WRC 5 - Test
Man darf halt nicht das Menü verlassen.
Es ist doch so einfach. Ihr, die FIA, habt die tolle Lizenz - die WRC -, da ist ein großartiges Rallye-Spiel in der der Mache - DiRT Rally von Codemasters -, bringt beides zusammen und es entsteht etwas, das dem Sport würdig ist. Stattdessen hatte man zwar den prinzipiell guten Einfall, dem ewigen Durchschnittsproduzenten Milestone aus Italien diese Lizenz abzunehmen, und die blöde Idee, sie dem französischen (Unter-)Durchschnittsproduzenten Kylotonn zu geben. Das Ergebnis mit eigener Engine und eigenem Ansatz ist nun WRC 5. Was es genau sein soll, ist mir aber auch nach ein paar Stunden auf der Piste nicht so klar.
Ich denke, dass der Ansatz war, es schon alles irgendwie auf Simulation zu trimmen, aber gleichzeitig gut für Gamepads und Massen-Appeal handhabbar zu machen und eine Menge Arcade-Spielgefühl miteinfließen zu lassen. Irgendwie. Das Fahrgefühl hängt dabei zwischen allen Stühlen und ihr habt weder DiRT Rallys Feingefühl für jeden Schottersplitter auf der Piste noch das elegante Action-Drifting eines SEGA Rallye. Es ist etwas, das sich fast wie ein Rallye-Auto anfühlt, dann aber eben doch nicht. Es ist schon irgendwie gutmütig, das aber auf eine seltsame Art willkürlich. Wer schon mal ein Auto selbst gefahren hat - und sei es nur einen Twingo auf der Landstraße -, wird hier wenig wiedererkennen, was Straßenlage oder generelles Lenkgefühl angeht. Es entsteht nie eine intuitive Verbindung aus dem Lenken und der Reaktion des Autos, es fühlt sich immer ein wenig daneben an. Alle Konsolen-Rallyes wie Colin McRae haben ähnliche Dinge versucht, schon vor über einem Jahrzehnt gezeigt, wie es gehen kann und man dabei auch das Gefühl für das Fahrzeug umsetzt, ohne es für Pad-Spieler unspielbar zu machen. WRC 5 fühlt sich an wie der erste Versuch und scheitert. Kann man spielen, will man nicht.
Dass Kylotonns Engine noch nicht bereit für Rallye oder irgendeinen Rennsport ist, merkt man nicht nur am missratenen Lenkmodell. Technisch schwanken die Ansichten auf der Piste zwischen ganz nett - verschneiter Wald - bis hin zu absolut grausig - der gleiche verschneite Wald. Der Detailgrad ist in Ordnung, wenn auch Dinge wie zumindest eine Alibi-Kantenglättung inzwischen Standard sein sollten und das Texturflackern bei der mäßigen Optik auch nicht sein dürfte. Aber die Performance ist unterirdisch. 15 bis 40 Frames - grob geschätzt, in Punkten sicher auch mal mehr und weniger - sorgen nie für ein ruhiges Bild, auf den Konsolen gibt es immer wieder massive V-Sync-Probleme, und das an immer wieder anderen Stellen der Strecke. Ich konnte eine Piste fünfmal fahren und immer wieder ruckelte und riss es woanders, während eine zuvor schlimme Stelle danach völlig einwandfrei lief. Man will sich gar nicht vorstellen, wie diese Engine bei einem Spiel performt, in dem mehr als das eigene Auto auf der Piste unterwegs ist.
Auch der Sound ist unterirdisch. Das mal surrende, mal pustende Motorgeräusch, dazu die Fehlzündungsknaller eines halb-lebendigen Mofas und das leise, seltsame Klacken der Schaltung - man weiß gar nicht, wo man zuerst weghören soll. Oder doch: Der unaufhörlich monoton plappernde Beifahrer ist, egal bei welcher der beiden unmotivierten Stimmen, im Deutschen unerträglich und im Englischen dank des hohen Ansagetempos, verbunden mit minderwertiger Aufnahmequalität, selbst für Könner der Sprache oft genug unverständlich. Dieses in dem Genre so wichtige Feature verkommt damit zu einer Art weißem Rauschen und ihr seid mit dem Auswendiglernen der Kurven weit besser bedient. Sicher, die ganze Technikentwicklung von WRC 5 kostete wahrscheinlich so viel wie das Entwerfen einer einzelnen Strecke für Forza oder Drive Club, aber das kann dem Spieler am Ende egal sein. Er hat nämlich die Option, eines dieser Spiele zu kaufen. Oder gleich DiRT Rally.
Dabei ist ja nicht alles schlecht, im Gegenteil. Das Schadensmodell ist durchaus so, wie man sich das vorstellt. Es unterscheidet zwischen „Panzerung" - also Karosserie -, Bremsen, Schaltung, Motor und ein paar mehr Dingen. Jedes davon kann ausfallen. Solange der Wagen nur geradeaus fahren muss, ist es mir egal, dass der Rückwärtsgang nicht mehr da ist. Aber als ich dann nach einem Slide am Baum stand, war das Rennen gelaufen. Das ist gut umgesetzt und motiviert wirklich dazu, auf der Piste zu bleiben. Damit ihr nicht das ganze Rennen in so einem Moment neu starten müsst, dürft ihr euch ein paar Mal pro Rennen zum letzten Checkpunkt zurücksetzen lassen und von dort neu starten. Eine gute Umsetzung des Rückspulgedankens all der aktuellen Rennspiele. Geringer Frust, verbunden mit kleiner Strafe und nur auf den unteren Schwierigkeitsgraden möglich. Auch das Reparieren der Schäden innerhalb einer Rallye aus mehreren Etappen ist gut umgesetzt. Gemäß den Regeln darf das Team nicht mehr als 45 Minuten pro Etappe schrauben. Also wird bei jedem Schaden angezeigt, wie lange es dauert, ihn zu kitten, und ihr müsst entscheiden, ob gute Bremsen nicht vielleicht doch wichtiger sind als besagte Gangschaltung. Ihr könnt sogar dieses Zeitlimit überschreiten und dafür eine Zeitstrafe in Kauf nehmen, was bei einem soliden Vorsprung eine echte Überlegung sein kann.
Auch die Spielmodi sind ordentlich. Ihr habt eine mehrstufige Karriere, in der ihr euch von der WRC-Junior- zur WRC-1-Klasse vorarbeitet, Sponsoren verpflichtet, die bestimmte Wünsche haben, etwa den Sieg um jeden Preis oder ein möglichst heiles Auto auf der Ziellinie. Es gibt Meisterschaften, ihr könnt eigene basteln, es gibt Einzel-Rallye und überhaupt alles, was in so eine Optionsliste der Spielmodi gehört. Es gibt sogar Highlights wie eine Team-Moral, die dann die Leistungsfähigkeit der Reparatur-Crews beeinflusst. Das Drumherum um die Piste hat sich Kylotonn gut ausgedacht, aber am Ende ist das alles - und bitte verzeiht mir mein Berlinerisch hier - komplett für den Arsch.
Das liegt an der KI oder vielmehr ihrer kompletten Abwesenheit. Ich wunderte mich schon, dass ich zunächst wie erwartet mit meinen Zeiten mal knapp auf Platz 1 oder knapp dahinterlag, aber als ich die Strecken weit besser kannte und beherrschte und meine Zeiten sich deutlich besserten, änderte sich auf dem gleichen Schwierigkeitsgrad das Ergebnis nicht. Ich lag immer noch ganz knapp vorn. Das könnte bedeuten, dass die KI sich mit verbessert, was bei ein und demselben Schwierigkeitsgrad innerhalb der der gleichen Rennklasse schon dämlich genug wäre. Dass nicht mal das der Fall ist, sondern die Zeiten der virtuellen Gegner einfach daran angepasst werden, wie ihr gerade fahrt, zeigte sich per Zufall, als ich zu einem Rennstart noch telefonierte, das Spiel nicht pausierte und dann eine Minute später erst losfuhr. Immerhin wurde ich Letzter, aber das erstaunlich knapp, und auch der Erste war nur 15 Sekunden vor mir. Haben die alle gewartet? Wie nett von ihnen. Das ist keine simulierte KI-Fahrt auf der Piste. Das ist nicht mal eine Anpassung der simulierten realen Zeiten anhand der Streckenabschnitte. Das ist pure, billige Willkür, die euch gewinnen lässt, wenn ihr euch innerhalb eines Limits über die Linie bewegt. Autsch. Autsch. Autsch. Damit war jeder Ansporn, einen der großen Namen der Lizenzliste zu schlagen, gleich null, weil ich ja wusste, dass nichts dahinter ist.
Das Beste am Multiplayer-Modus ist sicher der lokale Acht-Spieler-Part, in dem ihr nacheinander fahrt, was wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit ist, vernünftige Gegnerzeiten zu bekommen. Online habt ihr ein Lobbysystem ohne Serverauswahl, keine Filterung nach Rennklassen und Leaderboards - man will die Ergebnisse von WRC 1 und WRC Junior zusammenwerfen und für vergleichbar erklären. Dazu kommen noch Ghosts, die sich so irritierend bunt auf der Strecke manifestieren, dass sie den Ausblick auf die nächste Kurve rauben und nicht abschaltbar sind. Eine Filterung von Spielen mit oder ohne Lenkrad gibt es auch nicht: Auf der Xbox ist es eh egal, weil kein einziges unterstützt wird. Auf der PS4 sind es immerhin ein paar der Thrustmasters. Auf dem PC kommen noch Logitechs G27 und 29 dazu sowie Fanatecs Club Sport und CSR, was dann immerhin die kürzeste Kompatibilitätsliste bei einem Spiel dieser Art überhaupt sein dürfte.
Dass ich das mal sagen würde: Ich vermisse Milestones mittelmäßige Rallye-Spiele. Sicher, die waren nicht dolle, aber so wenig Spaß, wie ich mit WRC 5 hatte, das habe ich schon lange nicht mehr in diesem Genre erlebt. Es tut mir aufrichtig leid um die guten Ideen, darunter die Vielfalt an Spielmodi, die Wagenbeschädigungen und damit verbundenen, intelligenten Reparaturoptionen. Der Aufbau ist der eines weit besseren Spiels, aber hier bricht es schon bei den Rennzeiten der Gegner zusammen, dem wichtigsten Herausforderungselement in einem Genre, bei dem ihr allein auf der Piste seid. Angesichts der puren Willkür verkommt allein deswegen der Rest zur Makulatur. Das Fahrmodell selbst verpasst alle Möglichkeiten, sei es Simulation, Arcade oder überhaupt das Gefühl eines Autos, egal welches und auf welchem Untergrund auch immer. Die Technik schwankt willkürlich zwischen annehmbar und grausig, was zeigt, dass die hauseigene Engine schlicht noch nicht fertig ist. Die Beifahrer sind die wahrscheinlich nervigsten aller bisherigen Rallye-Spiele überhaupt. Was soll da am Ende noch an Spielspaß bleiben? Man kann sich durchzubeißen, sich einreden, dass die Lizenz ja da und man vielleicht Fan des WRC ist. Aber selbst als solcher sollte man auf diese Übung in Selbsthypnose verzichten und sich ganz schnell an das zwar nicht fertige, aber schon im Early-Access-Stadium unendlich bessere DiRT Rally setzen.