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Zelda: Tears of the Kingdom zeigt, dass Gameplay Grafik schlägt – und zwar jederzeit

Von Grafikdiskussionen und Gameplayüberlegungen

Dieser Tage hört man im Netz oft Vorwürfe, in Sachen Nintendo-Spiele würde mit zweierlei Maß gemessen. Und zwar nicht nur vom Entwickler des ersten God of War, David Jaffe, der sich wunderte, dass Tears of the Kingdom von Reviewern nicht zumindest ein wenig für seine Optik abgestraft wurde. Aber er ist nicht allein. Schon vor Release las ich auf Twitter, Reddit und Co. schon Scherze der Marke “Freue mich schon auf die Leute, die sonst gerne FPS zählen und Zelda mit seinen 20-30fps in den Himmel loben”.

Der Gedanke: Wo Titel wie Jedi Survivor oder Redfall wegen unausgegorener Technik kritisiert würden, sähen Zelda-Fans beim neuen Spiel ihrer Lieblingsserie über niedrige Auflösung und eine nicht immer stabile Bildrate hinweg. Aber stimmt das überhaupt? Auch wenn ich nur für mich und ein Stück weit für uns als Magazin sprechen kann: In meinen Augen hinkt der Vergleich gewaltig.

Natürlich werten wir als Magazin bisweilen ab, wenn die Technik den Spielspaß beeinträchtigt. Jedi Survivor und Redfall und – ja, mit Pokemon Purpur und Karmesin auch eine Nintendo-Marke – haben das zuletzt zu spüren bekommen, ob in ausreichender Härte, darüber kann man reden. Aber allein daran, dass Redfall am Ende schlechter dastand als eben ein Jedi Survivor, sieht man schon, dass Spielbarkeit, die die Zeit auch wert ist, nach der sie verlangt, grundsätzlich die größere Rolle spielt.

Im Grunde könnte man es schon dabei bewenden lassen. Ich müsste nicht einmal davon anfangen, dass man an ein Spiel auf sechs Jahre alter Hardware eben andere Ansprüche stellt, als an dem, was man auf einer PS5 oder einen Rechner mit Geforce 3080 zu sehen bekommt. Oder davon, dass relativ zum Rest der Games, die auf der Switch erscheinen, Zelda durch und durch beeindruckend ist und mit seiner kilometerweit in die Höhe reichenden Spielwelt auch auf anderen Plattformen imponieren würde. Technisch ist das keine Kleinigkeit, die hier passiert. Alles Sachen, die man anbringen könnte, in dieser Diskussion.

So schlecht sieht es auch nicht aus.

Die ist im Übrigen komplett unberührt davon, dass Tears of the Kingdom in 4K und 60 FPS pro Sekunde selbstverständlich ein besseres Spiel wäre. Das steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt. Niemand bewertet ein Spiel anhand der denkbaren Performance auf seiner hypothetischen Traumkonsole. Wir haben nur eine Switch 1 und auf der geht nicht mehr als das hier. Eigentlich ist es ein Wunder, dass “das hier” überhaupt möglich war. Und das ist der Punkt, an dem Performance und andere technische Aspekte zu Zahlen und Datenpunkten werden, die ohne Kontext und Relation jede Bedeutung verlieren und sich deshalb wenig auf die Bewertung dieses Spiels auswirken.

Aber am Ende ist es auch das Spiel, so ganz für sich genommen, das Grafikdiskussionen im Keim erstickt. Zelda – Tears of the Kingdom, allein für sich betrachtet, stellt besonders nachdrücklich klar, dass die meisten Leute nicht allein wegen schöner Kindheitserinnerungen mit dieser Figur über wackelnde FPS-Zähler hinweg schielen. Wobei, so ganz mag ich die Kindheitsbezüge auch nicht ausklammern, denn wie Tears seinen Spielbegriff definiert, hat sehr wohl etwas Kindliches. Es nutzt dafür nicht ausschließlich die typischen Gaming-Vokabeln, wie kämpfen, klettern, puzzeln - es ist ein “Sandkasten” im Wortsinne.

Als ich das erste Mal einen Bokblin-Pferdekarren per Zeitumkehr gestoppt habe, ist mir die Kinnlade runtergeklappt. Und das war noch ganz am Anfang dieser von Ahs und Ohs durchzogenen Reise.

Erst gestern erinnerte mich die Ausdauer und Neugierde, mit der mein Sechsjähriger beim Waldspaziergang einen Arm voll Äste an einen Baumstamm zu lehnen versuchte, an den Drive, mit dem ich in Tears alles Mögliche aneinander kleistere. Oft genug, ohne eine spezielle Vorstellung vom Ausgang des Experiments zu haben. Der den Kopf in ein verdächtiges Loch unter einer Baumwurzel steckende wandelnde Meter, den ich mir in meinem Inneren bewahrt habe, fühlt sich in diesem Hyrule wohler als in vielen offenen Welten, die ihre Systeme und Belohnungsmechanismen vordergründiger platzieren.

Was nicht bedeutet, dass die Systeme, die Tears of the Kingdom antreiben, nicht trotzdem der Star wären. Das Spiel gibt mir so waghalsige, und sich potenziell “Game-breaking” anfühlende Möglichkeiten in die Hand, dass Skills wie “Ascend” buchstäblich als Entwickler-Debug-Trick ihren Anfang nahmen. Man probiert ergebvnisoffen herum und ist oft genug vom Ergebnis überrascht. Um so etwas herum zu designen, ist ein aus Entwicklersicht geradezu verantwortungsloses Unterfangen, vor dem man eigentlich nur den Hut ziehen kann. Es macht fast duselig, welche Möglichkeiten einem dieses Spiel bietet und es wird lange dauern, bis jemand anderes den Schneid dazu hat, etwas Vergleichbares zu versuchen.

Und noch mal: Eigentlich sieht das sogar ziemlich gut aus.

Also ja: Gerne eine Switch 2, auf der ich Tears irgendwann im “4K60” spiele. Aber bis dahin geht mir weg mit Grafikdiskussionen. Hier ist damit nichts zu gewinnen.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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