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Wo steht Battle-Royale im Esports? Apex Legends Weltmeisterschaft lässt das Genre glänzen

Achterbahn der Gefühle.

Dieses Jahr wurde ich zum Finale der Apex Legends Global Series eingeladen. Das größte Esports-Event für Respawns Battle-Royale überhaupt. Über 120 Profi-Spieler waren vor Ort, um sich den bis auf das letzte Staubkörnchen polierten Pokal mit nach Hause zu nehmen.

In vier Gruppen eingeteilt, spielten die 40 Teams, mit je drei Spielern, zwei Tage lang in der Gruppenphase gegeneinander, um sich in der Tabelle zu platzieren. Punkte gibt es für Kills und für die Platzierung des Teams im Match. Die zehn besten Teams kommen direkt in die Finalrunde. Der Rest darf in zwei großen Eliminierungsphasen noch einmal ran, bis auch die zehn freien Plätze im Finale belegt sind. Über die fünf Tage verteilt kommen so wahnsinnig viele Matches zusammen. Im Finale müssen die Teams dann versuchen, 50 Punkte erreichen. Das erste Team mit 50 Punkten, das auch noch einen Sieg holt, gewinnt das Turnier.

Um diese Trophäe haben die 40 Teams gekämpft.

Doch wie kann ein solches Turnier mit 60 Spielern pro Match überhaupt funktionieren, wieso ist gerade das Format der Apex Legends Global Series so spannend und wo steht das Genre aktuell in der Esports-Szene? Das habe ich mich während des Turniers immer wieder gefragt. Denn gerade als Zuschauer war das Erlebnis so viel intensiver und mitreißender, als ich es mir vorgestellt hatte. Das Blatt hat sich oft gewendet, ich sah Favoriten viel zu früh fallen, sah Freudentränen von total unterschätzten Teams, die es in letzter Sekunde in das Finale geschafft haben, und habe extrem mitgefiebert. Und Leute, ich habe Apex Legends zuletzt im vergangenen Jahr gespielt.

Ich habe nachts wach im Hotel gelegen und überlegt, wieso dieses Format so viel aufregender ist, als das klassische "Team A gegen Team B"-Format, bei dem ein Team weiterkommt und ein anderes nach Hause geschickt wird. Fans sehen das Team dann oft nicht mehr im Turnier wieder. In Apex hat jedes Team viele Chancen sich einen der begehrten Finalplätze zu sichern und Fans können unabhängig vom Skill der Spieler auf viele Matches ihres Lieblingsteams freuen.

Auch, wenn TSM gewonnen hat, konnten all die anderen Teams in etlichen Spielen zeigen, was sie draufhaben.

Eine kleine Prise Zufall sorgt für schön viel Chaos

Das chaotische Genre ist nicht zuletzt durch seine vielen Zufallseinflüsse so spannend - wo auf der Karte startet das Team, wie zieht sich der Ring zusammen, welchen Loot findet es - und auch viel unvorhersehbarer. Glück und Pech spielen eine kleine, aber feine Rolle, denn dieser gewollte Zufall sorgt dafür, dass jedes Team, nicht nur die Favoriten, eine echte Chance haben - sofern sie sich gut an die zufälligen Gegebenheiten anpassen.

Diese Anpassung ist das, was hier wirklich interessant ist. Klar, die Spieler wissen sicherlich jeden Quadratzentimeter der Karten auswendig, haben einen festen Satz an Fähigkeiten und können die Spray Pattern alphabetisch und rückwärts aufsagen. Doch so strategisch und zielgerichtet wie in anderen kompetitiven Shootern vorgehen, ihre Ressourcen einteilen oder bestimmte Waffen kaufen, das können sie nicht.

Für ein Turnierformat kann es unter Umständen problematisch sein, wenn nicht jedes Team dieselben Voraussetzungen hat. So läuft es ja in den meisten Sportarten ab - egal, ob nun digital oder auf dem echten Rasen. Wie bestimmt man den Sieger aber im Battle Royale? Sollte das Team gewinnen, das als letztes steht? Was aber, wenn der Sieg auf ganz viel Glück zurückzuführen ist, während ein anderes Team mit schlechteren Karten dennoch die meisten Kills geholt hat? Wäre das nicht unfair?

Karte und Legenden stehen vor dem Match fest. Der Rest ist dann dem Zufall überlassen.

Das Team hinter dem Apex-Turnier wirkt hier durch die Masse an Matches dagegen. Das Chaos lässt sich so auf viele Runden verteilen und jeder erhält einmal die Chance direkt nach dem Fall aus dem Flugzeug mit einer guten Position oder guter Ausrüstung gesegnet zu werden. Zudem hat sich Apex Legends ein Punktesystem überlegt, das Teams für langes Durchhalten, aber auch für die Menge der Kills belohnt. So können Teams sogar ganz oben in der Tabelle stehen, ohne ein einziges Spiel gewonnen zu haben. Außerdem gibt es so mehrere Vorgehensweisen, für die sich Teams entscheiden können. Gehen sie für die Punkte oder für die Kills.

Auch in Apex Legends selbst wird dafür gesorgt, dass der Zufall nicht die Überhand gewinnt. "Wir begrüßen den Zufall und wissen, dass er ein Teil von Battle Royale ist, und wir wollen diesen Aspekt nicht ändern, aber wir werden vorsichtig sein und abwägen, wenn wir ein weiteres Feature hinzufügen, das den Zufall betreffen könnte", so Eric Canavese, Lead Weapon & Loot Designer bei Respawn. "Wir denken darüber nach, wie es sich auf den Wettbewerb auswirkt".

"Manchmal bekommt man wirklich gute Karten, manchmal nicht, und was man dann daraus macht, liegt an einem selbst", fährt Canavese fort. Besonders gute Spieler sind gut darin, auch mit schlechten Situationen bestmöglich umzugehen. Sie bleiben ruhig und holen selbst in den miesesten Matches noch die bestmöglichen Punkte heraus. Und selbst der diesjährige Weltmeister, TSM, sah in einigen Spielen wirklich nicht wie ein zukünftiger Champion aus. So ist es eben. Aber dann muss man ruhig bleiben und konzentriert weitermachen.

Tools, die das Mitfiebern möglich machen

Das Turnier war sehr emotional. Selbst ich hatte zwischendurch Gänsehaut, war den Tränen nah und bin auf meinem Stuhl hin- und hergesprungen. "Wenn man sich 20 Teams ansieht, ist es sehr leicht, mitten im Spiel zu einem neuen Favoriten zu wechseln, je nachdem, was man gerade sieht", sagt Canavese. Diese Art Apex Legends zu live erleben beschreibt er als "lebendig".

Ich hatte am Ende locker fünf oder sechs Teams, denen ich den Sieg im Finale gewünscht und gegönnt hätte. Das Mitfiebern fällt einem wirklich leicht, wenn man sich nicht zwischen einer von zwei Seiten entscheiden muss, sondern jedes Wahnsinns-Manöver, wie den legendären 720-No-Scope einfach mit der gesamten Halle abfeiern kann. Auch die vielen kleinen Videos der Teams, die in den Pausen abgespielt wurden und die Spieler in lustigen Challenges oder sympathischen Interviews zeigten, haben dieses harmonische Gemeinschaftsgefühl verstärkt. Geklatscht wurde für jeden Match-Gewinner gleichermaßen, Buhrufe habe ich nur selten vernommen.

Eine geniale Idee. Die Teamnamen erlischen, sobald der Squad ausgelöscht ist. Toll wäre es auch gewesen, dieses Feature auch für die einzelnen Spieler zu haben.

Die Aufreihung der 20 Teams in der Halle, die leuchtenden Logos und Teamnamen, die nach der Eliminierung eines Squads erloschen, die vielen Bildschirme, die das Geschehen aus Sicht der Spieler und auch eine Minimap mit der Bewegung der Spieler zeigten, waren eine große Hilfe, den Überblick über das Vorgehen der Teams auf den großen Battle-Royale-Maps zu behalten und haben das Zuschauererlebnis wirklich geprägt. Einige Schwachstellen sind mir trotz der vielen Mühe dennoch aufgefallen.

Ich meine, wo würdet ihr mit der Kamera draufhalten, wenn fünf Kämpfe gleichzeitig ausgetragen werden? Bei League of Legends etwa finden kaum mehr als zwei Kämpfe zeitgleich statt, oft nur einer. Hier ist klar, was den Zuschauern gezeigt wird. Bei Apex Legends passiert so viel auf einmal, dass es nicht möglich ist, alles Spannende einzufangen. Oft wollte ich ein ganz anderes Aufeinandertreffen verfolgen, das Team entschied sich jedoch andere Kämpfe zu zeigen. Squads werden oft quasi hinter den Kulissen eliminiert. Das ist schade, aber wohl kaum vermeidbar.

Auch war es manchmal schwer, die einzelnen Teams und Spieler auseinanderzuhalten. Wer keine perfekten Augen hat, muss diese ordentlich zusammenkneifen, um die Namen der Profis auf dem Bildschirm zu erkennen. Die Schrift war klein und farblich wurden die Teams nur auf der Minikarte gekennzeichnet. Nur in der First-Person-Ansicht eines Teams, die einem bestimmten Spieler folgt und dessen Namen groß anzeigt, konnte ich mich gut orientieren. Na ja, außer wenn ich versucht habe auszumachen, mit welchem Team sie gerade in ein Gefecht geraten sind. Hier haben es Spiele mit lediglich zwei Teams in einem Match deutlich leichter.

Trotz all dieser Bildschirme war es manchmal ein Durcheinander.

Josh Mohan, Lead Battle Royale Designer bei Respawn, spricht beim Esports in Free-for-all-Games von einem noch recht "unerforschtem Gebiet". Das Genre, geschweige denn Turniere dieser Spiele gibt es ja auch noch gar nicht so lange - und Corona hat die Entwicklung hier sicher auch etwas ausgebremst. Die Zuschauererfahrung sei definitiv etwas, das die Organisatoren des Events stark beschäftigt. "Wenn man sich ALGS von Anfang an bis heute anschaut, denke ich, dass die Werkzeuge, die das Team für die Beobachter geschaffen hat, um zu versuchen, die Essenz dessen zu erfassen, was vor sich geht, und die wichtigsten Orte zu zeigen, sich im Laufe der Zeit verbessert haben", sagt er.

"Wir geben den Veranstaltern diese Werkzeuge, um es auf eine sinnvolle Art und Weise darzustellen, so wie wir schon lange TV-Teamsportarten sehen", sagt Canavese. Wie könne man aber die gleiche Dramatik, die gleiche Intensität auf der Teambühne mit 20 Teams einfangen, das sei für ihn die wesentliche Frage. Die Tools sollen deshalb immer weiter verbessert werden.

Apex Legends steht fest mit beiden Beinen im Esports

Auf Twitch hat das Finale der Apex Legends Global Series 1,9 Millionen Aufrufe, auf YouTube knapp 660.000. Freie Plätze gab es in der Arena im Birmingham kaum noch. Ein Mitarbeiter schätzte die Besucherzahl auf etwa 3.000 Zuschauer, das Event war ausgebucht, heißt es auf Twitter. Mit einem Preispool von 2 Millionen Dollar war es bisher das größte Esports-Event, das Fans von Apex je sehen durften.

"Ich glaube, es gibt einen echten Appetit auf kompetitives Battle Royale", so Canavese. Er habe nicht das Gefühl, dass der Hype für Apex Legends oder Battle-Royale bereits vorbei sei. Die "Free-for-all-Natur" des Spiels sei für Mohan, was es als kompetitives Game so einzigartig mache. Apex Legends treffe in Bezug auf den Esport "genau die Töne, die wir wollen". Dennoch gebe es immer Raum für Verbesserungen.

Für Canavese war es ein surreales Erlebnis, das Spiel zum ersten Mal auf dem Finale auf der großen Bühne zu sehen. "Wenn wir uns in unseren Büros abmühen und Sachen bauen, verliert man manchmal den Blick dafür, dass es so viele Spieler, so viele Fans, so viele andere Organisationen gibt, die Karrieren um Apex-Legenden herum aufgebaut haben."

"Das Publikum, die Liebe und die Leidenschaft, mit der die Spieler alles verfolgen, haben mir die Augen geöffnet", sagt er und hofft auch im nächsten Jahr wieder zum Turnier fahren zu können. Eine Hoffnung, die ich mit Canavese teile.

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