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Gothic 3 - Tagebuch Teil 4

Tag 4: So viel zu sehen...

Fortsetzung von Tag 3

Ein einziges Hoch und Runter

Ein letzter schmachtender Blick auf die romantisch angehauchte Idylle und mein Held schickt sich an, den Pfad ins Innere der Bastion zu erklimmen. Was anfänglich noch wie ein Spaziergang von Ebene zu Ebene wirkt, wird mehr und mehr zu einer gefährlichen Klettertour. Immer steiler und immer schmaler schlängelt sich der Pfad durchs Gebirge. Fast schon bis zur Spitze des Berges. An einigen Stellen reicht nur ein falscher Schritt, ein unkonzentrierter Moment und der Held trudelt verloren in die Abgründe, die sich bedrohlich zu beiden Seiten des Weges auftun. „Halt, was hast Du hier zu suchen?“, brüllt ein Ork-Wächter aufgebracht, als die kümmerliche Passage vor einem großen Eisentor ein jähes Ende findet. „Hinter diesem Tor liegt Nordmar, das ist kein Gebiet für einen schwachen Kerl wie Dich.“, erläutert der grimmige Geselle nach einigen Fragen. Ich merke schon, ich muss beweisen, was in mir steckt. Den Kerl einfach niederstrecken ist aber keine Alternative, denn wer macht das Tor auf? Also wieder den halben Berg runter, diesmal im Eiltempo und erstmal am Ansehen in der Festung arbeiten.

Es ist schon erstaunlich, wie langsam plötzlich alles vor sich geht, wenn ein Ziel nahezu greifbar vor einem liegt. Wie es förmlich in jeder einzelnen Pore des Körpers kribbelt und man sich denkt, „nur noch dieser eine Auftrag und dann darf ich vielleicht nach Nordmar.“ Und wie die Wut in einem hoch steigt, weil dieser eine Auftrag dann doch nicht ausreichte. Eine wirklich gemeine Nummer, aber sie trägt unweigerlich zur Spannung bei. Nach etlichen Stunden harter Arbeit und so manchem Bestechungsversuch, zeigt sich der Motze-Ork am Eisentor einigermaßen wohlwollend und gibt endlich den Weg frei. Das wurde aber auch langsam Zeit, mein Freund.

Welch frostiger Empfang

Hätte ich doch nur ein Flammenschwert.

Nordmar ist nicht nur eine andere Region, es ist eine völlig neue Erfahrung. So laut die Folgen der zerstörerischen Schlacht allgegenwärtig aus sämtlichen Winkeln und Ecken Myrtanas schreien, so ruhig, friedlich und vom Krieg unberührt erstreckt sich Nordmars Winterlandschaft. Schneebedeckte Hügel und Bäume, gefrorene Flussläufe, kleine Eispartikel glitzern und funkeln auf dem von Frost überzogenen Boden. Mit jedem Schritt fallen die nagenden Gewissensbisse und auch die düstere Stimmung der vergangenen Tage von mir ab.

Leider ist es schon nach wenigen Metern mit der verdienten Ruhe vorbei, denn auch hier lauert die Gefahr in Form garstiger Kreaturen. Eiswölfe ziehen in Rudeln durch das Gebiet, schwarze Goblins umringen in kleinen Formationen ihre Lagerfeuer, Schattenläufer, Eisgolems und Säbelzahntiger warten gierig hinter Büschen versteckt auf unbedarfte Opfer. Während sich mein Held bislang gegen Übergriffe behände zur Wehr setzte, ist er gegen den nächsten Gegner nur bedingt gefeit. Denn Trolle sind – gelinde ausgedrückt – wirklich arschig. Diverse Taktiken, die zuvor bei Banditen, Lurkern oder auch Wölfen ihre Wirkung zeigten, scheinen bei diesem Kampf nicht zu fruchten. Die sauber ausgeführte Schwertparade kontert das bullige Wesen mit einem Hieb seiner enormen Pranken und reißt dem Namenlosen fast den Kopf von den Schultern. Erschreckend wie agil der Troll ist und das trotz der massigen Leibesfülle. Darauf bedacht, mich möglichst weit entfernt von den bedrohlichen Pranken aufzuhalten, umrunde ich den gewaltigen Troll und suche nach einer Schwachstelle. Ein schnell angebrachter Streich mit der Klinge, rasch zurückweichen und von der anderen Seite wieder zustechen. Schier endlose Minuten dauert das Gefecht nun schon an und viel zu oft greift der Held zu einem Heiltrank. Um diesem Monster beizukommen, muss man schon alle erlernten Schwert- und Schildfähigkeiten einsetzen. Oder die Zaubersprüche, die man an Altären im ganzen Land erlernt. Feuer mögen die Trolle ja bekanntlich nicht so.

Gebt mir ein Pferd, bitte!

In Myrtana mag die Magie futsch sein, in Nordmar definitiv nicht!

Nach vier langen und ereignisreichen Tagen und Nächten stellt sich unweigerlich die Frage nach einem Pferd oder einer anderen Art des schnellen Transports. Obwohl mein Recke nur einen Bruchteil der ungemein beachtlichen Spielwelt bereisen und erkunden konnte, ist es doch ein Gräuel, wieder zurück zu laufen, um diverse nicht erfüllte Aufträge abzuschließen. Es gab einfach zu viel zu sehen, zu viel zu tun und die Zeit drängte unweigerlich. Wie sich jedoch zwischen allerlei Tratsch und Klatsch der geschwätzigen Bevölkerung heraushören lässt, scheint es in der Tat eine Möglichkeit der Wegüberbrückung zu geben. Irgendwo verborgen in den Tiefen des Landes soll ein altes, nicht mehr aktives Teleport-System auf seinen Einsatz warten. Wenn man den Gerüchten vertrauen darf, benötigt es nur einen mysteriösen Stein. Doch in welchen Höhlen, Gebirgen, Wäldern oder wo auch immer sich dieser versteckt, ist bislang ein wohl gehütetes Geheimnis. Schade, ich hätte auch nichts gegen einen rasanten Galopp auf einem Hirschen oder einem Wollnashorn einzuwenden gehabt...

Resümee des vierten und letzten Tages: Man bekommt nicht immer alles geschenkt, sollte sich nicht auf den ersten Eindruck verlassen und mit Feuer zu spielen, kann manchmal gar nicht so schlecht sein.

In eigener Sache: Gothic 3 zeigt eines bereits sehr deutlich – es hat eine Seele. Man wird gefangen von der hier herrschenden Atmosphäre und der Stimmung, empfindet Zweifel, Wut, Freude und auch Mitleid. Selbst ein teilweise schon recht abgestumpfter Spieler wie ich kommt nicht umhin, bei dem Anblick der halb verhungerten, in Lumpen gehüllten Sklaven einem kurzen Moment der Traurigkeit zu erliegen. Oder über beide Ohren zu strahlen, wenn ich Gorn, Lee und anderen alten Freunden über den Weg laufe. Vielleicht muss man für einige Regungen ein eingefleischter Gothic-Spieler sein. Aber selbst wenn man Gothic vorher noch nie in den Händen hielt, weckt es Gefühle - und das ist es doch eigentlich, worum es in einem Spiel geht, oder?

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