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Sword Coast Legends - Test

Sie wussten, warum sie "Dungeons & Dragons" nicht in den Titel schrieben…

Trotz verschenkter Lizenz ein brauchbares, wenngleich schmuckloses und etwas altbackenes RPG mit einigen Bugs. Im Koop dennoch packend.

Man kann es nicht anders sagen: Wie Sword Coast Legends mit seiner Lizenz umgeht, das ist ein wenig zaghaft. Im Startbildschirm steht unten rechts in klein "Dungeons & Dragons", im Logo ist es nirgends zu sehen und auch sonst, in der öffentlichen Kommunikation des Titels, taucht der nostalgische Rollenspielabende versprechende Name kaum auf. Dabei haben wir es hier doch mit einem klassischen Party-Rollenspiel nördlich von Neverwinter zu tun, samt Spielleiter-Modus und Koop-Funktionalität.

Nun, der Grund für die Zurückhaltung, wird recht bald offensichtlich: Sword Coast Legends leiht sich zwar Szenario und Begrifflichkeiten, nimmt es mit dem Regelwerk aber nicht ganz so genau, beugt und biegt es, was das Zeug hält. Das wird vor allem in der Charakterentwicklung deutlich, die mit ihren Talentbäumen eher nach dem ersten Dragon Age schmeckt als nach Dungeons & Dragons. Das ist wohl zum einen darin begründet, dass dem verantwortlichen Studio N-Space mit Dan Tudge ein leitender Entwickler des BioWare-Klassikers vorsteht. Zum anderen wollte man wohl auch den Koop-Gedanken noch etwas weiter fördern, indem man es mit den Klassenbeschränkungen nicht ganz so genau nahm.

Die Dialoge, die vertont sind, haben einige ausgezeichnete (englische) Sprecher vorzuweisen. Das ist allerdings nur in Handlungsrelevanten Zwischensequenzen durchgängig der Fall.

So ist es zum Beispiel dem Kleriker-Zwerg eines guten Freundes vom mir problemlos möglich, diebische Disziplinen wie Schlösserknacken zu erlernen, während mein Waldläufer mit heilenden Beeren um sich wirft und damit zwischen den Pfeilsalven einen veritablen Heiler abgibt. Der Verzicht, das D&D dicker über den Titel zu schreiben, kommt vor diesem Hintergrund fast wie das Geständnis daher, "ja, so ganz ist es nicht, was man sich von einem Dungeons & Dragons verspricht". Man kann das als Mogelpackung sehen, Fakt ist aber, das einiges vom dem D&D-Feeling durchaus noch intakt ist und Sword Coast Legends Anfängern und eher gelegentlich Spielenden den Einstieg durchaus komfortabel und schnörkellos gestaltet. Auf welcher Seite man auch steht, ich hoffe, dass sich N-Space über das sehr gespaltene bisherige Feedback nicht wundert.

Der eigentliche Umfang ist in jedem Fall schwer in Ordnung, alleine mit einer NPC-Party oder mit bis zu drei Freunden durchlebt ihr gut dreißig Stunden Story-Kampagne nach altbekanntem und nicht gerade aufregendem, aber durchaus gut funktionierenden Strickmuster. Auf eure Gilde wird ein Anschlag verübt, ihr wollt herausfinden, warum man euch nach dem Leben trachtet und wenn wir - und N-Space - von Neverwinter Nights eins gelernt haben, dann dass dieses Genre tatsächlich noch ein bisschen aufblüht, wenn man es mit Freunden zusammen angeht.

Sieht stellenweise bedeutend älter aus, als es ist. Pillars of Eternity zieht mehr Mystik, Divinity mehr Leben aus seinen Darstellungen.

Aus einem prinzipiell schon tausendmal gespielten RPG wird so ein Gemeinschaftserlebnis mit taktischem Gruppenkampf. Die Optionsvielfalt ist dabei nicht zu verachten. Der Kampagnenfortschritt wird zwar immer beim Host gespeichert, wollt ihr alleine weitermachen setzt ihr demnach dort an, wo "euer" Spiel gerade steht. Aber ihr dürft als Beitretender jeglichen eurer Charaktere nutzen und nehmt auch alle Ausrüstung und Erfahrungspunkte in andere Spiele mit zurück. In den Einstellungen legt der Host derweil fest, ob pausiert werden darf und ob nur er das darf, oder sich auch alle anderen Abenteurer der mächtigen Leertaste bedienen dürfen, um heikle Kämpfe zu entzerren und seine nächste Aktion zu planen.

Sogar automatische Pausen gibt es, die beinahe ein rundenbasiertes Kampfsystem simulieren. Pausieren ist gerade zu Anfang auch bitter nötig, denn die geringen Trefferpunktezahlen und saftigen Attacken holen einen andernfalls schneller von den Beinen, als einem lieb sein kann. Wenn das passiert, ist es ein bisschen die Schuld des Spiels, das euch pro Charakter niemals mehr als eine Aktion anordnen lässt und allgemein entschieden mehr nach einem Action-Rollenspiel der Marke Diablo aussieht, als ihm - und euch - eingangs gut tut. Hat man aber erst ein paar Level auf dem Kerbholz und seine Schnellzugrifftasten auf "1" bis "=" unter Kontrolle, holt man einige befriedigende Buff/Debuff-Kombinationen aus dem übersichtlichen und sich an seinen Rändern ein bisschen zu sehr überschneidenden Fähigkeitensystem.

Schalterrätsel. Natürlich gibt es Schalterrätsel.

Schade ist, dass die Zauber rein visuell den gewissen Wumms vermissen lassen und sich Nah- und Fernkampfangriffe so zahnlos und "in die Luft geschlagen" anfühlen (was auch die beizeiten geradezu lächerlichen Grekröseexplosionen nicht verschleiern können. Ich bin mir dessen bewusst, dass das zu Zeiten von Baldur's Gate auch nicht zwangsläufig besser war, aber das darf, so sehr man es auch zu recht verehrt, in Zeiten von Divinity: Original Sin und Pillars of Eternity nicht mehr der Maßstab sein. Überhaupt zieht sich dieser leicht angestaubte Vibe durch fast jede Disziplin von Sword Coast Legends. Gestalterisch ist das hier eine der grau-brauneren und seelenloseren Repräsentationen dieses Universums, technisch klobig und unsauber, wenn die Kanten mal wieder flimmern, Texturen wie mit dem Lineal gezogen aufeinandertreffen und Capes unentwegt momentweise in den Rücken der Charaktere verschwinden. Und doch, zusammen zu Questen und die Welt zu erkunden, sich Ausrüstungsgegenstände hin und her zu werfen und in den Klischees zu baden, das macht trotzdem Laune, auch wenn man hier Zeuge von wenig mehr als einer absoluten Pflichterfüllung wird. Bei diesen unbeschwerten Schnitzeljagden mit daumendicken irischen und schottischen Akzenten ist es fast egal, wie sehr die Interaktivität mit der Welt - hier und da ein paar Dialogentscheidungen, die die Aufträge kurzästelig verzweigen lassen, und Geheimgänge, die man entweder findet oder nicht, sind das höchste der Gefühle - auch an Divinity nicht heranreicht und wie viel einnehmender Pillars of Eternitys Welt und Geschichten doch gezeichnet sind. Das hier ist die unkomplizierte, Spiel-starten-und-los-Version davon, das viel beschworene bequeme Paar alte Pantoffeln, löchrig und verfilzt, an dem man doch irgendwie hängt.

Auch die Wegfindung macht hier und da Probleme: Figuren hängen an Kanten fest und manche Gegner können keine Treppen steigen.

Das macht es zwar nicht einfacher, es ohne mannshohe Vorbehalte Rollenspiel-Enthusiasten zu empfehlen (gerade nicht zu dem Preis von satten 40 Euro, die gegen das von der Konkurrenz Gebotene fast schon ein bisschen frech anmuten), trotzdem fällt es mir schwer, allzu viele schlechte Worte darüber zu verlieren. Fast schon tragisch ist allerdings, dass sich der prinzipiell recht potente Spielleiter-Modus mit unflexiblen Questzielvorgaben, die wenig mehr kennen, als sammeln oder töten, so sehr selbst limitiert. Man hat gestalterisch erfreulich viele stimmungsvolle Möglichkeiten und darf sich auch in selbst erstellten Texten oder beim Editieren von Monstern richtig austoben. Für die Spieler kommt am Ende aber meistens ein Dungeonlauf mit sehr erwartbarem Verlauf dabei raus.

N-Space spricht davon, in dieser Hinsicht nachbessern zu wollen und wenn das geschieht und die Community am Ball bleibt, könnte Sword Coast Legends in eingeschworenen Runden mittelfristig eine respektable Zukunft haben. Bis es so weit ist, schaut ihr am besten noch mal in die Liste eurer ungespielten oder unbeendeten Rollenspiele auf Steam. Mit einiger Wahrscheinlichkeit liegt dort etwas, das in die gleiche Kerbe schlägt und euch die Zeit vertreiben lässt, bis Sword Coast Legends frei von Bugs, mit erweiterten Spielleiter-Tools und zum schmalerem Preis erhältlich ist.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Sword Coast Legends

PS4, Xbox One, PC, Mac

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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