Red Dead Redemption

Selbst kleine Ausrüstungsgegenstände haben zum Teil beträchtliche Auswirkungen. Zum Beispiel steigt mit einem Tuch vorm Gesicht euer Wanted-Level deutlich langsamer, dafür bekommt ihr weder Ruhm noch Ehre. Diverse Tinkturen frischen euer Pferd auf, erleichtern die Aufträge oder helfen euch bei den Kämpfen. Eure Lebensenergie regeneriert sich zwar nach einer Weile von selbst, während einer Schießerei kann es aber Sinn machen, sich eine Medizin einzuwerfen oder bei einer Verfolgungsjagd mit speziellen Ölen die Ausdauer eures Pferdes zu regenerieren.

Das meiner Meinung nach beste Feature habe ich mir aber bis zum Schluss aufgehoben: Die Pferde. Diese anmutigen, perfekt animierten Wesen sind mehr als simple Fortbewegungsmittel. Als ständiger Begleiter verbringt ihr viele Stunden auf ihrem Rücken, gewinnt mit der Zeit ihr Vertrauen und verbessert damit ihre Ausdauer. Da ihr sie mit einem einfach Pfiff herbeirufen könnt, müsst ihr nur kurze Strecken zu Fuß zurücklegen. Außerdem gibt es sie in unterschiedlichen Varianten. Die eine Pferderasse ist schneller, die andere ausdauernder und eine dritte steckt mehr Treffer ein. Einige Rassen könnt ihr direkt beim Händler kaufen, andere als Wildpferde fangen, sie mit einem Mini-Spiel zureiten und dann selbst nutzen.

Neben den Vierbeinern gibt es noch diverse Kutschen mit zum Teil extrem unterschiedlichem Fahrverhalten. Während ihr mit einem Einspänner sogar Rennen fahrt, sind die vierspännigen Transporter vor allem für Waren gedacht und fordern euch bei einer Verfolgungsjagd alles ab. Wie in GTA könnt ihr für lange Strecken gegen einen kleinen Obolus eine Postkutsche besteigen, die Züge nutzen oder euch an einem selbst aufgestellten Lagerfeuer in der Wildnis schnell von einem Ort zum anderen teleportieren. Ach ja, Cowboys können scheinbar nicht schwimmen. Es gibt zwar nur einen Fluss, ein wenig Meeresufer und einen See, trotzdem schade, dass John sofort wie ein Stein untergeht.

Den Multiplayer-Modus konnte ich leider noch nicht ausführlich online testen. In London hatten wir aber schon vorab die Möglichkeit, die meisten Spielmodi auszuprobieren. Neben einem Free-Roam-Modus mit bis zu 16 Spielern und der kompletten Spielwelt warten diverse Jagd-, Deathmatch- und Taktik-Varianten auf euch. Ihr könnt sogenannte Posses bilden und euch anschließend in wilde Schießereien zu Fuß und auf dem Pferde liefern. Wie bei Modern Warfare 2 und Co. gewinnt ihr dabei Erfahrungspunkte, schaltet Waffen und Outfits frei. Am Balancing muss Rockstar zwar noch etwas arbeiten, doch unterm Strich ist der Mehrspieler-Modus eine hervorragende Erweiterung der Einzelspielererfahrung. Und trägt damit auch positiv zur Endnote bei.

Auch wenn sich Rockstar in der Vergangenheit immer heftig gegen die Bezeichnung Grand Theft Horse gewehrt hat, ist Red Dead Redemption im Kern die logische Weiterentwicklung des GTA-Konzepts. Vor allem die epische Story und die stringente Missionsstruktur, aber auch andere Elemente wie das Kampfsystem oder die schrägen Charaktere erinnern stark an Rockstars Liberty City-Epos. Und doch ist dieser moderne Western ein ganzes Stück weiter. Die Interaktion mit der Umgebung, die Jagd, das Kräutersammeln, die Schatzsuche oder die schick inszenierten Nebenaufträge machen das Spiel noch lebendiger. Die Kämpfe wirken noch brachialer, die Grafik ist mindestens eine halbe Generation weiter und das Pferd als Fortbewegungsmittel ist einfach die bessere Wahl.

Noch dazu erhöhen kleine Rollenspielaspekte wie das Inventar, Tränke oder spezielle Ausrüstungsgegenstände die Spieltiefe, ohne zu überfordern. Selbst die etwas kürzere Spielzeit ist für mich nicht negativ. Grand Theft Auto IV wurde zum Ende hin etwas langatmig; das kann euch bei Red Dead Redemption nicht passieren. Kurz: Es ist die perfekte Mischung aus Open World und Western. Eine Kombination, die an sich schon hervorragend funktioniert, wird hier in ein wirklich einmaliges Videospielerlebnis gegossen und euch gemeinsam mit dem Multiplayer-Modus wochenlang beschäftigen. Nochmal Wow!