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Split/Second: Velocity

One-Trick-V12-Motor

Vor einem Jahr haben die Black Rock Studios gesagt, dass sie mit Split/Second dazu in der Lage wären, das - in ihren Augen - „aussterbende“ Rennspiel-Genre zu retten. Natürlich bezog sich diese Aussage des Studio-Bosses Tony Beckwith hauptsächlich auf die Verkaufszahlen. Die Racer waren bis in die letzte Konsolengeneration hinein noch das begehrenswerteste Showcase für die Power einer Konsole überhaupt. Mittlerweile stehen sie im Genrevergleich auch auf „TV-Spielgeräten“ meistens hinter anderen Spielegattungen, wie zum Beispiel den Ego-Shootern, zurück.

Wenn man aber mal einen Blick auf den Veröffentlichungskalender wirft, weiß man gar nicht, ob das Rennspiel überhaupt eine Rettung nötig hätte. Wir bekommen Blur von Bizarre Creations, ein Need for Speed von Criterion, Test Drive Unlimited 2 von Eden Games, vielleicht ein Gran Turismo 5 – und wer weiß, was Turn 10 gerade für Microsoft in der Mache hat?

Das Genre knattert, brummt und röhrt wie eh und je. Black Rocks Rettungsversuch ist also ein bisschen so als wollte man jemanden in dramatischer Zeitlupe mit einem satten Schubser vor einem nahenden Lastwagen bewahren, nur um das rollende Ungetüm an der Kreuzung vorher abbiegen zu sehen. Im Fall von Split/Second kommt das Genre aber zum Glück gerade noch ohne Teerreste in den Klamotten und blaue Flecken davon.

Die maßgeblichen Anzeigen hinter dem Auto zu platzieren, ist ein geschickter Schachzug.

Split/Second ist ein zerstörerisches Arcade-Rennspiel, das um das Konzept einer fiktiven TV-Show herumgedichtet wurde. In einer zwölf Episoden umfassenden Saison dreht ihr als Teil eines achtköpfigen Fahrerfelds eure Runden über ein Dutzend Kurse, die an gewissen Stellen Überschneidungen in der Streckenführung aufweisen. Der Clou: Die Show ist die Roland-Emmerich-Version von Alarm für Cobra 11: Mehr Gebäude- und Wahrzeichenexplosionen, noch weniger Handlung.

Für Drifts, Sprünge und das Heransaugen im Windschatten der Gegner ladet ihr eine dreigliedrige Anzeige auf, mithilfe derer ihr die sogenannten Power Plays auslösen könnt. Rund um die Strecke herum sind nämlich zerstörbare, bewegliche und explosive Elemente installiert. Fährt ein Gegner vor euch in deren Reichweite, könnt ihr gegen ein Segment eurer Power-Play-Leiste parkende Autos oder Tanklaster in die Luft fliegen, Gebäude einstürzen oder einen Bagger seine tonnenschwere Schaufel wie einen funkenstiebenden Wischmop über die Strecke ziehen lassen. Ist eure Anzeige vollständig gefüllt, wird’s besonders spektakulär, denn dann stürzen Flughafen-Tower, Aussichtstürme oder Staudämme in sich zusammen und krachen erdbebengleich auf die Strecke, im Trockendock eingelagerte Ozeanriesen schlittern mit ohrenbetäubendem Getöse unaufhaltsam ihre Wässerungsrampe hinunter und ein Frachthelikopter schleppt einen stählernen Lastkipper wie eine Abrissbirne durch die Decke eines Autobahntunnels.

’Kennste einen, kennste alle’ – das Fahrzeugdesign ist kompetent, auf Dauer aber austauschbar.

Der Einfallsreichtum und die Gigantomanie von Black Rocks Strecken-Designern kannten offenkundig keine Grenzen und stellen vom ersten Rennen an das größte Kapital von Split/Second dar. Egal an welchem Ende eines solchen Power Plays man sich gerade befindet, ganz gleich, ob man austeilt oder einstecken muss, diese Zerstörungssequenzen sind technisch wie dramaturgisch der absolute Höhepunkt einer jeden Kurses. Man möchte stellenweise beinahe die Augen schließen, beißt die Zähne zusammen und hält die Luft an, während die Sicht im Bann der Druckwelle zu flirren beginnt und man allmählich die Kontrolle über sein Fantasie-Fahrzeug verliert. Wer einmal die Füllung eines Beton-Sandwiches gibt oder einfach nur von einem Benzinkanister gesprengt wurde, den einer der Konkurrenten nonchalant aus einem der Helikopter hat plumpsen lassen, wird wenige Meter zuvor und mit leichtem Zeitabzug wieder fahrend auf die Strecke gesetzt.

Das Fahrverhalten ist wie erwartet sehr schnörkellos und driftlastig geraten. Man braucht die Bremse in der Kurve oft nur anzuschauen, um das Fahrzeug zum kontrollierten Schlittern zu bewegen. Bei der Auswahl der Wagen hat man meist die Wahl zwischen „träge, dafür robust und mit hoher Endgeschwindigkeit gesegnet“ oder „flink und zerbrechlich“. Auch ein wenig Taktik kommt trotz aller Knallerei und Simplizität noch ins Spiel: Fahre ich auf der Ideallinie und riskiere, jede einzelne Gefahrenzone zu passieren, die die Strecke zu bieten hat? Drifte ich übertrieben häufig, um meine Energieanzeige schneller aufzuladen und lasse dafür wertvolle Sekunden liegen? Oder lasse ich meinen Verfolger kurz überholen und öffne dann per Power Play eine Abkürzung, sobald er daran vorbei ist?

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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