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Atlas Fallen im Test: Ein Spiel mit dem “gewissen Etwas”...

… aber an der Basis könnte man noch mal ansetzen.

Unterhaltsame Nahkampfaction für Tüftler vor hübsch zerklüfteter Welt, durch die man vornehmlich surfend und oft genug beinahe fliegend unterwegs ist. Schwache Geschichte und Inszenierung sowie Quests und Aufgaben von der Stange verhindern Größeres.

Deck13 ist und bleibt eines der interessantesten deutschen Studios. Den Frankfurtern gelingt es mit erstaunlicher Regelmäßigkeit, sich auch eigentlich zur Genüge durchgekauten Spieleformeln noch aus einem Winkel zu nähern, aus dem sie wieder frisch und aufregend wirken. Nach zuletzt zwei guten Versuchen, dem Soulslike ein paar neue Tricks beizubringen – The Surge hatte ein Future-Szenario und Körperteile-Anvisierung – nahmen sie sich diesmal einen Mix aus Hack-and-Slash und Open World vor die Brust.

Der Kniff in Atlas Fallen: Das Kampfsystem mag Devil May Cry-Veteranen vielleicht nicht durch Eleganz imponieren, zieht aber Tüftler und Experimentierfreunde ungewohnt tief in den Bann. Und die konkurrenzlos zerklüftete offene Welt lockt mit fluffiger Fortbewegung, die in ihrer Großzügigkeit beinahe an Crackdown erinnert. Diese beiden Eigenschaften sind dem Studio so gut gelungen, dass sie den Titel allein schon zum Geheimtipp machen, der mir gut 20 Stunden lang einige Freude bereitet hat. Hier steckt das viel beschworene „gewisse Etwas“ drin. Schade ist nur, dass es bei einigen anderen grundlegenden Dingen dann doch noch etwas hapert.

Das zerklüftete Design der Welt macht neugierig und macht Spaß zu erkunden, weil die Fortbewegung in Atlas Fallen eine Freude ist.

Aber bleiben wir erst einmal bei den Stärken, denn Atlas Fallen hat viel zu bieten. Allen voran wäre wohl zu erwähnen, wie cool diese Wüstenwelt eigentlich aussieht. Das vom Sand bedeckte, zu weiten Teilen in einem uralten Konflikt untergegangene Reich wirkt noch wilder zerklüftet und in Scherben als viele Panoramen der Xenoblade-Chronicles-Reihe. Sie mithilfe des magischen Handschuhs mit Doppelsprung, Dreifach-Dash und Sandsurfen zu durchstreifen und auch in der Höhe ausgiebig zu erkunden, das wirkt sehr befreiend und erbaulich. Hier trifft ein cooles, verzeihendes Fortbewegungsystem auf einen Schauplatz, den man sich gerne aus verschiedenen Perspektiven anschaut.

Wie das Gerippe einer alten Zivilisation ragen Teile der Erdkruste schräg in die Höhe, bilden teilweise zweite Ebenen über Städten oder ausgeblichenen Ruinen in maximaler Schieflage, nach der nur noch das Räumkommando kommt. Immer wieder ist man überrascht, wo man noch so hochkommt, aus eigener Kraft. Oder zumindest der Kraft, die in dem Handschuh steckt, den euer Protagonist beziehungsweise eure Protagonistin eines Tages findet. Nicht immer sind das Bereiche, in die euch die Handlung explizit verschlägt, sondern Gebiete, die ihr aufsucht, einfach, weil ihr es konntet (und weil oft genug ein vergrabener Schatz darauf wartet, von euch gehoben zu werden).

Zu fliegenden Gegnern zieht ihr euch mit einem großzügigen Peitschenhieb hinauf. Nach jedem Treffer, den ihr landet, dürft ihr einen neuen Air-Dash ausführen und bleibt so ewig in der Luft.

Auch das macht einiges der Faszination von Atlas Fallens Welt aus: Regelmäßig hebt ihr versunkene Gebäudeteile mit eurer Zauberhand aus dem Sand, um neue Höhen zu erreichen — ein System, mit dem ich gerne öfter und eingehender gespielt hätte —, was allgemein das Gefühl weckt, hier steckt noch viel mehr verborgen, als man sieht. Oft genug bekommt man diesen Eindruck auch mit neuen Anblicken quittiert, findet in einem finsteren Höhlengewölbe einen Tempel, der sich noch gerade so auf den rissigen Säulen hält, oder stolpert unter der Erde in die Reste einer uralten Stadt, die hier mal, fern der unbarmherzigen Sonne, Heim für viele Menschen gewesen sein muss. Hier sieht das Spiel trotz der nicht topaktuellen Technik oft atemberaubend schön aus.

Kurzum: Ich bin gern in der Welt von Atlas Fallen unterwegs — obwohl gigantische Gegnerkrabben aus Zaubersand alle naselang zum Kampf herausfordern. Denn — auch das stimmt — ich nehme ihn nur zu gern an. Das Momentum-System in den sehr lose dem Muster von Devil May Cry entlehnten Hack-and-Slash-Mechaniken ist nämlich ein cooler Dreh. Mit jedem Treffer, den ihr landet, ladet ihr eine blaue Leiste am unteren Bildschirmrand auf. Entlang dieser Leiste arrangiert ihr drei aktive und acht passive Skills, die hier Essenzsteine heißen und jeweils etwas anderes tun. Erreicht der Füllstand der Momentum-Anzeige einen Essenzstein, wird dessen passiver Bonus aktiv oder könnt ihr die damit verbundene Attacke auslösen.

Manche Strukturen hebt ihr aus dem Sand, damit sie euch als Plattform dienen. Aus dem Konzept hätte man noch ein wenig mehr machen können. Einen zweiten Teil, der die Schwächen des Seriendebüts angeht, sähe ich sehr gerne.

Das Gute daran: Ihr findet unzählig viele dieser Essenzsteine und habt deshalb wahnsinnig viele Möglichkeiten, den Kampf selbst zu gestalten und nach Synergien zu forschen. Einige Steine drehen sich um das Verlangsamen von Gegnern, andere erzeugen heilende oder schadende Areale oder feuern in einer Taktung, die sich mit jedem Upgrade steigert, Projektile auf eure Feinde. Ich gebe zu, dass ich mich manches Mal ein wenig zwingen musste, meine Momentum-Leiste anzupassen, wenn ich mich einmal auf ein Loadout eingeschossen hatte. Aber insbesondere die Klunker, die Bosse fallen ließen, waren immer wieder die Überlegung wert, das System ein wenig neu zu arrangieren.

Viel dreht sich darum, die durch rotes Leuchten signalisierten Angriffe in einem großzügigen Zeitfenster zu parieren. Ich habe trotzdem etwas gebraucht, bis ich das System verinnerlicht hatte. Der Parry-Move funktioniert nur dann augenblicklich, wenn ihr ihn nicht versemmelt. Dann setzt nämlich ein kurzer Cooldown ein, der ordentlich aus dem Rhythmus wirft. Zugleich kämpft ihr meist nicht nur gegen ein großes Haupt-Monster, sondern auch noch gegen diverse kleinere und zum Teil fliegende Wesen, die eine Mischung aus Distanz und Nahkampfangriffen parallel zum Platzhirsch auf euch loslassen. Verzettelt man sich einmal, bedeutet das vor allem in späteren Phasen schnell das Game Over – denn je weiter eure Momentum-Leiste gefüllt ist, desto mehr Schaden teilt ihr nicht nur aus, ihr steckt ihn auch ein.

Es fehlt ein wenig an Leben. Zumindest an Leben, das man nicht in alten Assassin's Creeds schon sprudelnder gesehen hätte. Immerhin: Die Umgebungen sind immer wieder imposant.

Insgesamt ist das schon ein recht verkopftes Kampfsystem, das mit flinken Ausweich-Dashes und eben erwähnten Paraden, von denen drei in Folge selbst gigantische Sandfeinde für einen Moment einfrieren, Raum schafft, sich eine gute Taktik zurechtzulegen. Mir gefällt das ziemlich gut, obwohl ich zugeben muss, dass nicht jeder neue Essenzstein meiner Meinung nach auch wirklich für einen Einsatz infrage kam. Vielleicht seht ihr das aber auch anders und haltet mein “Loadout” für komplett verantwortungslos. Das Finden des eigenen Lieblings-Builds, in Ergänzung zu den immer neuen Rüstungen (leider oft ein lineareres Upgrade darstellen, als sie müssten), ist ein tragender Teil des Erlebnisses, der mich motiviert hat.

Und doch gehen auch an dieser Stelle vor allem nach hinten hinaus ein paar Probleme los: Nach den vielen, vielen Kämpfen hat man die Systeme so verinnerlicht, dass sich das Spiel nicht anders zu helfen weiß, als die Signale der Gegner durch Effekte und etwas zu großzügig nachspawnende Untertanen zu verschleiern. Eine fünf Schwünge lange Schlagserie einer haushohen Sandkrabbe abzuwehren, wenn zugleich Rammgegner anstürmen und Flugmonster aus der zweiten Steine schleudern, fühlt sich nicht immer fair an. Auch weil in der Action-Dichte viele “Tells” der Feinde (Blink-Signale, verräterische Animationen oder leuchtende Gefahrenzonen) bisweilen untergehen. An einem Boss habe ich sage und schreibe zwei Stunden gesessen.

Zu den interessanteren Nebenaufgaben gehört das Heben einer Serie an versteckten magischen Steinen, von denen jeder einen Lichtstrahl zum nächsten schickt. Hier habe ich mich immer wieder mal kurz in die hübschen Parcours verbissen.

Und noch etwas muss ich sagen: So gern ich den Kampf auch spiele, irgendwann wurde er mir dann doch ein wenig zu eintönig. Was vor allem daran liegt, dass Atlas Fallen neben seinen guten Kämpfen, einer Welt mit vielen schönen Ansichten und erfrischender Bewegungsfreiheit wenig anderes zu bieten hat. Die Quests und Aufgaben, die sich nicht mit dem Besiegen der Feinde, Finden von Gegenständen oder mit Geschicklichkeitsparcours befassen, kann man an einer Hand abzählen. Als ich die eine Stadt vor dem sicheren Untergang rettete, indem ich einen gigantischen Dämonen besiegte, der sie dem Erdboden gleichzumachen drohte, lautete der erste Questvorschlag doch tatsächlich, einem Gemüsehändler mit einem Apfeldieb zu helfen. Danke, aber nein danke!

Ansonsten regiert Sammelkram, den Deck13 wie mit der Konfettikanone auf der Karte verteilt hat. Den Mangel an zumindest vorgetäuschtem Leben in dieser Welt kann er nicht verschleiern. Der Kampf hat demnach ein wenig zu schwer zu schleppen. Auch die Handlung oder Charaktere gehen ihm nicht zur Hand. Die Hauptfigur ist eine Chiffre, die Nebenfiguren arg passiv und ihre Beziehungen untereinander zünden nicht. Dramatisch gemeinte Momente zerschellen mit inszenatorischen Schwächen und einschläfernden Dialogen an einer Wand aus Teilnahmslosigkeit. Die Spannungskurve der Geschichte bleibt durchweg flach, wobei es wiederum für das Spiel an sich spricht, dass man dennoch gern weitermacht. Aber man wünscht sich immer wieder eine so optisch aufregend aus den Fugen geratene Welt hätte auch eine Dramaturgie bekommen, die sie stützt.

Auch den Watcher, dessen Präsenz ich in der Preview-Version noch so bedrohlich empfand, spielt über weite Teile von Atlas Fallen kaum mehr eine Rolle.

Lobend zu erwähnen ist noch der Koop-Modus, der zwei Freunde mit nur grob vergleichbarer Progression gleichermaßen willkommen heißt, leichte Level-Unterschiede für sie ausgleicht und sich auch den Story-Fortschritt für beide merkt. Ein Matchmaking gibt es aber leider nicht, weshalb ich da mangels Spielpartner in der Testphase auf Benjamins Eindrücke von einem Event verweise. Ich finde das als Ergänzung nett, bin aber nicht sicher, ob zwei Spieler, das Problem der Lesbarkeit einiger der größeren Kämpfe nicht noch verschärfen. Dennoch: Der Koop und wie Deck13 ihn aufgezogen hat, ist definitiv auf der Habenseite von Atlas Fallen zu verbuchen, nachdem sich so viele andere, teils deutlich größere Studios immer noch weigern, den Kampagnenfortschritt für alle Koop-Teinehmer zu speichern.

Technisch ist auf dem PC alles so weit in Ordnung, wenngleich nicht komplett rosig. Man sollte schon bereit sein, das Spiel auf 60fps zu arretieren (am besten per Control Panel!), um einige Stotterer bei Kameraschwenks zu beseitigen und warum Atlas Fallen trotzdem noch oft genug unter die 60 Bilder wegknickt, kann ich mir nicht erklären. Weiterhin poppten einige Texturen etwas spät ins Bild und blieben einige Figuren ohne Gesichtsanimationen, die sonst schon oft genug eher steinern daherkommen. Ansonsten lief der Titel aber stabil und ohne Abstürze bei mir. Auch etwas zu lange Ladezeiten nach einem Bildschirmtod könnte man bemängeln.


Interesse? Atlas Fallen gibt es auf Steam für 49,99 Euro, im PlayStation Store für 59,99 Euro und im Xbox Store für ebenfalls 59,99 Euro.


Ich war trotzdem gerne hier.

Atlas Fallen – Fazit:

Und doch: Ich mag Atlas Fallen nicht zu knapp. Hier stecken Liebe und gute Ideen drin, die eine Bühne verdient haben. Über weite Strecken ist das ein wunderbar verspieltes, Hack-and-Slash, das man in dieser Form woanders noch nicht bekommen hat. Deck13 hat gewissermaßen die Kür vorangestellt, sie unter Applaus gemeistert und darüber das Pflichtprogramm an zwei, drei Stellen ein bisschen verstolpert. Einfallsreichtum, Talent und anpackendes Naturell sind zu jeder Zeit zu erkennen, und auch wenn es sichtlich an den Mitteln für mehr mangelte, ist das Resultat – wenn man sich drauf einlässt – ein sehenswerter Action-Beitrag aus Deutschland.

Atlas Fallen
PROCONTRA
  • Einnehmendes Kampfsystem, das sich euren Vorlieben anpasst
  • Elegante, flinke Fortbewegung
  • Sich hübsch reckendes Welt-Design, das einlädt, die Bewegungsfreiheit auszukosten
  • Gut umgesetzter Koop-Modus
  • Interessante Plot-Prämisse…
  • ... aber Charaktere, Geschichte und deren Präsentation sind eher dröge
  • Probleme bei Abwechslung und Lesbarkeit einiger Kämpfe
  • Generisches, von Sammelkram dominiertes Drumherum
  • Banales Quest-Design
  • Performance könnte für diese Sorte Spiel besser sein

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