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Moebius: Empire Rising - Test

Jane Jensens Comeback: Geschichte wiederholt sich, Qualität nicht immer.

Jane Jensen ist in der Vergangenheit steckengeblieben. Alte Helden in veralteter Kulisse lösen Rätsel von gestern.

History repeating... Wer nichts aus der Geschichte lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. So sagt es der Volksmund. Moebius: Empire Rising, das neue Adventure von Gabriel-Knight-Erfinderin Jane Jensen, ist anderer Meinung: Bestimmte Muster in der Raumzeit sorgen dafür, dass sich Geschichte zwangsweise wiederholt, ohne die Möglichkeit, dies zu verhindern.

Malachi Rector ist am einfachsten zu beschreiben als eine Mischung aus Sherlock Holmes und Gabriel Knight: hochintelligent, aber nicht willens oder in der Lage, menschliche Beziehungen einzugehen. Aus diesem Grund hat er sein vornehmliches Interesse auf antike, leblose Gegenstände verlagert. Als Kunsthändler schätzt er den Wert von Antiquitäten ein.

Ein eher ungewöhnlicher Auftrag führt ihn nach Venedig, wo er den Mord an einer jungen Frau untersuchen soll. Dabei findet er erstaunliche Parallelen zwischen deren Biografie und der einer Mätresse des römischen Kaisers Augustus heraus. Das Moebius-Band, jene in sich verschlungene Schleife, die ihr Inneres ins Äußere kehrt, dient im Spiel als Sinnbild für jene Art der Verschwörungstheorie: Die Geschichte ist dazu bestimmt, sich zu wiederholen, und ihre Protagonisten werden gewissermaßen wiedergeboren.

Offenbar hat eine Geheimorganisation im designierten US-Präsidenten die Reinkarnation des historischen Caesars ausgemacht und versucht nun auf der ganzen Welt, dessen Weggefährten ausfindig zu machen, um das Schicksal sich erfüllen zu lassen, Amerika in ein goldenes Zeitalter zu führen, wie es Augustus einst mit dem Römischen Reich gelang. Doch eine zweite Organisation möchte genau dies anscheinend verhindern - und geht dabei über Leichen. Ein Wettlauf gegen die Zeit, und rund um den Globus, von New York nach Kairo, Paris, Zürich und Qatar, beginnt.

Gabriel Knight und Grace Nakimura in ihrem Antiquariat... Nicht ganz, aber fast.

Das Moebius-Band, könnte auch sinnbildlich stehen für die Spiele von Jane Jensen, die auf unnachahmliche Weise Krimi-Plots mit clever erdachtem Mystery-Science-Unsinn verwebt und diesen mit in beeindruckender Fleißarbeit recherchierten historischen Fakten unterfüttert. Zusammengehalten wird dieses Muster von Rätseln, die nur selten dem typischen Point-n-Click-Hanebuch des „Bastle aus Paddel und Kaugummi einen Greifarm" entnommen und stattdessen meisterlich eng mit den Ereignissen der Story verknüpft sind. So zumindest die Theorie...

Vortrefflich zu sehen ist dies an einer Szene, die fast schon wie eine Parodie auf stereotype Adventure-Puzzles wirkt: Da blicken wir in einer Nahaufnahme auf das Gerümpel eines Schreibtischs, das dem Best-of eines gut gefüllten Inventarsäckchens entspricht: Klebeband, Stift, Notizbuch, Briefmarken etc. Reflexhaft ruft das Gehirn schon gelernte Lösungsmuster aus anderen Adventures ab, imaginiert es mögliche Einsatzorte für die Flut an neuen Gegenständen. Doch Pustekuchen: Keinen einzigen davon darf ich mitnehmen. Moebius funktioniert über weite Strecken ein wenig anders als gewohnt.

Vor allem sind es komplizierte Logikrätsel, mit denen Jane Jensen vom klassischen Adventure-Schema abweicht und dadurch ausgesprochen scharfsinnig den Fokus auf die Handlung und ihre Charaktere legt. Wie sein heimliches Vorbild Sherlock Holmes ist Malachi nämlich in der Lage, die Persönlichkeit seines Gegenübers, dessen Befindlichkeit und Vergangenheit anhand scheinbar unmerklicher Details zu deduzieren. Eine Frau, die allein zu Hause nur den teuersten Fummel trägt, deren Augenaufschlag von einem sichtlichen Hang zum Narzissmus zeugt und die mit teurem Schmuck über ihren niederen sozialen Status hinwegzutäuschen versucht? Hier hat jemand offenbar ein großes Aufmerksamkeitsbedürfnis, das sich womöglich mit ein paar Schmeicheleien und Geschenken zum Vorteil nutzen lässt.

Freund oder Feind? Malachis Menschenkenntnis bewertet winzigste Gesten und Hinweise.

Dergestalt klicken wir per Multiple-Choice ein aus Hinweisen und Intuition gewonnenes Charakterbild zusammen wie ein psychologisches Profil. Die an sich hochinteressante Spielidee wird jedoch schon bald zur quälenden Sisyphusarbeit, da das Auswählen der passenden Persönlichkeitsmerkmale nicht selten in reinem Ausprobieren endet. Weil das Spiel lediglich meldet, dass noch nicht alles korrekt ist, aber keinen Tipp gibt, was nicht stimmt oder in welche Richtung man denken sollte, war ich häufig nach zwei bis drei vergeblichen Versuchen nur noch ratlos damit beschäftigt, sämtliche Kombinationen durchzuklicken. Ärgerlich.

Ebenso ergeht es dem zentralen Rätselelement von Moebius: der Musteranalyse. Da Malachi nach Ähnlichkeiten zwischen lebenden Personen und historischen Persönlichkeiten fahndet, muss er in regelmäßigen Abschnitten im Faktencheck Charaktereigenschaften und biografische Eckdaten miteinander abgleichen, um herauszufinden, wer in dieser oder jener Figur wiedergeboren sein könnte.

Prinzipiell funktioniert das ein bisschen ähnlich wie der P.M. Logik-Trainer: Wir wissen zum Beispiel, dass die Person jung heiratete, zwei Kinder in die Welt setzte und einen einflussreichen Vater hatte. Nach dem Ausschlussverfahren eliminieren wir im Kreis der potenziellen Verdächtigen diejenigen, die nicht auf diese Daten passen, und wählen jene aus, die die meisten Übereinstimmungen vorweisen können.

Auch hier gilt: Im Grunde eine tolle Idee, die in einem schönen Nebeneffekt die Aufmerksamkeit des Spielers für die Geschichte schärft und gleichzeitig eine beeindruckend aufwendige historische Recherchearbeit vorausgeht. Allerdings versinkt diese Art logischer Detektivarbeit einmal mehr beim Fischen im Trüben. Schlussendlich genügt meist ein einfaches Durchzählen, um auf die Lösung zu kommen. Und falls das zur Abwechslung mal nicht reichen sollte, ist man schnell vollends aufgeschmissen - zumal man bei jedem Fehlversuch komplett von vorne beginnen darf und sich durch einiges an Text quälen muss.

Ahnenforschung: Malachi sucht in der Historie nach Parallelen zu lebenden Personen.

Einen weiteren Kardinalsfehler begeht Moebius bei seinen klassischen Point-n-Click-Rätseln: Dem realistischen Anspruch des Spiels geschuldet, steckt Malachi nicht einfach jeden x-beliebigen Gegenstand in seine Tasche, sondern erst dann, wenn er einen sinnvollen Nutzen dafür im Auge hat. Die Folge ist ein Frustmoment, der insbesondere den „Runaway"-Spielen bis heute vorgeworfen wird: Ständig muss man zu eigentlich bereits als unnütz abgehakten Gegenständen zurückkehren, die man bis dahin schon längst wieder vergessen hat.

Glücklicherweise sind diese Szenen in Moebius nicht ansatzweise so nervend wie in Runaway, und wenn man das Schema einmal verstanden hat, merkt man sich viel einfacher, wo noch Gegenstände geparkt sind, die irgendwann einmal zum Einsatz kommen könnten. Mehr paradox als wirklich störend wirkt dadurch allerdings, dass dieses Rätselmuster statt eines Realismuseffekts vielmehr höchst surreale Szenen zur Folge hat.

Ein Beispiel, das ich für so kurios erachte, dass ich es euch nicht vorenthalten will: Malachi reist nach Washington, um einer gewissen Dame Informationen zu entlocken - jene eingangs beschriebene mit dem Aufmerksamkeitsbedürfnis. Sie zeigt sich kooperativ, doch fehlt noch das schlagende Argument. Wir vermuten, dass wir sie mit etwas Alkohol und einem Geschenk redseliger machen dürften. Zum Glück wissen wir schon, wo sich beides finden lässt.

Also entschuldigen wir uns für einen Moment, wir müssten mal eben frische Luft schnappen, und bedeuten unseren Begleitern, sie sollten kurz hier warten, wir seien gleich zurück. Doch jetzt kommt's: Für die gesuchten Mitbringsel huschen wir nicht mal eben in den Supermarkt um die Ecke. Stattdessen fahren wir zurück zum Flughafen, fliegen den ganzen Weg nach New York und fahren mit der U-Bahn bis nach Hause, um dort ein Paar Ohrringe aufzusammeln und in der Bar gegenüber einen Whisky zu kaufen, bevor es wieder nach Washington geht, wo die Dame geduldig auf der Couch auf uns wartet. In der Regel halte ich wenig davon, Adventures vorzuwerfen, sie folgten ihrer eigenen Logik. Beispiele wie dieses zeigen aber, mit welch heißer Nadel Moebius mitunter gestrickt wurde. "Nachvollziehbar" sieht jedenfalls anders aus.

Moment, junge Dame, ich fliege mal eben nach New York, bin gleich wieder da.

Moebius: Empire Rising ist das erste größere Spiel von Jane Jensen seit Gray Matter und das erste seit Gabriel Knight 3, bei dem sie wieder die volle kreative Kontrolle ausüben durfte. Zur Seite stand ihr dabei das Team von Indie-Entwickler Phoenix Online, das mit der nicht-kommerziellen King's-Quest-Hommage The Silver Lining seine Liebe zu den Klassikern des Genres unter Beweis stellte und derzeit zusammen mit Jensen an einem Remake des ersten Gabriel Knight arbeitet. 435.000 Dollar holten sie sich für Moebius auf Kickstarter.

Offensichtlich bemüht waren die Macher daher auch zu liefern, was die Fans erwarteten. Die clever konstruierte Verschwörungsgeschichte trägt eindeutig die Handschrift Jensens, die Ähnlichkeiten zwischen den Hauptfiguren Malachi Rector und Gabriel Knight sind mehr als augenfällig. Selbst die Musik von Jensen-Gatte Robert Holmes scheint gelegentlich Passagen aus seiner originalen Gabriel-Knight-Partitur zu zitieren.

Doch gerade weil Moebius den direkten Vergleich ständig wie eine Laterne vor sich herträgt, lässt es das Gefälle zwischen dem Klassiker und seinem Nachahmer umso deutlicher hervorstechen. Denn unterm Strich erreicht die Geschichte nicht annähernd die Tiefe, wie man sie von Jensen gewohnt ist, gereichen die Charaktere ihr lediglich zu Stichwortgebern. Besonders auffällig wird dies bei Malachis Partner David, der dem Helden gewissermaßen als sein „Dr. Watson" zur Seite gestellt wird, aber dessen Persönlichkeit in etwa genauso steif daherkommt wie die Animationen des Spiels.

Die Animationen der Nebenfiguren sind ungefähr genauso steif wie ihre Persönlichkeit.

Sind die Hintergründe des Spiels noch ganz passabel gezeichnet, können die Charaktermodelle den Anschein des Amateurhaften dieser Low-Budget-Produktion leider nicht kaschieren. Hinzu kommt, dass die Engine offenbar Schwierigkeiten bei der Positionierung der Objekte im Raum hat, weshalb sie gelegentlich umherflattern wie ein Schwarm Motten. Auf diese Weise entsteht ein ausgesprochen zähes Spielgefühl, nicht nur durch die trägen Animationen, sondern auch durch mühsame Laufwege, eine bisweilen etwas zu umständliche Steuerung und vor allem die mehrere Sekunden langen Ladezeiten bei Ortswechseln. Letzteres macht sich vor allem im Finale bemerkbar, das in ein Labyrinth mündet, wie man es aus gutem Grund seit den seligen Tagen von Zak McKracken nur noch selten in Adventures erlebt hat. Wenn man sich nur noch wünscht, dass es endlich vorbei sein möge, hat ein Spiel irgendetwas verkehrt gemacht.

Moebius wirkt wie ein typisches Symptom des Kickstarter-Virus: Alte Helden, deren Stern längst untergegangen ist, dürfen sich noch ein letztes Mal im Glanze ihres Lichtes sonnen. Was dabei herauskommt, ist aber leider oft nur der Schatten ihres einstigen Selbst. Für ein Fan-Adventure, wie sie Phoenix Online bislang gemacht hat, wäre Moebius durchaus beachtenswert. Für 30 Euro kann ich es trotz der ordentlichen zehn Stunden Spieldauer und durchaus vorhandener Qualitäten nur eingefleischten Jensen-Fans wirklich empfehlen.

5 / 10

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Matthias Grimm

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„Die Zivilisation liegt hinter uns, Zach.“ - „Gelobt sei die Sonne!“ - „Sie will nur über Weißwurst reden.“ - „Wie passend, du kämpfst wie eine Kuh.“
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