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Sonic: Lost World (PC) - Test

Gönnt euch Farbe für den Winter!

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Eine tadellose Umsetzung des so ungewöhnlichen wie gelungenen Jump and Runs, die auch kleinere Hardware bei vollem Tempo mitspielen lässt.

SEGA? Sind das nicht die, die Total War machen? So könnte man inzwischen den ehemals so stolzen Konsolenproduzenten, Mitgestalter der Videogame-Welt der 90er und Renn-Igel-Besitzer sehen. Nach dem letzten Totaldebakel Sonic Boom für die Wii U besann man sich zwar darauf, dass auch Spiele, die nicht bei Creative Assembly entstanden, wohl ein Mindestmaß an Qualität brauchen. Aber die Ergebnisse dieser wichtigen Erkenntnis lassen noch auf sich warten. Deshalb sehen wir die PC-Version von Sonic: Lost World mal als Lückenfüller.

Sonic: Lost World war und ist eigen. Eine Art Kreuzung aus Mario Galaxy mit Sonic-Elementen. Nicht so frei erkundbar, mehr auf eine Art leicht fehlgeleitetes Parcours-Laufen mit ein wenig zu viel Stop-and-Go dabei. Teilweise nur so vor kreativen Ideen strotzend und sogar einigen spielerisch brillanten Passagen, dann kam wieder etwas belangloseres Herumhüpfen und auch der eine oder andere etwas unfaire Abschnitt. Das Spiel hatte ein Talent dafür, euch ins Glück springen zu lassen, nur um das dann mit einer gelegentlichen Landung im Hüpf-Frust enden zu lassen.

Story? Gibt es. Aber es ist ein Sonic-Spiel, also vergessen wir schnell und gnädig, dass sie da ist. Sechs Welten sind es und eine Menge Elemente aus dem Wii-Beinahe-Klassiker Sonic Colors haben sich in diesen modernsten Sonic gerettet - und nein, Sonic Boom zählt nicht, das ist ein Rückschritt zu unseligen 360-Frühzeiten. Da wäre der Doppel-Sprung, dem nun von zwei separaten Geschwindigkeiten assistiert wird. Statt Sonic per Stick-Druck beschleunigen zu lassen, kann er mit dem Trigger direkt durchstarten, während das reine Lenken mit dem Stick dem diffizileren Herumlaufen und Springen dient, was näher an „normalen" 3D-Hüpfern dran ist. Die Wisps sind auch dabei und sorgen immer wieder für Auflockerung, wenn ihr euch durch den Boden bohrt, Wasserabschnitte durchtaucht oder per Rakete startet. Von Zeit zu Zeit schwenkt die Kamera immer wieder mal in einen 2D-Abschnitt, der sich dann sehr klassisch anfühlt, obwohl natürlich Dinge wie Doppelsprung und Homing-Attacke immer noch funktionieren.

All das zusammen ergibt das wahrscheinlich kreativste und abwechslungsreichste Sonic seit Adventure, nur, dass die Elemente hier deutlich harmonischer zusammenfinden. Es gibt viel zu erkunden und zu sammeln oder einfach nur zum Durchpowern, das Spiel geht da mit eurem Tempo im Gleichschritt und so solltet ihr einfach gucken, wie ihr es am liebsten spielt. Es gibt nicht so viele Spiele, die euch das so vielfältig erlauben, schon gar nicht im Sonic-Universum. Es ist dabei auch leicht, Sonic: Lost World zu hassen. Manche Abschnitte sind eben doch definierter als andere und fühlen sich mitunter so an, als würden sie gegen euch spielen. Andere sind schlicht schlecht designt. Die Masse jedoch bietet mindestens gutes 3D-Hüpf-Vergnügen und gelegentliche Ausflügen bis zumindest an die Grenze der Genialität. Ein Spiel, das man sich ein wenig Erarbeiten muss, das man nicht (nur) wie ein normales Sonic sehen und spielen darf, dann habt ihr hier eine auf der Wii U etwas untergegangene Perle vor euch.

Und dann ist da der Nightmare-DLC, der in dieser Version gleich mitgeliefert wird. Nennt es einen Trip, ich habe auch keine Ahnung auf was der entworfen wurde. Entweder Acid oder es war einfach eine lange Nach mit zu viel leicht überfälliger Anchovis-Pizza, zu viel Sonic und viel zu viel Nights zocken. Das Ergebnis ist ja bekanntlich ziemlich ähnlich. Ich kann euch nur raten, das erst zu zocken, wenn ihr schon ein wenig Routine habt und ein paar Levels ins Spiel hinein seid, auch wenn es euch gleich nach Stage 1-1 angeboten wird. Es ist großartig, aber... anders. Ich weiß nicht, ob ich viel Geld extra dafür ausgeben würde, aber da man das hier nicht muss, sage ich einfach: Viel Spaß, mehr will ich nicht verraten.

Die Umsetzung von der Wii U auf den PC bereitet, was die Steuerung angeht, keine Probleme. Da das aufwändige Wii-U-Pad praktisch nur alibimäßig und für einen missratenen Koop genutzt wurde, reicht es, sich ein vernünftiges Pad zu greifen und die gleiche Freude wie auf Nintendos Konsole zu haben. Die Technik dort war schon sehr solide, auf dem PC sieht es noch einmal deutlich polierter aus. Dieses Sonic in WQHD lässt einen schon wundern, ob es nicht doch mal Zeit für eine Dreamcast 2 wäre, aber da das wohl nicht mehr passiert, ist SEGA auf Steam wohl das Nächstbeste, was derzeit zu holen ist. Ihr habt dabei den Mix aus 2D-Hinter- und Vordergrundelementen, die eher mau skaliert werden, aber nicht stören und dem eigentlichen Spiel und der Welt, die in den hohen Auslösungen fantastisch wirken, gerade mit den satten Farben. Es ist eine 99-Prozent-Anpassung, mit der man sehr gut leben kann und die auch bei hohen Auflösungen auf mittleren und sogar kleineren PC noch mit felsenfesten 60 Frames und praktisch ohne Ladezeiten läuft.

Die Steuerung ist aufs Pad optimiert und das Spiel sollte auf jeden Fall mit einem solchen gespielt werden. Da es eh kaum Touch-Spielerein auf der Wii-U gab, ging nichts verloren, nur mit Keyboard solltet ihr einfach nicht spielen. RTS wird nicht mit Steuerkreuz gespielt, Sonic nicht ohne, ist einfach so. Dann funktioniert es aber auch tadellos.

Ich wünsche Sonic: Lost World auf dem PC nur das Beste. Nicht nur, weil es ein ausgezeichnetes, etwas ungewöhnliches, sicher nicht immer perfektes, aber immer und meist mit großem Erfolg bemühtes Hüpf-Spiel der etwas anderen Art ist. Eine Mischung aus Marios Galaxy, Sonics eigenen Elementen und ein paar Sachen, die das alles irgendwie gelungen zusammenhalten. Es ist völlig richtig, dass es kein traditionelles Sonic-Spiel ist, aber das will es auch nicht sein. Nehmt es als etwas Frisches, vor allem auf dem PC und gerade in dieser Politur fast Einzigartiges und ihr werdet eine Menge Spaß und auch ein klein wenig Frust dabei haben. Zu sehen wie verdammt gut das alles trotz eigentlich für moderne Verhältnisse recht schlichter Technik aussieht, da möchte man doch gleich, dass noch viele weiter Umsetzungen und dann auch SEGA-Eigenentwicklungen für den PC kommen. Gerade mit den Steam-Machines im Hinterkopf könnten Sonic und auch andere alte Japan-Franchises hier eine neue Heimat finden. Weit weg von Handy-Free-to-Play-Gewimmel und ohne die Zwänge großer Konsolen-Triple-A-Verpflichtungen.

Insoweit, gutes Spiel, gute Umsetzung und satte Farbe für die kalte Jahreszeit. Viel Spaß!

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