Skip to main content

The Last of Us: Left Behind - Test

DLC als Resteverwertung? Nicht mit Naughty Dog!

Damit das gleich vom Tisch ist: Left Behind ist kurz. Nun ist Kürze ja wahrlich eine Frage der Definition, weshalb ich das besser ein wenig eingrenze. Kurzum, ich war nach gut zweieinhalb Nettostunden durch und dem einen oder anderen wird das für den 15-Euro-Eintrittspreis vielleicht nicht genug sein. Das eigentliche Problem im Vorfeld dieser Veröffentlichung war aber ein anderes. The Last of Us ist immerhin das eine, großartige, die Zeit überdauernde Spiel, bei dem man sich wünschen würde, dass es auf ewig für sich alleine stehen dürfte. In seiner Rundheit, Geschlossenheit führt es den Franchise-Gedanken, der Videospiele seit der PS360-Generation so definiert, ad absurdum und ist alleine deshalb schon ein wichtiges Spiel.

Dementsprechend konnte man schon ein bisschen enttäuscht sein, dass Sony und Naughty Dog das Gefühl hatten, mit diesem vielleicht nicht spielerisch, aber als Gesamtheit doch makellosen Werk noch nicht alles gesagt zu haben. Es stand zu befürchten, dass sie ihre eigenen Verdienste verwässern würden. Nachdem ich nun allerdings durch bin durch dieses "halbe Prequel", könnte ich nicht froher sein, dass sie es doch gewagt haben. Left Behind ist wahrlich ein Schmuckstück und nicht das befürchtete Sammelsurium an Szenen, die aus Zeit-, Kosten- oder Tempogründen aus dem Hauptspiel flogen. Das erste Mal vergaß ich, hier "nur" einen DLC zu spielen, und wurde mir dessen erst wieder gewahr, als der Abspann über den Bildschirm flimmerte und ich begann, diese Zeilen zu tippen.

Willkommen zurück

Da erzählerisch gesehen jede Zeile zu viel verraten wäre, nur ein kurzer Überblick, was ihr euch hier ins Haus holt. Left Behind erzählt zur einen Hälfte, was Ellie zu Anfang der Wintersequenz des Hauptspiels so trieb, und zur anderen, was wenige Wochen vor Beginn ihrer Reise mit Joel passierte. Dementsprechend gibt es zu etwa fünfzig Prozent den erbarmungslosen und mit harten Bandagen geführten Überlebenskampf in einer Apokalypse, die keine Gewinner kennt. Ganz wie im Hauptspiel, wo ihr im Kern Joel die harten Bandagen anlegt, verfolgt ihr hier Ellies Entwicklung zum gnadenlosen Überlebenden in brutalen und flexibel gestaltbaren Schleich-Actionszenarien.

Ellie und Riley erkunden mit großen Augen ein altes Einkaufszentrum

In den Momenten, die vor dem Verlust Ellies jugendlicher Verletzlichkeit spielen, folgt man dem jungen Mädchen, wie es mit seiner besten Freundin Riley einen fast sorglosen, aber doch schicksalhaften Tag in einem verlassenen Einkaufszentrum verlebt. Diese beinahe entspannenden, oft ehrlich herzerwärmenden und witzigen Szenen zeigen zwei Teenager in ihren verletzlichsten Momenten. Engste Freunde, wie sie nur diese Lebensphase hervorbringt, man vergisst fast, dass um sie herum schon längst die Welt untergegangen ist.

"Das gesamte Erlebnis ist dermaßen verdichtet, man spürt richtiggehend, hier hatte jemand was zu sagen."

Es begeistert vor allem, wie Naughty Dog keine einzige Minute verschenkt. Es ist keines der Updates, die in erster Linie die Spielzeit verlängern. Das gesamte Erlebnis ist dermaßen verdichtet, man spürt richtiggehend, hier hatte jemand was zu sagen. Und man saugt jeden Augenblick, jeden optionalen Dialog, jede kleine, eigentlich hinfällige Bemerkung begierig in sich auf. In der Folge wird man Zeuge, wie ein Entwickler einen liebgewonnenen Charakter mit noch lebhafteren Farben ausmalt als bereits zuvor. Eindringlicher wird das umso mehr, weil man hier eine emotional sehr intime Entwicklung verfolgt und sich dabei ertappt, wie man Ellie und Riley richtig ins Herz schließt. Man mag diese beiden. Sie sind zwei der plastischsten und nahbarsten Figuren, die Videospiele jemals hervorgebracht haben. Von Anfang an zu wissen, wie dieses Treffen ausgehen wird, bricht einem regelrecht das Herz.

Nicht "mehr" ist besser. "Besser" ist besser

Und selbst in der "The-Last-of-Us-Gegenwart", in der es in gewohnter Survival-Horror-Fasson zur Sache geht, passieren noch interessante Dinge, die Ellies Transformation vom potenziellen Opfer dieser Endzeit zur gestählten Überlebenden besser nachvollziehbar machen. Spielerisch ist es gewohnt flexibel und fließend im Übergang zwischen Schießereien und Schleichen. Stets muss man abwägen, ob man nun seine letzte Flasche zur Ablenkung oder für eine Attacke einsetzt oder was aus den vorhandenen Ressourcen nun gebaut wird. Wieder einmal spielt sich kein Gefecht wie das letzte und vielerorts hat man die Möglichkeit, Kämpfen auch komplett aus dem Weg zu gehen. Gegen Ende prallen Infizierte und Banditen sogar auf spielerisch gehaltvolle Weise aufeinander. Und Ellie ist mittendrin, wenn sie als cleverer Dirigent aus dem Dunkeln beide Seiten gegeneinander aufhetzt.

Wenn ihr erstmals hinterlistig Infizierte und Banditen gegeneinander ausspielt, wünscht ihr euch beinahe eine Tüte Popcorn.

Wer DLCs bisher für leidlich interessante Geldmache hielt, der ist es sich schuldig, Left Behind zumindest einmal anzuschauen. Naughty Dog nutzt hier eine spannende Gelegenheit, einige interessante Lücken in ihrer ursprünglichen Geschichte mit maximalem Respekt vor der Welt und ihren Figuren auszufüllen. Die fantastisch ausgestalteten Spielumgebungen und die einfühlsame, berührende Art der Erzählung sind den nicht gerade schmalen Preis vollauf wert, lernt ihr die vielleicht interessanteste Figur des letzten Spielejahres hier doch noch ein gutes Stück besser kennen.

Left Behind ist damit für Freunde des wahrhaft grandiosen The Last of Us eine Anschaffung, an der kein Weg vorbei führt. Es ist auf Augenhöhe mit seinem Ursprungsmaterial, mit demselben Auge fürs Detail und unbeirrbarem Fingerspitzengefühl inszeniert und mit Leichtigkeit der beste DLC, den ich jemals spielen durfte. Fast macht es mich glauben, dass The Last of Us 2 doch keine so schlechte Idee ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn Naughty Dog mich ein zweites Mal eines Besseren belehrte.

10 / 10

Schon gelesen?