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Nimm lieber einen Klassiker... oder auch nicht: Westwoods Lands of Lore

Die Trilogie, die keine ist.

(Keine Sorge, Bullfrog Teil 2 kommt noch, sobald mein Dungeon Keeper 2 nicht konstant abstürzt - hat wohl was mit Windows 8.1 zu tun. Hier also ein kleiner Lückenfüller bis dahin.)

Ach, die berühmte rosarote Brille der Nostalgie. Jeder von uns hat seine Spiele, die er für die besten überhaupt hält, die er verteidigt und bewirbt. Die Neigung dazu kommt ja auch nicht von ungefähr. Vor zehn oder zwanzig Jahren gehörten diese großen Namen zur Elite, zu Wegbereitern und wurden zu Legenden. Wir wollen ihnen das auch gar nicht nehmen. In dieser Artikelreihe versuchen wir lediglich, einen halbwegs ungetrübten Blick auf sie zu werfen und zu fragen, ob man heute noch jemandem, der diese Spiele nie zuvor sah, eine ehrliche Empfehlung aussprechen kann. Geht uns der Satz "Du, kauf dir nicht den Hit von vor zwei Jahren aus der Grabbelkiste für acht Euro, sondern schau dir lieber diesen Klassiker an, da hast du mehr von" auch Generationen später noch mit geradem Gesicht über die Lippen?


Westwoods Lands of Lore

Es dürfte eine der eigenwilligsten Serien sein, so unterschiedlich jeder Teil, dass ich es nicht mal als echte Trilogie bezeichnen würde. Westwood Studios, damals frisch vom Publisher SSI kommend und bei Virgin Interactive gelandet, hatte kurz zuvor mit Eye of the Beholder zwei große Rollenspielhits im Stile von Dungeon Master (oder heute Legend of Grimrock für die Jüngeren unter euch). Nur konsequent also, dass das 1993 nicht mehr ganz so junge - gegründet 1985 -, aber immer noch aufstrebende und erfolgreiche Studio erst mal da weiter machte, wo man gerade aufgehört hatte.


Lands of Lore: Throne of Chaos

Was es mal war: Keine Überraschung jedenfalls. Das erste Lands of Lore sieht aus, als wäre es das eigentliche Eye of the Beholder 3. Nur, dass es halt nicht AD&D als Szenario hat.

Kein Proto-Fantasy ohne Schmied (sag Hallo, Victor)...

Was noch geht: Erstaunlich viel, denn das Grundkonzept des schrittweisen Gehens und 90-Grad-Drehens in Verbindung mit Fantasy erwies sich zuletzt ja schon bei Grimrock und Might & Magic X als immer noch tragfähig. Die Steuerung der Bewegung ist dabei so dermaßen schlicht, dass sie praktisch unverwüstlich ist. Mit Maus oder Tasten kommt ihr gut voran. Das Spiel wurde in einigen Bereichen bewusst schlicht gehalten, was auch kritisch gesehen werden kann: Ihr wählt zum Start nur einen von vier fest definierten Charakteren aus und sammelt später NPCs ein. Das ist natürlich nicht die große Vorliebe von Party-RPG-Enthusiasten, aber man muss auch sagen, dass es so schnell zur Sache geht und ihr nach fünf Minuten im Spiel seid, ohne euch zuvor lange mit den Systemen beschäftigen zu müssen. Die Grafik ist das vielleicht Erstaunlichste. Ja, es ist die Standard-VGA-Auflösung mit 320 mal 200 Pixeln. Aber Art-Design, Farbwahl und Gestaltung sind so geschickt getroffen, dass es sogar immer noch ganz gut aussieht. Nicht modern natürlich, aber stilvoll. Viele der Zwischenbilder haben sich nicht ganz so top gehalten, wie sie es damals waren, aber im Großen und Ganzen kann man sich das noch ansehen und muss sich nicht entsetzt abwenden. Die Sprachausgabe war damals durchaus etwas Besonderes, denn 1993 war es noch nicht alltäglich, dass man sich Patrick Stewart für die Rolle des Königs holte. Zuletzt muss man sagen, dass die Handlung zwar "klassisch" gehalten wurde - Könige, Hexen, Elfen, Orks -, sich aber zumindest solide und mit ein paar kleinen Twists bis zum Ende ganz ordentlich hält. Viel mehr haben häufig auch heutige Vertreter der Gattung nicht zu bieten.

...oder ohne ein anständiges Inn...

Was keiner mehr will: Lands of Lore sollte im Gegensatz zu Eye of the Beholder bewusst glatt geschliffen sein. Was jedoch bei der generellen Benutzerführung, dem Kampf und dem Inventar des einzelnen Helden funktioniert, hört bei der Inventarleiste unten auf. Die paar Slots sind längst nicht alles, wie die Pfeile links und rechts andeuten, sondern es wird endlos in beide Richtungen gescrollt. Oder eben in eine, bis man wieder dort ist, wo man anfing. Nun, es mag humoristisch wertvoll sein, panisch nach dem letzten Heiltrank zu scrollen, während einen die Orks im Echtzeitkampf zerlegen, wirklich spaßig war es damals nicht, das hat sich auch nicht geändert. Und ja, trotz all der netten Gestaltung, man muss halt schon über die niedrige Auflösung generell erst mal hinwegkommen, was sicher nicht jedem gelingt. Ich empfehle kleine Notebook-Monitore, da wirkt das nicht so aufgeplustert. Die Außenwelt ist leider mehr ein Dungeon als eine offene Fläche und es fehlt jedes Gefühl für die Weite der Ländereien. Might & Magic 3 zwei Jahre zuvor ging da schon weiter, Throne of Chaos fühlt sich immer noch ein wenig klaus¬t¬ro¬pho¬bisch an.

...oder eine Menge Orks. Throne of Chaos mag es klassisch.

Unbedarfte Spielbarkeit 2014 jenseits des historischen Interesses: Ich war wirklich überrascht, wie gut sich das spielte, wie klar immer noch der Stil des Spiels erkennbar ist und wie rund sich selbst nach all der Zeit das noch alles anfühlt. Wer das Genre kennt und dieses Spiel verpasste, nur zu. Wer es erst zuletzt mit Grimrock und Co. kennenlernte, sollte sich zwar auf große Pixel gefasst machen, kann sonst aber recht unverzagt loslegen.


Lands of Lore: Guardians of Destiny (Götterdämmerung)

Von weitem sehen die digitalisierten Gegner ja noch gerade so ok aus.

Was es mal war: Das CD-ROM-Zeitalter war endgültig angekommen und Full Motion Video als großer Hingucker fest etabliert. So sehr, dass die 3 CDs auf denen Guardians of Destiny geliefert wurde, nichts Ungewöhnliches waren. Ansonsten wusste niemand so genau, was da als Fortsetzung auf die Spielewelt zukam. Es sollte zugänglicher, größer, schöner und überhaupt 3D mit Full Motion Video werden. Die eierlegende Genre-Wollmilchsau der späten 90er.

Was noch geht: Ihr spielt nun keine Gruppe mehr, sondern einen einzelnen Helden und das in frühem fließendem 3D. Die Auflösung lässt sich ein wenig hochziehen und so bleibt einem der ganz große Schock erspart, zumindest solange ihr nicht im Optionsmenü Mut beweist und mal guckt, wie die Mehrheit der Schmal-Prozessor-Besitzer das zu sehen bekam. Der einsame Held kann sich an bestimmten Stellen in einen niedlichen Minisaurier verwandeln, der durch enge Passagen passt oder in ein Drei-Meter-Monster, das richtig austeilt und Hindernisse beseitigt. Diese Wechselbalgidee ist immer ganz nett, sie wird nicht über die Maßen innovativ eingesetzt, aber bietet immer noch hier und da einen alternativen Lösungsweg, was nie verkehrt ist. Die Handlung schließlich ist nicht uninteressant und weicht oft genug von der ganz harten Proto-Fantasy des ersten Teils ab. Kein großer Roman, aber unterhaltsam genug.

Aus der Nähe sind die Kämpfe jedoch ein ganz eigenes Vergnügen. Liebhaber von ganz großen Pixeln werden begeistert sein.

Was keiner mehr will: Oh. Mein. Gott. Sieht das furchtbar aus. Wenn ich eben noch sagte, dass die etwas höhere Auflösung das Schlimmste verhindert, ist das sehr relativ gemeint. Das hier ist eine ganz frühe 3D-Engine ohne 3D-Objekte, sondern mit reinkopierten, skalierenden 2D-Riesenpixel-Wesen und -Objekten, die heute allesamt nur noch schrecklich aussehen. Die Videosequenzen bieten bemühte, aber nicht übertrieben talentierte Laiendarsteller - zu der Zeit, mit den damaligen Budgets nicht unüblich -, die sich einkopiert oder in sehr pixeligen Sequenzen durch das Skript fräsen. Das Kampfsystem ist ein billiges Draufhacken und Rumrudern. Vor allem Letzteres ist dank der viel zu schwammigen 3D-Bewegungen nötig, die euch oft genug an den Gegnern vorbeischießen lassen. Stellt euch Doom vor, nur dass ihr nicht schießen dürft, sondern nur zuschlagen, und direkt an den Feind ran müsst. Nur schlechter steuerbar und auf kurze Distanz noch pixeliger.

Der Ablauf des Spiels an sich ist eine fest definierte Folge von Dungeons und Oberwelten, die sich wie Dungeons anfühlen und in denen ihr fast schon Level-artig einfach plättet, was des Weges kommt. Guardians of Destiny ist ein sehr gradliniges Spiel, selbst nach den Maßstäben seiner Zeit. Die Inventar-Verwaltung, überhaupt jede Art von Verwaltung, sei es nun Magie, Zeugs oder alles andere, wirkt trotz der Beschränktheit auf nur sehr rudimentäre Werte und Klassenfreiheit des Helden - schließlich sollte das Spiel noch zugänglicher werden als der Throne of Chaos - konfus. Sofern man nicht die Tasten-Kürzel nutzt - dringend empfohlen - überlegt man auch noch lange in das Spiel hinein, welchen bunten Kristall man für welches Menü klicken muss und warum eigentlich.

Die Landschaften wirken auch nicht gerade aus einem Guss.

Unbedarfte Spielbarkeit 2014 jenseits des historischen Interesses: nicht vorhanden. Die nette Handlung wiegt nicht die Schmerzen auf, die heute die unsäglichen Monsterpixel, die miserable Kampfsteuerung oder das Laientheater der Mitwirkenden - Schauspieler wäre eine Berufsstandsbeleidigung - auslösen. Es geht immer schlimmer, aber das damals noch ganz interessante und unterhaltsame Guardians of Destiny blieb so frisch wie lange vergessener Käse. Leider nicht von der Sorte, die erst nach Wochen so richtig gut schmeckt.


Lands of Lore III

Mal digitalisiert und mal gerendert bildet einen ganz seltsamen und nicht sehr ansehlichen Mix. Vorsichtig gesagt.

Was es mal war: 1998 übernahm EA Westwood und auch Teile von Virgin, sodass der dritte - und bis heute letzte - Teil der Reihe 1999 unter dem neuen Publisher erschien. Beachtet wurde das Spiel damals relativ wenig, was letztlich an sehr durchwachsenen Wertungen und der Anwesenheit von Schwergewichten wie System Shock 2, Baldur's Gate oder Planescape gelegen haben könnte. Oder weil es eben einfach wirklich nicht so spannend war. So oder so, Lands of Lore sollte offener, größer und ein Schritt hin zu damals modernen Rollenspielen werden, nur in schickem 3D.

Was noch geht: Das 3D in Nummer III ist ein zweischneidiges Schwert. Ihr könnt die Auflösung bis auf über 1080p hochziehen und die Landschaftspolygone werden dem brav Folge leisten. So wirkt das Ganze dann zwar sehr leer, weil die Architektur der Polygone extrem auf große Flächen ausgelegt wurde, was selbst für damalige Verhältnisse grobschlächtig wirkte. Aber zumindest sind die Kanten dann schön glatt. Das Interface für Bewegung und Inventar wurde anständig gelöst und dank weitestgehend freier Konfiguration könnt ihr es zusammenbasteln, wie ihr lustig seid. Spielen kann man es also.

Der epische Kampf gegen das Monsterpixel-Schwein. Trotz der etwas moderneren Engine ist auch Nummer 3 erneut kein Hingucker.

Was keiner mehr will: Es gibt nur leider wenig Gründe das zu tun. Die eigentliche Geschichte wirkt schon gegen andere Spiel der Ära sehr bescheiden ausgearbeitet und frei jeglicher später wiedererkennbarer eigenständiger Anteile, die keinen Bezug auf die Vorgänger haben. Was die Umsetzung dieser an sich generischen Handlung angeht, quält euch das Spiel mit grausiger Sprachausgabe und das konstant und zu jeder Gelegenheit. Der Kampf ist nun dank der verbesserten Steuerung von eurer Seite aus leichter zu bewältigen, leider zeigt sich nun, dass die KI rein gar nichts kann und euch auch gerne mal mitten im Kampf den Rücken zuwendet. Während das restliche Spiel soweit auf Zugänglichkeit getrimmt wurde, dass die gesamte Charaktersteigerung praktisch irrelevant wurde - wie auch die Mitgliedschaften in einer der diversen Gilden -, ist es umso erstaunlicher, dass der Held von Hand gefüttert werden muss, um zu überleben. Dieser befremdliche Hauch fehlgeleiteten Realismus nervt schon nach kurzer Zeit, zumal der nölige Held euch sogar in Bosskämpfen erzählt, wie hungrig er doch gerade sei und dass er ein Pferd mit Kartoffeln essen würde. Wie gesagt, das Skript ist oft die eigenwillige Sorte von "schlecht".

Schließlich ist da dann eben noch die andere Seite der Technik. Im Gegensatz zu den Polygonen, aus denen sich die Landschaft zusammensetzt, werden die nach wie vor einkopierten und skalierenden Pixelungetüme nicht schöner, wenn man die Auflösung hochschraubt. Im Gegenteil, sie wirken noch deplatzierter und muteten schon damals ein wenig wie aus der Zeit gefallen an. Die Schauspieler tauschte man gegen Renderfiguren, die sich aber noch im frühsten Stadium dieser Technik bewegen und wie tote Wachsfiguren wirken. Schwer zu sagen, was besser ist. Ebenfalls misslang, das Spiel größer und offener zu gestalten. Es gibt nun ein paar sehr unterschiedliche Orte, aber sie wirken alle begrenzt und eingeengt, letztlich nicht viel anderes als die Korridore, die man zuvor aus der Reihe kannte. Nur halt jetzt an den Kanten höher aufgelöst.

Ich dachte erst, alles würde in einem verlassenen Schloss spielen. Stellt sich heraus, dass es nur eine von der Engine unterbevölkerte Stadt ist. Man muss sich den Rest hat dazu denken.

Unbedarfte Spielbarkeit 2014 jenseits des historischen Interesses: Selbst Fans des ersten Teils wissen nicht unbedingt von der Existenz eines dritten Lands of Lore. Es kann ruhig so bleiben. Sie verpassen nichts, wenn sie diese Bildungslücke einfach offen lassen.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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