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Der Herr der Ringe: Gollum im Test - Die Jagd nach dem Ring beschert mächtig viel Frust

Flieht, ihr Narren!

Wir wollen es nicht, wir brauchen es nicht, wir müssen es nicht haben. Der Herr der Ringe: Gollum ist leider nicht der Schatz geworden, den ich mir erhofft hatte und schafft nur selten, mich in seinen Bann zu ziehen. Teilweise dramatische Bugs und Performance-Probleme gibt es dafür zuhauf.

Gollum ist einer der interessantesten Charaktere in Der Herr der Ringe. Er ist vollkommen dem mächtigen Ring unterworfen. Körperlich und seelisch verkümmert, ist sein einziges Ziel im Leben, den einen Ring in seinen knochigen, dreckigen Händen zu halten. So auch in Der Herr der Ringe: Gollum. Das Spiel befasst sich mit der Geschichte des Hobbits Sméagol und zeigt seine Gefangenschaft bei den Orks in Mordor und seinen Aufenthalt bei den Elfen. Der eine Ring liegt derzeit noch bei Bilbo Beutlin. Wir befinden uns also zwischen den Geschehnissen der Hobbit-Trilogie und dem ersten Teil von Der Herr der Ringe.

Dabei fokussiert sich der Titel aber weniger darauf, euch eine komplexe Story zu liefern, sondern bietet maximal mittelmäßiges Gameplay und eine gruselige Performance. Abwechslung, Spannung und ein rundes Spielerlebnis sucht ihr in diesem Spiel so verzweifelt, wie Gollum seinen Schatz. Obwohl ich mich eigentlich auf die Reise des verdorbenen, hinterlistigen Hobbits gefreut hatte, kann ich Der Herr der Ringe: Gollum nach einer frustrierenden Reise durch die Verliese von Mittelerde nur einen einzigen Anstandsstern geben.

Nicht nur für Gollum eine Qual

Als Protagonist hätte Gollum wirklich grandios sein können. In ihm herrscht ein innerer Konflikt zwischen Sméagol und seinem Alter Ego Gollum und insgesamt ist er eine zutiefst missverstandene Kreatur. Während der Geschichte im Spiel können wir diese Konflikte hautnah erfahren, wenn wir eine Entscheidung treffen. Diese wird in einem lieblos gestalteten Fenster mit weißer Standardschrift zwischen den beiden Persönlichkeiten diskutiert und ihr müsst durch die sehr offensichtlich zielführenden Argumente die jeweils andere von eurer Wahl überzeugen.

Es ist quasi unmöglich das Argument gegen Gollum zu verlieren, außer ihr versucht es mit voller Absicht.

Eure Entscheidung beeinflusst Dialoge oder kann zum Tod eines NPCs führen - niemals aber fühlen sich die Konsequenzen irgendwie wichtig an. Generell wirkt der Verlauf des Spiels sehr linear dafür, dass hier der Hobbit mit den zwei Gesichtern in der Hauptrolle steckt. Trotz der verpassten Chance, hier eine Gameplay-Mechanik einzubauen, die der Komplexität seiner Persönlichkeitsstörung gewachsen ist, hat es Daedalic geschafft, dass ich als Spieler wirklich Mitleid mit dem kahlen kleinen Racker bekomme. Denn nicht selten wird er verbal oder körperlich misshandelt. Die recht gelungene deutsche Synchronfassung trägt zu diesen Gefühlen der Sympathie und des Mitgefühls bei.

Als Gollum dem Käfer zusieht, hat er nur noch wenig von der zwielichtigen Figur und wirkt, wie ein kleines, unschuldiges Kind. Sen Aussehen ist im Spiel auch weit weniger abschreckend als in den Filmen.

Doch das Mitleid verfliegt auch schnell wieder, wenn sich der Frust über die fummelige Steuerung, die vielen uninspirierten Stealth-Passagen oder die repetitiven Kletterparkours einschleicht.

Das Gameplay ist bestenfalls 08/15

Im Wesentlichen besteht Gollums Leben in den Fängen Saurons nur aus für die Geschichte belanglosen Sammelaufgaben, bei denen er sein Geschick im Klettern beweisen muss und Sequenzen, bei denen er herumschleicht, um wichtige Informationen herauszufinden. Gollum sucht ja nach wie vor nach seinem geliebten Goldring. Oft werden beide Elemente in den Passagen vermischt und zwischendurch wird diese Formel durch ein kleines Minispiel oder eine von wenigen neuen Mechaniken aufgelockert.

Hier seht ihr etwa die halbe Auswahl an Kletterelementen. So richtig spannend wird es nie.

Fast jede Sekunde Gameplay wirkte dabei lieblos, minimalistisch und nicht genug durchdacht. Beim Klettern wiederholen sich immer dieselben fünf Elemente, wobei sie je nach Gebiet ein wenig anders aussehen. Es gibt normale Sprünge, einen Wallrun, einen Rückwärtssprung, Kletterwände und Sprünge von einer Stange aus. Nichts Besonderes oder besonders Spaßiges, vor allem nicht mit der Steuerung, die Gollum uns hier bietet. Die Sprünge sind schwer einzuschätzen, oft bin ich zu weit gesprungen und gestorben. Oft auch nur nach oben, obwohl ich zur Seite springen wollte. Die meisten der Klettermechaniken fühlen sich unsauber und unbefriedigend an.

Gollum hängt hier, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Langsam und schleppend hangelt ihr euch zum anderen Ende hinüber, nur um das Ganze danach noch einmal zu wiederholen.

Beim Schleichen gibt es sogar weit weniger Möglichkeiten. Hier seid ihr in den Schatten, einigen festgelegten hervorgehobenen Bereichen unter Tischen oder hinten großen Gegenständen, für die Wachen und Bösewichte unsichtbar und krabbelt so durch die Level. Die Wachen sind nicht die Hellsten und vergessen euch schnell wieder, wenn sie kurz auf euch aufmerksam geworden sind. An den Orks oder Elben könnt ihr aber auch vorbeiklettern, um ein "Game Over" zu umgehen, denn sobald ihr euch über ihnen befindet, kommen diese nicht mehr an euch heran. Werdet ihr entdeckt, sterbt ihr direkt und habt keine Chance euch in tückischer Gollum-Manier aus der Situation herauszuwinden. Die Spawn-Punkte wirken dafür meist ganz fair, hin und wieder tanzt aber mal einer aus der Reihe und lässt euch eine langatmige Kletterarie vollständig wiederholen. Nicht selten stürzt man dabei durch die verkorkste Steuerung in den Tod - ein Ende, das Gollum wohl nicht nur in den Filmen verfolgt.

Selbst hier passiert euch absolut nicht, wenn ihr einfach hocken bleibt und euch nicht aus den Schatten bewegt. Und schaut mal, wie seltsam Gollum im Dunkel der Schatten aussieht.

Die hässlichen Orkse ohne Helm könnt ihr außerdem von hinten erdrosseln. Das dauert aber sehr lange und führt oft dazu, dass ihr doch noch entdeckt werdet. Nicht lange hält dafür die Ausdauer von Gollum. Rennen könnt ihr deshalb nur für wenige Sekunden und müsst danach deutlich länger warten, bis ihr wieder lossprinten könnt. Wieso? Klar ist der ausgehungerte Gollum sicher keine Sportskanone, aber die Laufwege sind nicht immer kurz und so krabbeln wir oft unnötig lange von A nach B. Um Gegner abzulenken, könnt ihr einen Stein werfen. Das war es auch schon. Wo ich bei anderen Spielen viele Optionen auslassen muss, um den Test nicht komplett zu überfluten, sitzen wir ab hier bereits auf dem Trockenen. Mehr gibt es nicht, wenn man die vereinzelten und nicht besonders kreativen Minispiele, die wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken, mal außen vor lassen. Sehr, sehr mager für ein Spiel mit über einem Dutzend Stunden Laufzeit.

Und optisch? Ein Fall für den Schicksalsberg!

Den letzten Stoß in die glühende Lava gibt sich das Spiel durch seine schlechte Performance. Bei mir auf dem PC äußerte sich diese in Problemen bei der Darstellung der Haare, einigen Bugs und vielen Stotterern, die ich sogar in den ohnehin schon sehr körnig aussehenden Zwischensequenzen ertragen musste. Am schlimmsten war bei mir ein Fehler, der die Quest-Markierungen entfernte und mich am Abschluss einer Hauptquest hinderte. Als ich versuchte jeden Kletter- und Schleichweg abzusuchen, um den Weg ohne den sonst eigentlich brauchbaren Questmarker zu finden, stolperte ich in einen früheren Raum. Was ich dort sah, ließ mich gleichzeitig lachen und weinen.

Ich präsentiere Gollums Haare. Hin und wieder schafft es das Spiel nicht, Licht auf den wenigen Strähnen Gollums zu zeigen und dann kommt diese interessante Frisur dabei heraus.

Eigentlich führte ein geschlossener Tunnel zu diesem Raum. Jetzt war der Durchgang verschwunden und ich musste vom einen zum anderen Loch springen, was ich auch tat. Dahinter war bis auf die verzierten Wände im Raum alles verschwunden. Die Stangen des Geländers und auch eine riesige Karte, die in der Mitte des Raumes eingezäunt gestanden hatte. Dort klaffte nun ein Loch. Als ich spaßeshalber auf diese lief, krabbelte ich kurz in der Luft darüber und starb dann plötzlich. Durch den Neustart des Kapitels konnte ich dann aber ganz normal fortfahren und auch der Raum bekam sein Interieur zurück.

Leider habe ich es nicht geschafft ein Bild vom ominösen Loch zu machen, ich war einfach zu neugierig, aber die fehlenden Geländerstreben konnte ich noch festhalten.

Wie auch andere Berichte deutlich machen, kommt es auf PC und Konsolen auch zu vielen, vielen Abstürzen und einer Reihe an Game-breaking Bugs. Vor allem Konsolen scheinen davon betroffen. Auf dem PC ist es die Performance. Nur wer die beste Hardware hat, bekommt das relativ häßliche Spiel zumindest flüssig zu laufen. Warum d as so ist, bleibt weitestgehend unklar: Bis auf ein paar hübsche gestaltete Orte, gibt es auch hier kaum ein gutes Wort zu verlieren. Geweint haben wir, mein Schatz. Geweint, weil alle NPCs laufen, als hätten sie keine Kniegelenke. Geweint, weil außer Gollum niemand einen Schlagschatten besitzt - nicht mal auf hohen Grafikeinstellungen. Geweint, weil Gollums Animationen und Mimik unausgereift und steif wirken. Geweint, weil die NPCs in Gollum stecken bleiben, wenn er genau in ihrem Laufweg steht.

Hier seht ihr, was ich mit dem fehlenden Schlagschatten und den rostigen Knien meine. Der NPC bewegt sich fast wie ein steifer Roboter und wirkt ohne den Schlagschatten optisch nicht gut in die Spielwelt integriert.

Schwierigkeitsgrade gibt es auch keine, dafür Lieblosigkeit aller Orten. Zeitsprünge, die einfach durch eine Einblendung geschehen, die vielen unzusammenhängenden Aufgaben sowie das Fehlen von bedeutsamer Lore aus dem beliebten Universum geben dem Spiel nicht mal für harte Herr-der-Ringe-Fans einen Strohhalm, an den sie sich klammern könnten.

Tadaaaa! Ein paar bekannte Gesichter in Der Herr der Ringe Gollum. Aber seht ihr, dass es körnig aussieht? Wie alle anderen Bilder ist es auf hohen Grafikeinstellungen entstanden, das muss also beabsichtigt worden sein. Wieso auch immer.

Testfazit zu Der Herr der Ringe: Gollum

Ich mache es kurz und schmerzlos. Selbst wenn es mal läuft und keine Bugs welcher Art auch immer noch mehr Knüppel zwischen die Beine werfen, Der Herr der Ringe: Gollum ist einfach kein gutes Spiel. Das tut mir im Herzen weh, denn die Idee für das Spiel war wirklich interessant. Leider machte mir Gollum nur in wenigen Momenten Spaß, vielmehr musste ich mich durch die immer gleichen Level quälen, Bugs ertragen, mich bei der unsauberen Steuerung wirklich in Geduld üben und habe als Belohnung nicht einmal eine spannende Geschichte erhalten. Für diese von Frust und Enttäuschung geprägte Erfahrung sollen es dann auch noch mindestens 50 Euro sein. Das ist im aktuellen Zustand des Spiels absolut nicht gerechtfertigt. Investiert die 20 Stunden lieber in einen Herr-der-Ringe-Marathon, legt eure haarigen Füße hoch und freut euch beim zweiten Frühstück darüber, dass ihr euer Geld nicht in der brodelnden Lava versenkt habt.

Der Herr der Ringe: Gollum
PROCONTRA
  • Gollum aus einer neuen Perspektive
  • Kleine(!) Einblicke in die Geschehnisse zwischen Hobbit und LotR
  • Gute deutsche Synchro
  • Ein paar nett designte Szenerien
  • Schlechte Performance
  • Viele kleine und große Bugs
  • Frustrierende Steuerung
  • Repetitive Kletterpassagen
  • Zu einfach gehaltene Schleichsequenzen
  • Animationen absolut nicht zeitgemäß
  • Keine Schatten, für alle NPC-Charaktere
  • Entscheidungen haben zu wenig Auswirkungen
  • Man hat nie das Gefühl, etwas Bedeutsames zu tun

Ihr könnt Herr der Ringe: Gollum auf Steam, im Microsoft Store sowie im PlayStation Store kaufen.

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