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Alt+F40: Hey gamescom, ist das ein Award oder kann das weg?

KW 34/21: Heute macht sich Alex Gedanken über den Sinn oder Unsinn der gamescom Awards wie sie verliehen werden - und kürt gleich seine persönlichen Sieger

Hallo zusammen. Der erste Frisörbesuch mit seinem Spross ist immer ein Ereignis, dem man mit ein wenig Knieschlottern entgegensieht. Ich weiß das, weil ich eine solche Schnittpremiere jetzt schon zum zweiten Mal mitmache. Auch gestern stellte sich also die übliche Reihe an Fragen: Geht das gut? Wie lange kann man von einem nicht ganz Eineinhalbjährigen erwarten, stillzusitzen? Wo werde ich in den nächsten Tagen überall Haare des Kleinen finden (an ein Cape ist in der Regel nicht zu denken)? Reichen die Snacks als Bestechung? Wie wichtig sind Ohrläppchen wirklich und welche Sorte Trauma wird der Chihuahua der Frisörin diesmal davontragen? Solche Sachen eben.

Am Ende lief es dann doch ganz in Ordnung - sogar für den Hund - und der Kleine kann vorne wieder aus seinem Gesicht herausschauen. Auf meinem Schoß, lose mit einem Handtuch vor juckenden Haarresten geschützt und mit offenem Youtube auf dem Handy ließ sich sogar sein Blick steuern, als wäre es wieder 1996 und vom Mario-64-Startbildschirm schaut die Klempnervisage wie hypnotisiert meinem Cursor hinterher. Und jetzt habe ich vergessen, worauf ich nochmal hinauswollte. Denn - OH MEIN GOTT - während ich diese Zeilen schreibe, fällt mir das erste Mal auf, dass mein Sohn als Vornamen eine gängige Koseform von "Mario" trägt. Was ich meiner Frau, die den Namen eigentlich ausgesucht hat und mit Videospielen nichts am Hut hat, nach Feierabend natürlich als von langer Hand geplant auftischen werde. Mal schauen, wie das ankommt.

Wie doch diese Kolumne mein Leben bereichert...

Inhalt


Warum Halo: Infinite besser ist als Elden Ring (die "Danke, gamescom!"-Edition)

Puh, ich habe großes Mitgefühl mit allen, die sich ein Bein ausgerissen haben, um die gamescom auch im zweiten Seuchenjahr noch zu halbwegs so etwas wie einem Event zu machen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich lebe moralisch durchaus auch von der Existenz solcher Veranstaltungen, die in den traditionell eher langsameren Sommermonaten wieder ein wenig Vorfreude auf das schüren, was uns in Bälde erwartet. Ich mag das Messegewese einfach (nicht, wenn ich erstmal da bin, aber vorher und anschließend). Aber meine Güte, können die gamescom Awards so langsam mal weg, wenn wir so gar kein Interesse am Inhaltlichen haben?

Herzlichen Glückwunsch, Halo Infinite ...

Als jemand, der in seinem Leben die eine oder andere Bestenliste selbst geschrieben hat, kenne ich das Problem der Plattformvergleichbarkeit. Aber nach der Logik der diesjährigen gamescom sind Halo Infinite und Syberia: The World Before besser als Elden Ring. Denn Halo sticht den Souls-Nachfolger auf der Xbox aus und Syberia gelingt das am PC, wo Halo: Infinite lustigerweise nicht einmal nominiert ist, also hat eigentlich das Adventure die gamescom gewonnen! Elden Ring ist nur das "beste PlayStation Spiel 2021" (Release 2022, keinerlei Sony-Exklusivtitel auch nur nominiert). Hier geht es nicht darum, Elden Ring in Schutz zu nehmen. Ich habe kein Pferd in diesem Rennen. Mir geht es allein um die Logik dieses Mechanismus'.

Denn wenn man zu Nintendo rüberschaut, wo statt der sonst üblichen drei Titel nur zwei - beide von Ubisoft - nominiert waren, ist endgültig klar, dass der Modus, nach dem die Gewinner gekürt werden, mit Qualität nichts zu tun hat. "Celebrate the games" ist das so universell erscheinende Motto der gamescom, die Awards sollten das widerspiegeln und sich ein Verfahren überlegen, das die Spielelandschaft umfassender widerspiegelt. "Hey Alex, ist doch egal", höre ich da einen denken. "Ist es nicht", denke ich zurück! Diese Preise könnten so viel mehr sein!

... ach nee, Syberia macht das Rennen!

Die Awards dieses Jahr - zumindest die bis hierhin bekanntgegebenen aus der Opening Night Live - waren so schal und geistlos, dass man die Preisverleihung auch gleich abschaffen könnte. Es entkräftet komplett den Gedanken, dass es sich hier um eine Ehrung herausragender Leistungen handelt. So wird der Preis letzten Endes für diejenigen, auf die es ankommt - die Spieleschaffenden - bedeutungslos. Eine leere Geste von einer Trophäe, die irgendwann im Keller Staub sammelt und in dreißig Jahren bei der Resteversteigerung einer Büroauflösung nicht weiter auffällt, keine Geschichte in die Zukunft trägt. Dieser Award sollte - müsste - das komplette Gegenteil sein: bedeutsam, die Errungenschaft einer Karriere, eine Krönung vieler Laufbahnen sogar. Das Mittelstück des Wohnzimmerregals, wenn es der hochnäsige Creative Director endlich mal rausrückt.

Hey, gamescom! Wäre das nicht der Wahnsinn?


Weitere Notizen - KW 34/21

Text(e) in Arbeit: Ein bisschen Hardware - eine interessante Lexip-Maus und die neuen Hammerhead-Stöpsel von Razer kommen von mir genauso wie das Resultat einer langen Anspielsitzung mit einem kommenden Blockbuster. Und auch Aliens: Fire Team Elite werde ich mir nächste Woche anschauen.


Musiktipp der Woche: Deafheaven - Shellstar Die moderne Black-Metal-Kapelle hat gerade ein softes Album voller verträumter Soundscapes hingelegt, das die Fangemeinde spalten dürfte. Mein Urteil steht noch aus, aber das Popperschwein in mir suhlt sich im ersten Track auf Infinite Granite schon mal ziemlich ordentlich. Ich bin nicht sicher, ob ich den Gesang komplett überzeugend finde, aber die Harmonien und das Arrangement gefallen mir ausgezeichnet. Ein Song wie eine Teenager-Romanze in der letzten Woche der Sommerferien. Und ja, ich meine das positiv. (Martin: Hätte man nicht besser sagen können, Album wurde direkt bestellt, großes Audio-Kino.)

Cover image for YouTube videoShellstar

Höhepunkt der Woche: Dann wollen wir doch mal zu den echten Highlights der gamescom kommen, nicht? Ich habe keinen Zweifel an der erhabenen Qualität eines Elden Ring und auch Halo wird sich im vergangenen Jahr ordentlich gesund geschüttelt haben. Aber mir persönlich sind vor allem drei Neuankündigungen im Gedächtnis geblieben: Marvel's Midnight Suns kommt von einem meiner persönlichen Superhelden, nämlich Firaxis' Jake Solomon, der XCOM so legendär gut neu auflegte, dass ich nicht mal mehr sicher bin, ob ich das Remake oder das Original bevorzuge. Wenn der was mit Marvel macht, bin ich dabei, ohne großartig Fragen zu stellen.

DokeV war ein Zuckerschock sondergleichen und erinnerte mich an legendär gut aussehende "Next-Gen"-Games, von denen ich als Jugendlicher in Spielemagazinen las und sie abfeierte, ohne eine echte Vorstellung davon zu haben, was man eigentlich macht. Vielleicht ist es besser, wenn es so bleibt? Für Midnight Fight Express soll unterdessen nur ein einziger Entwickler - Jacob Dwzinel - verantwortlich sein, was ein Stück weit unfassbar klingt. Hotline Miami messert mit Streets of Rage in der Iso-Perspektive um die Wette. Der Stil besticht, die Gewalt hat eine Wick-sche Coolness und vor allem die Qualität der Animationen, dieses Mordsspektakels, ist ziemlich beeindruckend. Das sind schon wahnsinnig coole Moves.

Was waren eure Highlights, ernst gemeinte Frage.


Einmal wieder 14 sein...

Mittelpunkt (?!) der Woche: Bittersüß war diese Woche die Erkenntnis, dass mit GigaBash ein Kaiju-Prügelspiel für vier Spieler und Spielerinnen ansteht. Noch dazu eines, in dem man standesgemäß komplette Städte zerlegt und Wolkenkratzer auf das Schlachtfeld stürzen. Das Design ist niedlich, die Technik alles andere als schlecht und spielerisch bekam ich kurze Power-Stone-Vibes. Wo zur Hölle ist dieses Spiel gewesen, als ich 14 war!? Und warum bin ich mir sicher, dass ich in meinem Alter - "14" umdrehen reicht nicht mal mehr - nach 15 Minuten keine Lust darauf haben werde? Die Zeit ist ein mieser Drecksack!


Tiefpunkt der Woche: Ein neues Event hat Einzug gehalten in Hunt: Showdown und ich hab' keine Zeit, da mitzumachen. Tatsächlich bin ich gerade total raus, kenne die neue Karte nicht ansatzweise so gut, wie ich gerne würde und fürchte, dass ich so einfach nicht wieder reinfinden werde, in meinen Lieblings-Shooter der letzten drei Jahre. Und wir dachten, wir hätten mit Samsungs The Frame 2020 ein Fernseher-Schnäppchen für die Wohnzimmerwand gemacht, nur um festzustellen, dass das 2021er-Modell mal eben halb so dick und deshalb doppelt so schön ist. Das hat gestern durchaus für nicht komplett erfreuliche Diskussionen gesorgt, ob nun meine Frau oder ich beim Bestellen Mist gebaut hat. Was? "Das sind keine Probleme"? Stimmt. Ich habe trotzdem nicht vor, jede Woche meinen Schmerz darüber hinauszuschreien, dass die Welt kollektiv lebensmüde auf dem Abgrund rumkippelt und freue mich, wenn ich mal über Triviales meckern kann.

Experimentiere mit einem Blumenregal und hoffe, sie bekommt noch genug Licht.
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Über den Autor
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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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