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Fieser als Game of Thrones: Star Wars Andor Folge 6 macht mich vollkommen fassungslos

Schaut gefälligst hin, wenn Star Wars sich neu erfindet!

SPOILER zu Folge 6 von Star Wars Andor. Tut euch einen Gefallen und schaut die Serie endlich!

50 Minuten Spannung pur — das war die sechste Folge von Andor, die nach zwei Episoden Ruhe, Plot-Vorarbeit und Charakterentwicklung plötzlich alle Regler auf elf drehte. Kinoreif, wunderschön und absolutes Gift für die vordere Sofakante. Dabei geht es recht ruhig los. Mit einem imperialen Kommandanten, der in einem verabscheuungswürdigen Monolog schildert, wie das Imperium die für das meteorologische respektive religiöse Ereignis "das Auge" anrückenden indigenen Dhani-Pilger nach und nach zerstreute.

Die Kultur muss einem imperialistischen Bauvorhaben weichen und das sind vielleicht nicht ganz Nazi-Methoden, wohl aber Kolonisatoren-Maßnahmen, wenn man eine technologisch weniger entwickelte Zivilisation mit Täuschung und vermeintlichen Hilfen aus purem Eigennutz nach und nach untergräbt und somit verdrängt. Menschenverachtend und ein erneuter Beweis, dass die Autoren die Natur von Faschismus bestens verstehen.

Dieses Stück Blech soll als Fluchtfahrzeug dienen. Endlich baut mal kein Star Wars Plan auf die Dummheit der Gegner.

Sie begreifen nicht nur, dass das Imperium böse ist, sie zeigen uns auch, warum, ohne auf vordergründig plakativ-grausame Akte zurückzugreifen. Es ist eine graue, bürokratische Bosheit, die hier herrscht, nicht das märchenhafte, beinahe kindliche Verständnis vom Bösen, das Star Wars sonst so oft zur Schau stellte. Zugleich stellt die Show klar, dass auch Imperiale ihre Kinder lieben – nun, die Mütter zumindest – und dass es Nichtkämpfer gibt, die es zu verschonen gilt.

Dass ich mir nicht sicher war, ob Frau und Sohn des Kommandanten hier lebend rauskommen würden, spricht dafür, wie gut Andor den Ernst der Lage einfing. Als Cassian und seine Crew endlich den Bruch wagen, der das Imperium die Quartalssolde eines kompletten Sektors kosten soll, liegt im schlimmsten Fall scheinbar jede Maßnahme auf dem Tisch. Außerdem fand ich den Einsatz extrem erfrischend: Es geht einfach nur um Geld. Niemand bekommt auf dieser Mission einen Weltenretterkomplex. Es ist nur ein Nadelstich in einem langen Konflikt – und trotzdem fühlt es sich groß und wichtig an.

Überhaupt bestach der komplette Ablauf des Heists, weil er in seiner heißesten Phase so unsauber eskalierte. Das war Druck, Panik und Chaos pur und gipfelte in einigen der unrühmlichen Bildschirmtode, die zuvor ausgiebig etablierte Figuren sterben mussten. Mich beeindruckte sehr, wie Andor die Unübersichtlichkeit der Situation dafür nutzte, kein Event aus dem Ableben einiger Akteure zu machen. Das war weit weg vom pathetischen Opferungsporno eines Rogue One und fühlte sich schockierend real an.

Gorn war für die Planung und Umsetzung instrumental. Kompletter Irrsinn, wie er beiläufig und andere Charaktere den Löffel abgeben. Das wirkte hart und real.

Einige rafft es fast beiläufig rafft es einige dahin. Taramyn, dem man trotz weniger Zeilen die Rolle der rechten Hand der Anführerin gern abnahm. Lieutenant Gorn, der auf tragische Weise die Seite wechselte und Autorität und Integrität verkörperte, starben von einem Moment auf den nächsten, was andere Shows oder Filme mit Zeitlupe, letzten Badass-Moves, kurzen Schnitten aufs Gesicht des toten Helden oder Fuck-you-Momenten gern mit dramaturgischem Lametta verhängen. Schade, dass auch mein heimlicher Favorit Nemik Opfer eines unübersichtlichen Schlachtenchaos wurde. Als ihn der Container trifft, habe ich mich vor Second-Hand-Schmerz im Sitz aufgerichtet. Dass er abseits der Kamera unterm Messer eines Arztes sein Leben lässt, war so hart wie das Leben selbst. Die zwei Folgen Charakterarbeit haben sich hier wirklich bezahlt gemacht.

Gleichzeitig bin ich jetzt Sorge, ob der menschliche Preis, den der Plan in Folge 6 einforderte, kein zu hoher war. Dann wiederum haben mir die Charaktere aus den ersten beiden Episoden schon sehr gefallen, falls von denen welche zurückkehren, beschwere ich mich auch nicht. Aber hey, wir haben noch nicht über diese Flucht durch den Meteoritenhagel gesprochen: Eine so spannende und zugleich wunderschöne Sci-Fi-Actionsequenz habe ich seit Jahren nicht gesehen. Auch nicht im Kino. Mir fehlen wirklich die Worte.

Eine Sache, die ich dann doch kritisieren will: Ich fand fast jeden von ihnen mindestens genauso interessant wie Andor. Aber vielleicht ist auch das, zusammen mit dem Blinzle-und-du-verpasst-es-Ansatz, wichtige Charaktere zu töten, ein Teil der Botschaft?

Skeens Betrug am Schluss war so überraschend und gut gemacht, weil ich bis zum Schluss nicht sicher war, ob er Andor nicht einfach nur testete, weil er seine Loyalität hinterfragte. Die Show spart sich einen filmischen Taschenspielertrick, wie etwa einen Verplapperer Skeens der Marke: "Wenn das meine Schwester sehen könnte…" "Ich dachte, Du hättest einen Bruder gehabt…", weil die Autoren diese Ambiguität wollen – und weil sie mehrfach bewiesen haben, dass sie auf Klischees pfeifen. Ich bin ehrlich beeindruckt, wie treffsicher sich die Macher auf einen Ton festgelegt und den dann auch durchgezogen haben: Das muss also dieses "gritty" sein, wenn es nicht von Leuten mit dem Verstand eines Teenagers inszeniert wird.

Ich liebe jede Sekunde von Star Wars Andor. Natürlich ist es ein anderer Krieg der Sterne als der, mit dem ich aufgewachsen bin. Die Leichtigkeit der originalen Trilogie hat seither niemand mehr unter dem Namen Star Wars eingefangen. Die zaghaften Versuche in der Richtung wurden immer wieder durch tonale Inkonsequenz oder infantile Drehbücher bombardiert. Der nächstbessere Weg ist deshalb der, den Gilroy und Konsorten jetzt mit Andor gehen. Denn damit ich dieses Universum weiterhin als glaubwürdig annehme, als Welt hinter der Mattscheibe, mit Tiefe und Textur, reichen die alten Tricks von damals, derer sich auch Mandalorian bedient, nicht mehr so recht.

Ich bin erwachsen geworden – und Star Wars muss das jetzt auch, wenn es mich noch in sich aufsaugen will. Andor weiß das, und frisst mich gerade mit Haut und Haaren.


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