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Hübsch, aufregend, hardcore: Prince of Persia: The Lost Crown ist das Ende von Ubisofts kreativer Durststrecke

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber gut zu sehen, dass sie es noch können.

Kleine Anmerkung vorweg: Als ich diesen Artikel schrieb, war das Spiel noch nicht angekündigt. Dass die Reaktion auf The Lost Crown so negativ ausfiel – zum Teil aus offensichtlich rassistischen Gründen – brach mir das Herz. Denn dieses Spiel der Rayman-Macher in Montpellier scheint richtig, richtig gut zu werden. Warum, das lest ihr im Folgenden.


Ich weiß, der eine oder andere hatte sich auf das mittlerweile in der Wüste seiner Ambitionen verschollene Remake von Sands of Time gefreut. Aber offen gestanden: Nachdem ich Prince of Persia: The Lost Crown vor zwei Wochen bei Ubisoft Montpellier anspielen durfte, habe ich wenig anderes im Sinn als diesen offensichtlich bestens gelungenen Reboot eines der großen Klassiker des Hüpfer-Genres.

Das Studio, dem wir Beyond Good & Evil, Valiant Hearts und Rayman zu verdanken haben, zeigt sich im neuen Prince of Persia von seiner besten Seite. Nach gut zwei Stunden in diesem 2,5-D-Metroidvania fühlt es sich tatsächlich an, als wäre “das gute Ubisoft” zurück, das vor knapp zehn Jahren urplötzlich einer der zuverlässigsten und einfallsreichsten Publisher war und sich mit Rainbow-Six-Siege sogar in die Herzen von Hardcore-PC’lern spielte. Ich habe keine Ahnung, ob und wie viel sich für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Publishers seit den Anschuldigungen von 2020 zum Guten gebessert hat, kreativ gibt das Team in Montpellier jedoch Vollgas. Es steckt viel Leidenschaft und Cleverness in The Lost Crown.

Es überrascht, wie technisch The Lost Crown daherkommt. Das neue Prince of Persia ist ein präzises, motivierendes Metroidvania moderner Machart.

Ihr beginnt zwar nicht als Prinz, aber immerhin im alten Persien, wenn ihr als Sargon, ein Mitglied eines siebenköpfigen Trupps an Unsterblichen zum Berg Qaf geschickt wird, um den entführten Thronfolger zu retten. Dort hat jemand allerdings offenbar an der Zeit herumgefummelt, die Gegend liegt in Trümmern und die Toten erheben sich zu blutrünstigem neuem Leben. Die “Immortals” teilen sich auf und so ist Sargon vornehmlich alleine in einem wundervoll vor sich hin fließenden Metroidvania mit starkem Kampffokus und kniffligen Platforming-Puzzles unterwegs.

Das Spiel fühlt sich tatsächlich beneidenswert gut an: Die Sprünge, der Sprint, die Möglichkeit, dank Sargons Superkräfte auch auf bloßer Luft einen Wallrun zu vollführen (der Ausweich-Dash in der Luft!), das flutscht alles bestens und erinnert an die auf den Punkt exakt getimten Sprungpassagen eines Rayman Origins. Nur eben freier und mehr auf Beobachtungsgabe setzend. Einige der Sprung-Puzzles, bei denen man zwischen roten und blauen Plattformen durch Läuten einer Glocke umschalten muss, erinnerten mich auch an Guacamelee.

Jetzt aber Tempo. Das Platforming ist exzellent getimt. Man rauscht nur so durch und fühlt sich trotzdem gefordert.

Oft bleibt man stehen, schnauft kurz durch, weil die Passage schwierig aussieht und geht dann im Kopf einmal die Tastensequenz durch: “Okay – fallen lassen, Dash nach links unter dem Hindernis durch, die dann treffbare Glocke mit dem Bogen auslösen und so sicher auf der nun heraus gefahrenen blauen Plattform landen”. Das und komplexerer Kram, den ihr mit Geduld und Umsicht trotzdem löst. Das ist ziemlich befriedigend und stählt für künftige Herausforderungen.

Im Kampf nutzt ihr nicht nur den Ausweich-Move mit kurzen Animationsphasen vollkommener Unbesiegbarkeit, sondern auch eine Parade, die Attacken neutralisiert sowie Projektile zurückschleudert. Ihr füllt mit bestimmten Aktionen eure Athra-Leiste auf, mit der ihr einen offensiven (günstiger) Super-Move oder euch mit einem Zauber heilen dürft (teurer), weshalb ihr regelmäßig und Risiko und Nutzen zwischen ihnen abwägen müsst. Das coolste Manöver ist aber der Teleport: Mitten in der Bewegung setzt ihr, wo ihr mögt, ein in der Zeit eingefrorenes Abbild Sargons ab, das dann als Zielmarker für einen späteren Teleport zurück an diese Stelle dient. Und wenn ihr merkt, dass jegliche Aktion, die ihr zuvor quasi mit eingefroren habt, nach dem Teleport noch einmal ausgeführt wird, beginnen sich einem die Möglichkeiten dieses Systems vollends zu erschließen.

Mit dem Teleport-Skill werden Speedrunner und Schönspieler eine Menge Spaß haben. Nett auch der Effekt, dass die Musik in dem Moment des Teleports kurz rückwärts läuft.

Denn sobald man ein wenig darüber nachdenkt, merkt man, dass dies ein paar extrem coole Tricks ermöglichen wird: Springt in die Luft, zieht Sargons Bogen für einen Schuss, setzt vor dem Abfeuern den Teleport-Dummy und ihr führt den Schuss nach dem Teleport direkt ein zweites Mal aus. Einer der Entwickler demonstrierte uns in einer Szene, wie er sich mithilfe des Teleports und der Parade Sargons seine Chakram-Wurfwaffe selbst zuspielte und diese reflektierte. Einen Feind bei diesem Manöver in die Mitte zu nehmen, ist eine der coolsten Arten, sich seiner zu entledigen. Youtube-Angeber werden ihre wahre Freude mit diesem smarten System haben.

Wie mir Abdelhak Elguess, Senior Producer von Prince of Persia: The Lost Crown, verriet, war es von Anfang an die Philosophie des Studios, dass alle Systeme des Spiels miteinander kommunizieren. Der Teleport kommt deshalb natürlich auch bei Umgebungspuzzles ins Spiel, zum Beispiel, indem ihr mit ihm hinter bewegliche Hindernisse gelangt. Da war zum Beispiel eine Wand, über die man selbst nicht springen könnte, und die von links nach rechts und wieder zurückfuhr: Setzt auf der Mitte ihres Weges euren Teleport-Marker, wartet, bis sie vorbeigerollt kommt und spult Sargon dann zur Markierung zurück, um auf der anderen Seite der Wand wieder zu erscheinen.

Gegner in die Luft schleudern und oben Spaß mit ihnen haben.

Interessant fand ich auch das System der Amulette. Diese verleihen nicht nur lineare Upgrades eurer Basiswerte, sondern verändern als passive Skills auch leicht die Art, wie ihr spielt. Um Sargons Hals hängt eine Kette, an der sieben Amulett-Slots frei sind. Mächtigere Amulette belegen mehr Slots und so puzzelt ihr euch eure bevorzugte Kombination an Boni zusammen. Mein Favorit war das Amulett, bei dem der Weg zurück zum Teleport-Marker von einem Laser nachgezogen wird, der alle Feinde beschädigt, die auf gerader Linie zwischen euch und dem Teleportziel liegen. Kleinere Gegner wirft er sogar in der Luft, wo mein Sargon dank eines anderen Anhängers, der Attacken in der Luft stärkt, eine Menge Spaß mit ihnen hatte.

Nicht schlecht, oder? Die verspielten Fähigkeiten Sargons, zusammen mit dem griffigen Kampfsystem und einer Hüpfhürden-Architektur, die ich nur als “tight” bezeichnen kann, gipfelten in einem Moment, in dem ich kurz innehalten musste. Ich kam mir plötzlich wahnsinnig cool vor – als hätte ich eine Inselbegabung für kämpferische Jump-and-Runs dieser Art – und fragte mich, ob wohl noch jemand anderes der anwesenden Pressevertreter so verdammt gut in diesem Spiel war wie ich. Waren sie. Jeder und jede Einzelne ließ es cool aussehen. Und das soll nicht heißen, das neue Prince of Persia wäre einfach. Man ist zu jeder Zeit gut gefordert. Das ist ja der Scherz. Es ist nicht zu leicht, und man wirkt trotzdem wie ein Badass – nicht wie ein durchgedrehter UFC-Champion der eine Klasse Grundschüler vermöbelt. Es ist ein schönes Gefühl von Coolness, das The Lost Crown einem schenkt.

Diese Szene aus dem Trailer verdeutlicht gut, wie nah das Spiel an den letzten beiden Rayman-Titeln ist.

Nicht wenige Redakteure fanden sich selbst sogar so toll, dass sie Ubisoft fragten, ob sie den schweren Modus ausprobieren dürften, in dem man weniger Gesundheit hat, die Parade-Timings strenger sind und Treffer mehr Energie abziehen. Sie verbissen sich richtig ins Spiel. Ich glaube, das war auch der Moment, in dem ich realisierte, dass The Lost Crown etwas wirklich Besonderes werden könnte.

Mich hat diese Erkenntnis so früh im Event ziemlich überrascht, denn auf den ersten Blick fand ich vor allem den Look der Figuren und die Anime-Anleihen sehr gewöhnungsbedürftig. Bei Special Moves fährt die Kamera nah an Gesichter heran, werden Bewegungen mit aggressiven Speedlines versehen und der Hintergrund mit wutentbrannten Farben knallig überschwemmt. Diese stilistische Mixtur war nichts, was mich von Beginn an ansprach. Aber diese Vorbehalte schmolzen mit jeder Minute dahin, die ich Sargon durch die ersten zweieinhalb Biome dieses Pop-Persien steuern durfte. Und die Bosskämpfe, die ich ungern allzu detailliert beschreiben würde, haben mir ebenfalls viel Spaß gemacht.

Stilistisch ein gewagter Mix, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Es spielt sich auch einfach zu gut, um dem Titel nicht ein wenig entgegenzukommen.

Das Spiel steckt außerdem voller schöner Einfälle und Details. So ist es geradezu auffällig, wie sehr die Umgebungs-Artists darauf achteten, dass buchstäblich jeder Hintergrund irgend einen Punkt von Interesse aufweist und sich jeder Raum stark voneinander unterscheidet. In einem Spiel, in dem man derart schnell unterwegs ist, und oft genug zurückkommen muss, ist ein derart hoher Wiedererkennungswert der einzelnen Gegenden nicht nur für die Augen schön, sondern auch für die Orientierung sehr wertvoll. In Montpellier weiß man das. Tatsächlich gibt es sogar ein Feature, in dem man sich Stellen auf der Karte mit Screenshots markieren darf, um die Navigation zu erleichtern. Eine coole Idee, die sich andere Games mit Karten gerne abschauen dürften.

Was die Darstellung eines mythologischen Persiens angeht, mühte man sich bei Ubisoft Elguess zufolge, so respektvoll wie möglich an die Sache heranzugehen. Seine Bemühungen, iranische Concept-Artists anzustellen, hätten aber leider keinen Erfolg gehabt. Das Team bestehe zwar aus Leuten mit vielen unterschiedlichen kulturellen Hintergründen – Elguess selbst ist Marokkaner –, aber der einzige direkte iranische Beitrag zum Spiel kommt von der Musikerin Mentrix, die neben Gareth Coker (u.a. Ori and the Blind Forest) für die markante Klangkulisse verantwortlich zeichnet.

Der Mantikor, eine persische Sagenfigur.

“Wir haben Experten angeheuert, um die Mythologie zu verinnerlichen und haben dabei erkannt, wie universell sie ist”, so Elguess. “Wir haben herausgefunden, wie sehr persische Legenden alle anderen Mythologien beeinflusst haben. Viele Menschen halten zum Beispiel den Mantikor für eine griechische Figur, dabei stammt sie aus der persischen Mythologie. Wir hoffen, all unsere Arbeit, weckt bei den Spielern das Interesse, mehr über die persische Kultur und Mythologie zu erfahren”, erklärt der Produzent. Außerdem werde das Spiel Sprachausgabe in Farsi erhalten, eine Entscheidung, die schon zu Beginn der Entwicklung Anfang 2020 getroffen worden sei. Wer mag, kann das Spiel auf diese Weise im persischen “Original” mit Untertiteln seiner eigenen Sprache spielen.

Auch aufseiten der Technik kann ich Positives berichten: Das Spiel peilt auf allen Konsolen 60fps an, was auch die Nintendo Switch betrifft. Ich konnte eine Version im Handheld-Modus von Nintendos-Konsole bereits ausprobieren und das Spiel fühlte sich jetzt schon sehr flüssig an. Ich muss sagen, dafür, dass ich bis vor Kurzem nicht wusste, dass dieses Spiel existiert, freue mich jetzt umso mehr auf Prince of Persia: The Lost Crown.

Prince of Persia: The Lost Crown erscheint am 18. Januar 2024 für PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series sowie Nintendo Switch und PC und wird 50 Euro kosten.

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