisch, sondern vor allem geistig fortschrittliche Zukunft war ungemein wohltuend. Auch Ghosts of Illyria sowie spätere Episoden atmen diesen Geist der friedlichen Verständigung.

Eine zweite Staffel ist übrigens schon in Arbeit, wird aber erneut nur zehn Episoden lang sein.

Spoilerneutrale Zone

Nein, nicht alles ist brillant. Und dass Magie, Verzeihung: Technobabble als Ersatz für eine glaubwürdige Zukunftsvision dient, gehört bei Star Trek nun mal ins Programm. Entscheidend ist aber, dass es unheimlich großen Spaß macht Pike und seiner Besatzung dabei zuzusehen, mit welcher Ruhe sie den Weltraum erkunden. Wie der verspielte Humor die naive Abenteuerlust widerspiegelt, mit der Strange New Worlds auf vertraute Art neue Zivilisationen entdeckt und mit kniffligen Dilemmas konfrontiert wird.

Emotional hatte ich mit Transportern, Vulkaniern, Anomalien und Androiden längst abgeschlossen. Doch dann kam Strange New Worlds und ist genau das, was die jüngeren Vorgänger im Dienste der Modernisierung nicht sein durften: Star Trek. Immer, wenn die Enterprise am Ende des neuen Vorspanns zwischen diesen drei Planeten hindurch fliegt und die übrigens durchgehend feine Musik das vertraute Thema in die Stille des Alls „pfeift“, habe ich deshalb das Gefühl, endlich wieder Zuhause zu sein.

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