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System Shock: Deshalb wurde aus der Neuauflage kein Triple-A-Remake

Und warum das dem Spiel wohl nicht schaden wird.

Von einer Vorstellung muss man sich verabschieden, wenn man diese Neuauflage spielt: Sie ist klasse! Aber sie ist keine aufwändige Produktion vom Schlage eines Prey, das ja als geistiger Nachfolger der wegweisenden Cyberspace-Serie gehandelt wird. Kein Wunder, haben im Gegensatz zu Arkanes Großauftrag doch gerade mal gut 20 Entwickler an dem Remake gearbeitet – mal mehr, mal weniger. Nightdive (Quake, Turok, Blade Runner) ist kein Big-Budget-Studio. Es holt Klassiker aus dem Keller, um sie mit verschieden großem Aufwand auf heutigen Rechnern und Konsolen (meist) schmerzfrei erlebbar zu machen.

Das Blau der Krankenstation, die vielleicht markantesten Panele der Videospielgeschichte.

Dennoch spielt das System-Shock-Remake in einer etwas anderen Liga, weil dafür nicht nur der alte Code überarbeitet und dazugehörige Assets aufgepäppelt wurden. Vielmehr hat Nightdive ähnlich wie Bluepoint Games bei Shadow of the Colossus technisch gesehen von vorn begonnen. Dabei haben die Entwickler auch Änderungen am Leveldesign vorgenommen, um modernen Gewohnheiten gerecht zu werden, sowie hier und da eine Überraschung eingebaut. Dass man aus der Krankenstation herauskriechen kann, ist zum Beispiel neu und insofern eine schlaue Erweiterung, als dass es die spielerischen Möglichkeiten um einen zusätzlichen Weg erweitert und damit den Einfallsreichtum belohnt, für den die Serie unter anderem bekannt ist.

Aber klar: Die Temperatur, mit der Bücher Feuer fangen, öffnet auch heute noch die erste verriegelte Tür. Überhaupt sind es der gamescom-Demo nach zu urteilen, die eine erweiterte Version der aktuell für Kickstarter-Unterstützer zugänglichen Fassung ist, nur kleine Änderungen. Grundsätzlich erkennt man jeden Meter der Raumstation Citadel auf Anhieb wieder, wobei das Team um Nightdive-Geschäftsführer und federführenden Director Stephen Kick ausgesprochen farbenfrohe Kulissen aufstellt und sie mit viel Licht zum Leben erweckt. Auch das liegt am Original, in dem sich jedes Stockwerk auf markante farbliche Art von den anderen Ebenen abhebt. Kick wollte das einfangen und gleichzeitig die Mittel der Unreal Engine ausreizen, weshalb das neue alte System Shock in jenem schillernden Look erstrahlt, den ich ehrlich gesagt zum Anbeißen schick finde.

Ach, und schaut euch den Cyberspace an! Wie in einer Art Descent kämpft man dort gegen feindliche Programme.

Es ist eben nicht so, dass die Neuauflage allzu weit von einem sogenannten Triple-A-Titel entfernt wäre. Und tatsächlich gab es sogar Pläne, das Remake als solchen zu produzieren. Ganz recht: Das war die Zeit, als sich die Pläne der Entwickler recht weit vom Original entfernten und sie System Shock quasi neu erfinden wollten. Wie mir Kick in einem Gespräch nach dem Spielen der Demo erzählt, stellte er das ursprünglich Projekt deshalb verschiedenen Publishern vor, die allerdings allesamt kein Interesse zeigten, weil Singleplayer-Spiele damals als aussterbende Art galten.

Nur ein Herausgeber war interessiert: Telltale Games, wo man sogar an ein Prequel in der Art typischer Telltale-Abenteuer dachte. Der Deal schien unter Dach und Fach – bis dem Softwarehaus „plötzlich“ das Geld ausging und man nahezu alle Beschäftigte entließ. Damit war denn auch der letzte Geldgeber vom Tisch, mit dessen Hilfe man aus dem Kickstarter-Projekt ein deutlich größeres Unterfangen hätte machen können.

Und laut Kick war das vielleicht auch besser so, denn sein Studio hätte zu dieser Zeit gar nicht die Kapazitäten gehabt, einen Triple-A-Titel aus dem Boden zu stampfen. Dass dann auch noch einige lautstarke Kickstarter-Unterstützer ihrem Unmut über die vorgesehenen Änderungen Ausdruck verliehen, war das Tüpfelchen auf dem i: Das Projekt wurde auf null gesetzt und neu gestartet. Allzu lange war es dann übrigens gar nicht in Entwicklung, denn Kick zufolge sind vier Jahre für ein Projekt dieser Größe, Double-A nennt er es, durchaus normal. Dass man von Beginn an um sein Bestehen wusste, lässt die Zeit nur länger erscheinen.

Auch spätere Stockwerke scheinen Nightdive sehr gelungen zu sein. Ich bin übrigens gespannt darauf, wie sich die Rollerblades anfühlen.

Und die Einordnung Double- statt Triple-A, die passt. Der Action fehlt besonders im anfänglichen Nahkampf etwa die Wucht aufwändigerer Produktionen, während das spielbare Intro, in dem man als Hacker festgenommen und von Edward Diego nach Citadel Station geflogen wird, das Lebendige missen lässt, was man aus aufwändigen Filmszenen kennt. Wobei mir vor allem das schmissige Musikstück fehlt, mit dem das Abenteuer anno ’94 beginnt und das bis heute zu den besten Themen eines Elektro-Soundtracks zählt.

Dass die Einführung jetzt überhaupt spielbar ist, stellt aber natürlich eine gelungene Neuerung dar. Auch ist das Inventar samt der wesentlich besser erreichbaren Nachrichten- und anderer Funktionen ein sinnvoller Fortschritt. Und ganz allgemein hatte ich jederzeit ein gutes Gefühl beim Erkunden, Schießen und Schlagen auf Citadel. Eingabefelder zum Hacken von Schaltkreisen sowie die einzelnen Tasten der Türcodes klickt man zudem direkt an, ohne erst einen entsprechenden Modus zu aktivieren. Doch, als großer Fan des Originals und jemand, der eine beträchtliche Summe in den Kickstarter gesteckt hat, freue ich mich nach dem Anspielen noch mehr auf diese Neuauflage, als ich das ohnehin schon tat!

Ob der Schraubenschlüssel gegen diesen Zeitgenossen reicht? Auf jeden Fall belohnt System Shock als actionreiches Rollenspiel aufmerksames Erkunden und Einfallsreichtum.

Es ist ja alles dabei, wofür der Klassiker bekannt ist. Große Teile der Raumstation sind frei erkundbar, sobald man erst mal Zugang zum jeweiligen Stockwerk hat. SHODANs Kameras beobachten einen auf Schritt und Tritt und zu Beginn wählt man den Schwierigkeitsgrad, indem man in jeweils drei Stufen den Anspruch der Rätsel, des Kampfs, im Cyberspace und darüber bestimmt, ob es ein fünftstündiges Zeitlimit gibt.

Ob Kick nach der über alle Versionen hinweg recht langen Entwicklungszeit mit dem Ergebnis zufrieden ist, frage ich ihn, und er meint, dass es bei weitem über das hinausgeht, was er zum Start der Kickstarter-Kampagne vor Augen hatte. Und in der Tat: Meinem kurzen Eindruck nach ist die Neuauflage nicht nur ein erfreulich originalgetreues, sondern auch angenehm modernes System Shock, das den Cyberpunk-Klassiker sowohl alten als auch neuen Fans nahebringen dürfte.

In diesem artikel
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System Shock Remake

PS4, Xbox One, PC

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Über den Autor
Benjamin Schmädig Avatar

Benjamin Schmädig

Redakteur

Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.
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