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Final Fantasy X / X-2 HD Remaster - Test

Ein schönes Geschenk an die Fans.

Egal, ob ihr die beiden Spiele liebt oder hasst, die HD-Umsetzung ist gelungen und bringt sie angemessen auf den Nun-HD-Fernseher.

Blitzball ist noch immer der größte Mist auf Erden.

Mit den teils nervigen Sprüchen von Heulsuse Tidus kann ich mich anfreunden. Sein Verhalten stört mich kaum. Sogar die berüchtigte Lachsequenz entlockt mir bloß ein hämisches Grinsen, weil es so ungewollt fremdschämig wirkt.

Aber Blitzball? Noch nie habe ich die Sympathie mancher Personen für dieses höchstens passable Minispiel verstanden. Allein die Tatsache, dass mir niemand erklärt, wieso die Deppen unter Wasser einen Ball werfen können oder nicht ertrinken, regt mich auf. Ganz davon abgesehen gaukelt es mit irgendwelchen Statistiken eurer Mannschaft eine Tiefe vor, die nicht existiert. Wie hat man es geschafft, Aquariumhandball so unnötig kompliziert zu gestalten, dass es einem jegliche Freude entzieht? Dabei braucht ihr für den Sieg nur eine simple Taktik verfolgen, die in jedem Match funktioniert: Stürmt hirnlos nach vorne in das gegnerische Tor und versteckt euch nach dem ersten Treffer feige hinter eurem Goalie. Anschließend wartet ihr auf das Ende der Runde und gewinnt. Auch im HD Remaster funktioniert dieser Trick und schickt Blitzball damit in die endgültige Belanglosigkeit.

So, das musste raus. Stress abgebaut. Frustrierte Nachmittage der Kindheit verarbeitet. Weiter im Text.

Zeitloses Spieldesign

Ein wenig mulmig war mir vor dem Einlegen der Disk schon. Schließlich verbinde ich mit Final Fantasy X rosige Sommerabende, an die ich mich gerne erinnere. Was also, wenn sich dieser “Klassiker“ doch als veraltete Gurke herausstellt und mir meine Nostalgiegläser zerschießt?

Eine der schönsten Eröffnungsszenen aller Zeiten.

Entgegen meiner schlimmsten Befürchtungen, bietet das wilde Abenteuer eine großartige Erfahrung, die locker mit den besten Rollenspielen der vergangenen Dekade mithält. Zu den größten Pluspunkten gehört eindeutig die starke und schnell voranschreitende Exposition. Keine zehn Minuten vergehen bis zu den ersten Kämpfen, die euch nicht an der Leine halten. Zwei kurze Sätze erscheinen als Tutorial. Danach erklärt das Spiel nur die wichtigsten Dinge und verschwendet nicht eure Zeit. Stattdessen vertraut man dem Spieler und räumt ihm eigenes Denken ein. Wie frisch es sich anfühlt, in einem JRPG nicht mit dämlichen Anweisungen für Kleinkinder beschmissen zu werden!

Leichte Feinde, die ihr mit einem Schlag bereits vernichtet, dienen euch zum Austoben und Zurechtfinden. Schon steht der erste Bosskampf auf dem Plan und erwartet, dass ihr selbst auf Idee kommt, Heiltränke einzusetzen. Warum mussten wir uns noch einmal von dieser Herangehensweise entfernen und jede Information so langatmig wie möglich verabreichen? In Final Fantasy X funktioniert es wunderbar. Der Schwierigkeitsgrad zieht von dort aus über den gesamten Handlungsverlauf stetig an, ohne übermäßig fordernd zu wirken. Eine perfekte Balance, die keinerlei Grinding auf euer Reise benötigt, sondern nur nach etwas taktischem Vorgehen verlangt.

Warum mussten wir uns noch einmal von dieser Herangehensweise entfernen und jede Information so langatmig wie möglich verabreichen?

Das liegt am fantastischen, rundenbasierten Kampfsystem, dessen bestes Feature die Angriffsreihenfolge offen darlegt. Häufig legte ich den Controller absichtlich in den Schoß und skizzierte bei Bosskämpfen alle Optionen in meinem Kopf. Es zwang mich zu einer höheren Form der Optimierung, weil ich Änderungen sofort anhand der gegebenen Informationen erkennen konnte. Ein angenehmes Gefühl, sein Tempo an den Kampf anzupassen, um wie bei einem schwierigen Schachspiel die gegnerischen Züge abzuschätzen. Nie fühlte sich das Kampfsystem veraltet oder überholt an. Ehrlich gesagt wirkte es nach der langen Pause sogar überraschend frisch. Nur die vielen Zufallskämpfe hätte nicht sein müssen. Außerhalb von Städten und Dörfern verbringt ihr kaum zehn Sekunden auf dem freien Feld, bevor euer Bildschirm zersplittert und so ein weiteres Gefecht einläutet.

Kleine Ausbremser warten ebenso in der ansonsten großartigen Handlung. Obwohl sich alle Figuren eurer ungleichen Truppe das zentrale Thema von Unsicherheit und Erwartungsdruck teilen, schwanken sie in ihrer Darstellung. Besonders Tidus und Wakka verdienen zurecht eine Tracht Prügel für ihr teils unausstehliches Verhalten. Zudem unterzieht sich Auron als einziger keiner richtigen Entwicklung. Ja, er bleibt weiterhin die coolste Sau im Final-Fantasy-Universum, doch fehlt seinem Charakter ein wenig Tiefe und in Anbetracht des Endes sogar Logik. Generell verläuft sich die Geschichte trotz einer überraschenden Wendung im letzten Kapitel in unnötig verkompliziertem Schnulz, deren Erklärung mancher Ereignisse ich weiterhin für an den Haaren herbeigezogen halte. Veteranen wissen sicherlich, was ich meine. Genauso ernüchternd bleibt der finale Endkampf, der das vorangegangene Actiongewitter unnötig ausbremst. Die große Auflösung hat man da bereits hinter sich und nun hämmert man minutenlang auf eine Taste, um endlich den eintönigsten Kampf des gesamten Spiels zu beenden.

Obwohl sich alle Figuren eurer ungleichen Truppe das zentrale Thema von Unsicherheit und Erwartungsdruck teilen, schwanken sie in ihrer Darstellung.

Rundenbasierte Kämpfe haben ihre Daseinsberechtigung.

Insgesamt betrachtet fallen solche Mankos jedoch kaum auf. Zu sehr seid ihr mit den Figuren und ihren Schicksalen verbunden. Zu tief steckt ihr bereits in den Feinheiten des Kampfsystems und tobt euch nebenher auf dem gigantischen Sphärobrett aus, das die freie Entwicklung jedes einzelnen Charakters erlaubt. Und zu sehr seid ihr mit der massiven Aufgabe beschäftigt, sämtliche Ultima-Waffen zu ergattern und euch langsam zum Richter, dem stärksten Feind im Spiel, vorzuarbeiten. Grob gesagt: Die paar Fehler interessieren letztendlich nicht und werden vom Spaß mit Leichtigkeit in eine dunkle Ecke eures Kopfes verdrängt.

Girl Power

Etwas schwieriger sieht es da schon mit dem direkten Nachfolger Final Fantasy X-2 aus. Natürlich verstehe ich Fans des Vorgängers, weil sie ein so drastisch anderes Spiel erhalten haben. Mögen muss man es nicht. Trotzdem ist es für sich genommen ein gutes Spiel. Statt methodischer Kämpfe, bei denen ihr zehn Züge im Voraus kalkulieren könnt, regiert hier die pure Hektik. Die ATB-Leiste feiert ihre Rückkehr und füllte sich noch nie so schnell. Kein Gegner wartet mit seinen Angriffen. Ihr steht unter ständigem Beschuss und müsst blitzschnelle Entscheidungen treffen.

Stupides Drücken auf die X-Taste funktioniert nur in den ersten Kämpfen. Später zwingt euch der steigende Schwierigkeitsgrad zu wechselnden Taktiken, die in Reaktion zur jeweiligen Situation erfolgen müssen. Für eine bessere Kontrolle dürft ihr statt einer Attacke auch euer Kostüm und damit den Job wechseln. Jede der drei Hauptfiguren darf in sämtliche Rollen schlüpfen, wodurch eine Vielzahl an Variationen entstehen, deren wahres Potenzial ihr erst nach Dutzenden Stunden erfasst.

Der flotte Ablauf steht im direkten Kontrast zu Final Fantasy X.

Der flotte Ablauf steht im direkten Kontrast zu Final Fantasy X. Gleiches gilt für den poppigen Unterton, perfekt eingeleitet durch die Anfangssequenz, bei der ich auch heute noch mitsingen muss. Ebenfalls neu ist die Aufteilung der Handlung in mehrere Kapitel, die euch eine Vielzahl an Missionen bereitstellen. Von eurem Flugschiff aus wählt ihr die Aufträge, erledigt darin unterschiedliche Vorgaben und kassiert anschließend eure Belohnung.

So sehr ich das abwechslungsreiche Vorgehen schätze, birgt es dennoch einige Probleme. Allen voran leidet der Spielablauf doch stark unter dem schwankenden Tempo. Zu Beginn startet ihr eure Reise, weil Yuna eine Videonachricht von Tidus gefunden hat. Zumindest denkt sie, dass es sich dabei um ihren Geliebten handelt. Leider erinnert der Plot an einen lang gezogenen Anime, dessen eigentlicher Fokus von Füllmaterial überschattet wird und dadurch schnell in Vergessenheit gerät. Meist wartet der nächste Hinweis am Ende eines jeden Kapitels. Die fünf bis zehn Stunden dazwischen schreitet die Handlung kein Stück vorwärts.

Überaus träge verläuft vor allem das vierte Kapitel. Hier verbringt ihr die meiste Zeit mit dem Ansehen von Überwachungskameras. Kein Witz. Ihr sitzt in eurem Flugschiff und wechselt ständig von einer Kamera zur nächsten und wartet, bis etwas passiert. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich damals die 100 Prozent erreichen wollte. Dafür müsst ihr teilweise über eine Stunde zwischen zwei Blickwinkeln wechseln, nur damit ihr seht, wie sich ein dümmer Köter von seinem Platz bewegt. Wirkt besser als jede Schlaftablette.

Ehrliches Paket

Schlussendlich bleibt aber noch die wichtigste Frage: Wie sieht es mit der technischen Umsetzung aus? Falls ihr wie ich zu den Leuten gehört, die vor einigen Monaten bei den ersten Bildern einen herben Schock erlitten, kann ich euch beruhigen. Tidus sieht nun nicht mehr wie eine seelenlose Schaufensterpuppe aus. Es handelte sich dabei zum Glück nur um eine Beta-Fassung. Die Charaktermodelle im fertigen Spiel sind schlicht umwerfend und verleihen den Figuren neue Ausdruckskraft und Ausstrahlung. Ebenso neu sind verbesserte Texturen und Lichteffekte.

Leider fällt in einigen Szenen die bevorzugte Überarbeitung wichtiger Charaktere im Gegensatz zu normalen Personen auf. Wechselt die Kamera in einem Gespräch zwischen Tidus und einem Al Bedh, bemerkt man den Unterschied sofort. Gewöhnliche Bürger sehen keinesfalls hässlich aus, doch sie entlarven ungeniert den Fokus des Teams.

Die Charaktermodelle im fertigen Spiel sehen schlicht umwerfend aus und verleihen den Figuren neue Ausdruckskraft und Ausstrahlung.

Im Gegensatz zur restlichen Optik blieben die Zwischensequenzen unverändert.

Womit man sich hingegen nicht befassen wollte, sind die häufig asynchronen Lippenbewegungen, die mehr an schlechte Animes erinnern, in denen der Mund macht, was er gerade will. Darüber hinaus fehlt in der europäischen Version noch immer die japanische Sprachausgabe, deren Sprecher einen wesentlich besseren Job leisten. Besonders Tidus wirkt in der Originalfassung nicht wie ein quengelndes Kind, sondern verkörpert durch seine Stimme ein arrogantes Arschloch, das sich in der ersten Hälfte für die wichtigste Person auf dem Planeten hält.

Aber gut, eine vollständige Neuvertonung habe ich nicht erwartet. Aber gerade deswegen verstehe ich den erneuten Verzicht auf die japanische Tonspur nicht. Des Weiteren versuchte ich vergebens, mehrere Sequenzen zu überspringen, deren Inhalt ich schon kannte. Auch hier kein Einsehen der Entwickler. Egal wie sehr ihr euer Pad quält und böse den Schirm anstarrt, mehr als Pausieren ist nicht möglich. Ich habe von einem Remaster nicht mehr als die versprochene Überarbeitung erwartet, aber ein so kleines Feature hätte sicherlich kaum das Budget gesprengt.

Damit weist diese Version eine passende Parallele zu den beiden Spielen auf. In vielerlei Hinsicht hervorragende Arbeit, die nur stellenweise den letzten Millimeter zur Großartigkeit vermissen lässt. Mit ein wenig mehr Mühe außerhalb der optischen Verbesserung wäre sicherlich einiges mehr möglich gewesen, ohne direkt das gesamte Spiel neu zu programmieren. Dennoch handelt es sich um die wohl bisher beste HD-Überarbeitung und schnürt zwei fantastische Spiele zu einem zusammen. Zwar ist Final Fantasy X der eindeutige Hauptgrund, sich dieses Paket zu besorgen, trotzdem solltet ihr auch dem unkonventionellen Nachfolger eine Chance geben. Tretet offen an X-2 heran und ihr werdet vielleicht positiv überrascht.

Für Fans ist die Empfehlung daher eindeutig: Kauft es euch und versinkt die nächsten Wochen in einer Mischung aus Nostalgie und wunderbarem Spieldesign. Wer dagegen noch keinen Fuß in die Welt von Spira gesetzt hat, findet mit Final Fantasy X / X-2 HD Remaster die ultimative Fassung beider Spiele. Es gab noch die einen besseren Zeitpunkt, um den vielleicht letzten Höhepunkt der Serie noch einmal zu erleben. Selbst wenn ihr dafür Blitzball spielen müsst.

8 / 10

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