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Wenn Gods Will Fall doch nur so gut wäre wie seine Rogue-Ideen...

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Gods Will Fall ist längst nicht alles, was es sein könnte. Es sieht alles ein bisschen klobig und nach PS3 aus, die Bewegungen sind steif und das Kampfsystem nicht doof, aber ein etwas eindimensional. Seine Bosse sind bisweilen frustrierend, weil viele Attacken ungenau und unfair wirken und ich bin nicht sicher, ob es wirklich den gigantischen Wiederspielwert bietet, auf den Spiele wie dieses normalerweise abzielen.

Und doch tue ich mich schwer, es komplett abzukanzeln, denn irgendwo ist es mir grundsympathisch. Es ist die Sorte koddriges Klappergerüst von einem Spiel, durch das man die Vision der Designer immer noch deutlich durchblitzen sieht. Hier hatte jemand ein paar exzellente Ideen, auch wenn es bei der Umsetzung haperte.

Inhalt

Vor allem zum Thema Roguelike fielen ihm ein paar sehr interessante Dinge ein. Ein Genre, bei dem sich nicht erst seit gestern viele Spieler direkt ausklinken. Wie oft lese ich hier in den Kommentaren Dinge wie, "Design/Szenario/Idee sehen toll aus - wenn's doch nur kein Roguelike wäre"! Der Reflex ist irgendwo verständlich. Wenn man mit Spielen mit klarer Autorenschaft aufgewachsen ist, mit handgemachten Geschichten und Charakteren mit klassischer Heldenreise, steht man Zufallselementen kritisch gegenüber. Man erwartet von Games vor allem Eskapismus, will sich wegbeamen lassen an einen fremden Ort. Und der soll dann bitte alles andere als beliebig sein.

Die Roguelikes entwickeln sich weiter - und Gods Will Fall hat Anteil daran

Seit einer Weile passiert allerdings etwas in dem Genre und auch an Gods Will Fall kann man es gut erkennen. Die Welten werden besser, Rogue Legacy fing an mit persistentem Fortschritt auch über einzelne Runs hinaus. Dead Cells perfektionierte den Gedanken und letztes Jahr flößte Supergiant mit Hades einem sich endlos wiederholenden Hack-and-Slash-Zyklus nicht zu knapp Handlung, Emotionen, ja - einfach "Seele" - ein, die auch zwischen der Action das Interesse nicht weniger hochhielt, als in einem endlichen Slasher mit 16 Levels in vier Welten.

Die technischen Ambitionen sind überschaubar - es muss ja auch auf Switch laufen.

Auch Gods Will Fall will nun Härte, Zufall und Handgemachtes auf neue Art vereinen und macht zumindest dabei tatsächlich einen so tollen Job, dass ich mir wünschen würde, diese Gedanken in anderen Titeln weitergeführt zu sehen. So kriegen wir irgendwann endgültig auch die Rogue-Verächter!

Grundliegend sollte man erstmal sagen, dass die Level und die Oberwelt tatsächlich von Hand gemacht sind. Aber eure Helden, die kommen aus dem Computer. Und zwar komplett. Doch ist es gerade dieser Plural, der dem Spiel eine besondere Note verleiht. Acht gestrandete Wikinger unterschiedlichen, verzufallten Baus, Bewaffnung und Aussehens ziehen über eine Insel von Boss-Dungeon zu Boss-Dungeon, um die alten Götter zu bannen. Überlebt einer den Run, steigern sich seine Werte und es geht gestärkt zum nächsten Biest. Geht man drauf, ist die Figur im Lair gefangen, Aussicht auf (die alles andere als gesicherte) Rettung gibt es nur, wenn einer seiner Kollegen mehr Glück hat als er. Sind alle Nordmänner geschlagen, heißt es Game Over und ihr startet ein neues Spiel.

Mitten ins Herz

Durch diesen Zyklus baute ich auch ohne handgeschrieben Charaktergeschichten mit CG-Film-Vorbau eine innige Bindung zu meinen Leuten auf, denn auch die machen ein Event aus jedem Fight: Jeder Aufbruch in einen neuen Dungeon wird von den Kollegen ermutigend beklatscht, jede triumphale Rückkehr jubelnd gefeiert - und jedes Tor, das sich öffnet, nur um gähnende Leere in die Herzen der befreundeten Krieger zu entlassen, mit ratlosem Kopfschütteln und Wehklagen beweint. Ich fand das wirklich aufwühlend, wie viel Charakter und Emotion in den Abschieden, Begrüßungen und Enttäuschungen liegt.

Die Bossdesigns können sich sehen lassen...

Der nächste Geniestreich in einem ansonsten basisspielerisch arg mit Wasser kochenden Titel sind die Beziehungen der Figuren untereinander, denn wo der Verlust eines Kameraden die Werte einer Figur schwächt, stachelt die Wut in einer anderen Situation einen Freund zu wahren Übermenschentaten an. In Verbindung mit den Gegenständen und Waffen, die man in den Levels findet und den Charakterverbesserungen, die Erfolge mit sich bringen, erzeugt Gods Will Fall ein ureigenes Gefühl von Progression. Nicht wahnsinnig "deep", sicherlich, aber authentisch und verdient fühlt es sich an, in Gods Will Fall seine eigene Geschichte zu schreiben.

Zudem hilft es, dass auch Menge und Stärke der Gegner, die versteckten Gegenstände und die Härte des Bosses mit jedem Start einer Kampagne randomisiert werden. Ist die Spinnenmostrosität Osseus im ersten Durchgang eventuell ein Papiertiger, wischt sie im nächsten mit euch vielleicht den Boden auf. Vielleicht erreicht ihr sie nicht mal. Auf der anderen Seite ist es extrem begrüßenswert, dass man durch möglichst gründliches Rasieren der Level-Belegschaft schon vorher den Boss aufweicht. Das habe ich so auch noch in keinem Spiel erlebt und bot einen lohnenden Anreiz, die Umgebungen bis in den letzten Winkel abzusuchen.

... aber insgesamt ist die Art Direction von einer gewissen spröden Schmucklosigkeit.

Wenn wir uns im Dezember über die Games des Jahres unterhalten, glaube ich nicht, dass Gods Will Fall unter den ersten 50 auftauchen wird. Dazu macht es zuviel wenn schon nicht falsch, dann zumindest nicht ganz richtig und lässt Politur vermissen. Aber ich werde, wenn ich im Geiste die Releases des Jahres nochmal durchgehe, ein paar schöne Erinnerungen daran abrufen und mich fragen, ob sich wohl jemand von seinen Ideen inspirieren ließ. Es wäre schön, wenn jemand daran arbeitet, seine Erfolge in einem Spiel zu verwerten, dem dann auch der Rest ein wenig griffiger gelingt als diesem tapferen, aber etwas unfertigen Experiment.


  • Entwickler / Publisher: Clever Beans / Deep Silver
  • Plattformen: PC, PS4, Switch, Xbox One
  • Release-Datum: erhältlich
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: ca. 25 Euro, keine Mikrotransaktionen
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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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