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Baldur's Gate 3 zeigt auf, was gerade falsch in der Gaming-Industrie läuft

Baldur's Gate 3 ist zu hochwertig.

Baldur's Gate 3 ist bisher eine riesige Erfolgsgeschichte für Larian Studios, aber nicht jeder gönnt dem Entwickler die vielen Lorbeeren, wie die Zahlen bereits so kurz nach dem Release beweisen. Die hohe Qualität des Spiels ist offenbar für einige Unternehmen eher ein Grund zur Sorge, denn Spieler könnten den gleichen Standard in Zukunft ja auch bei allen großen Veröffentlichungen erwarten – so die Befürchtung.

Deshalb darf Baldur's Gate nicht zum Standard werden

Sechs Jahre Entwicklungszeit steckte Larian Studio in das riesige Projekt und übertraf am Ende die Erwartungen der Spielerinnen und Spieler. Eine riesige Welt, unendliche Möglichkeiten, etliche Spielstunden, D&D-Flair und dazu einen mehr als fairen Festpreis und keine Mikrotransaktionen weit und breit. Stellt euch mal vor, dieses Niveau sollten jetzt auf einmal alle Studios anstreben. Wo kämen wir dann nur hin?

Ein häufig zitierter Tweet zu diesem Thema stammt von Xalavier Nelson Jr., der bei Studio Strange Scaffold arbeitet. Er freut sich zwar über das schöne Produkt, das uns Larian Studio gezaubert hat, möchte jedoch darauf hinweisen, dass Spieler dies doch bitte nicht zum Anlass nehmen sollten, auf dessen Grundlage nun Kritik an anderen Entwicklern zu üben oder gar einen "erhöhten Standard für künftige Rollenspiele anzulegen".

Viele günstige Umstände, wie die lange Entwicklungszeit, die große IP, die 450 Mitarbeiter und mehr führten laut Nelson Jr. zu diesem großartigen Spiel. Fallen euch noch andere Studios ein, die viele Mitarbeiter, Ressourcen und beliebte Lizenzen besitzen? Ich finde das Blizz-hart, kann mir da EAiner helfen? Electronic Arts hat übrigens 13.400 Mitarbeiter weltweit, Blizzard zählt etwa 13.000. "Das ist keine neue Grundlage für Rollenspiele - das ist eine Anomalie", schreibt er weiter. Für andere Studios würde derselbe Aufwand ohne ebendiese genannten Vorteile den Untergang bedeuten. Auch, wenn Nelson inzwischen ein wenig Abstand von seinen Aussagen genommen hat, so hat er damit eine große Diskussion losgetreten.

James Berg, Senior Technical Program Manager for Accessibility bei Xbox, sowie Ryan McCabe, Design Manager bei Insomniac, pflichten den ursprünglichen Ansichten bei. Man könne dieses eine Spiel, so großartig es auch sei, nicht als Maßstab für jedes andere Studio und Spiel verwenden. Statt sich also anzusehen, was bei Larian Studios richtig gelaufen ist, was die Fans so sehr an dem Spiel schätzen und wo man sich an die eigene Nase fassen könnte, wird die Verantwortung auf die Spieler geschoben, die Baldur's Gate 3 verwöhnt und die ihre Erwartungen lieber wieder etwas bändigen sollten.

Vergiftet gieriges Gedankengut die Games-Industrie?

Aber sollten wir das? Dürfen wir selbst von teuren AAA-Produktionen nicht mehr erwarten, dass sie ihre großen Versprechen einhalten? Müssen wir uns mit unfertigen Launches à la Cyberpunk 2077 und Star Wars Jedi: Survivor zufriedengeben und trotz Vollpreis als Versuchskaninchen für das Bug-Fest herhalten? Nein, ich denke Baldur's Gate 3 hat hier genau ins Schwarze getroffen und zeigt auf, dass Spieler mehr wollen, als die Industrie ihnen derzeit bietet. Und damit sind nicht die Masse an Spielen, bunte Battle Passes oder Skin-Pakete gemeint, sondern die Qualitätsstandards.

Auf die Wünsche der Spieler, ihre Zeit und ihre Geldbeutel wird selten Rücksicht genommen. Mikrotransaktionen und Skins, die so viel kosten wie ganze Games, sind inzwischen zur Norm geworden. Die Geldmacherei in Spielen wird immer dreister. Die Pakete mit den kurzen Story-Missionen in Overwatch 2 beinhalten kosmetischen Krimskrams, der den Preis in meinen Augen nur künstlich in die Höhe drückt, Destiny 2 passt die Kosten für den Saisonpass so an, dass ihr mehr Silber kaufen müsst und Modern Warfare 2 machte sich zuletzt mit neuen Pay-to-win-Elementen unbeliebt. Auch Diablo 4 glänzt nicht gerade mit einem Battlepass, der so wenig In-Game-Währung bringt, dass ihr euch davon exakt nichts kaufen könnt.

Und auch der Umfang, die Leidenschaft und die Liebe für die Kunst der Videospiele scheint immer mehr auf der Strecke zu bleiben. Seht euch mal den mehr als lieblosen Versuch von Rockstar an, Red Dead Redemption ohne nennenswerte Verbesserungen und ohne Multiplayer für 50 Euro auf Last-Gen-Konsolen neu zu veröffentlichen. Hallo? Das Spiel ist 13 Jahre alt. Für den Preis bekommt ihr schon fast Baldur's Gate 3 - oder Remnant 2, von dem ich aktuell auch ein riesengroßer Fan bin.

Spieler, wenn sie die Neuveröffentlichung von Red Dead Redemption sehen. Nein, aber im Ernst, die Preisleistung wirkt unterirdisch und die Fans kommen sich verarscht vor.

Auch Destiny 2 lässt immer weiter nach, was Fans mehr als einmal kritisiert haben. Lightfall war ein Reinfall, bei den PvP-Modi wird immer mehr zurückgeschraubt, die Preise immer weiter erhöht. Im letzten State of the Game klagt Bungie über wenig Engagement im Gambit und teilte mit, dass es zu herausfordernd sei, regelmäßig kostenlose Rüstungs-Sets für die Ritual Playlist anzubieten. Im Eververse-Shop werdet ihr aber unverändert die prunkvollen Rüstungen gegen Echtgeld finden. Dafür ist dann doch wieder genug Zeit. Ich finde das sehr schade, besonders da das nur einige Beispiele für ein industrieübergreifendes Problem ist.

Welche Lehre sollten wir aus Meisterwerken wie BG3 wirklich ziehen?

Mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass viele Studios, aus welchen Gründen auch immer, es sich zur Aufgabe gemacht haben, nur so viel abzuliefern wie nötig. Einerseits gibt dieser Maßstab Entwicklern viel Raum, um auch in kurzer Zeit ein Spiel oder einen Inhalt abzuliefern und nimmt den Druck, wenn sie doch einmal scheitern. Leider kann man sich auf so einem niedrigen Standard auch einfach ausruhen. Hier wäre dann auch klar, warum man es um jeden Preis verhindern will, sich mit einem Baldur's Gate 3 zu vergleichen. Auf Augenhöhe schafft man es einfach nicht.

Zeit ist Geld, aber das viele "Underperforming" kann trotz eines kurzfristigen finanziellen Erfolges auch zu einem Vertrauensverlust, einem Shitstorm oder einem nachhaltigen Image-Schaden führen. "Overperforming" kann genau das Gegenteil bewirken, was sich sicherlich positiv auf den Konten der Unternehmen bemerkbar macht. Wer die Ressourcen für derart grandiose Auslieferungen nicht hat, müsste allerdings ein paar dicke Crunch-Schichten einlegen. Die Angst davor kann ich sogar nachvollziehen.

Was nicht vergessen werden sollte, ist, dass Qualität nicht gleich Umfang ist. Klar kann ein Team aus 30 Leuten kein Baldur's Gate 3 oder ein Elden Ring erschaffen, das sich ganz nebenbei ebenfalls ein paar missgünstige Seitenblicke aus der Branche eingefangen hat. Das erwartet aber auch niemand. Ich kenne mehr als genug Spieler, die mit riesigen Open-Worlds und hunderten Spielstunden überhaupt nichts anfangen können.

Der Fokus sollte etwas mehr auf der Qualität des Produktes sowie der Spielerfahrung der Kunden liegen und weniger auf Spielerengagement und Einnahmen. Die kommen mit einem großartigen Spiel von ganz allein, wie Larian Studios aktuell beweist. Hier braucht es weder Echtgeld-Shops noch Grind, um die Spieler zum Verweilen und Geldausgeben zu motivieren.

Besonders im Triple-A-Bereich würde es vielen Spielen guttun, wenn die Entwickler und Publisher ihre eigenen Ansprüche an ihr Spiel etwas hochschrauben würden. Vielleicht müssten sich die Unternehmen dann nicht mehr nach dem Launch jedes zweiten Spiels öffentlich für dessen Zustand entschuldigen. Ohne Spiele wie Baldur's Gate 3 kann sich die Industrie nicht weiterentwickeln. Es braucht das Übertreffen vorhandener Erwartungen, das Abweichen von der Norm und das Etablieren neuer Standards. Ansonsten treten wir doch immer weiter auf der Stelle und produzieren nur noch schnelle Spiele von der Stange.

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