Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Everspace 2 verkuppelt Privateer, Descent und Loot-Geballer - und lässt es auch noch leicht aussehen

Von Hamburg in den Weltraum ist's nicht weit.

Everspace war 2017 mehr als nur ein Achtungserfolg: Das Run-basierte Weltraum-Lootspiel aus Hamburg geriet mit mehr als einer Million Verkäufen nach erfolgreichem und mit fast 500.000 Euro Unterstützergeld alles andere als nebensächlichen Kickstarter ein echter Hit von internationalem Ansehen. Doch eines war es nicht: Ein neues Privateer oder Freelancer, wie es sich Freunde von Space-Spielen seit Jahren ersehnen. Elite Dangerous ist für viele zu trocken und grindig, die X-Reihe zu technisch und unfertig und Star Citizen ist ... nun mal Star Citizen, wozu gehört, dass es nach seiner eigenen Zeitrechnung entsteht.

Everspace spielte sich fluffig, sah gut aus, aber ihm haftete auch eben die flüchtige Note an, die viele Spieler davon abhält, sich voll und ganz in ein Roguelike reinzuknien. Oft fehlt das Nachhaltige, das Handgemachte - Momente, die nicht aus Algorithmen geboren sind, sondern aus Autorenhand stammen. Everspace 2 bläst nun das komplette Konzept noch einmal auf und bietet genau das, wenn es euch in die Rolle des letzten verbliebenen Klons von Adam Roslin versetzt. Ihr spielt im Sinne des Lores also den Adam, mit dem ihr das Ende von Teil eins erlebt habt - und seid nun auf der Flucht vor den Behörden, denn Klone sind mittlerweile verboten.

Everspace 2 wird mehr Space-Oper

Rockfish zieht den kompletten Aufbau des ersten Teils in die Breite, zupft die Serie an zu durchlaufenden Sonnensystemen zu einem Netzwerk auseinander, in dem ihr vor und zurückreisen könnt und verteilt neben den Story-Einsätzen großzügig kleinere Events, Geheimnisse und Nebenmissionen entlang des Weges, die eure persönliche Reise ein wenig interessanter und spannender gestalten. Im jüngst gestarteten Early Access stehen euch schon zwei Sonnensysteme offen, sechs weitere sollen in den kommenden zwölf bis 18 Monaten, die das Spiel bis zur Fertigstellung braucht, noch folgen.

Das Schiffsdesign liefert ein paar gute Argumente, ausnahmsweise mal nicht in Cockpit-Perspektive zu spielen.

Was ich bisher gespielt habe, lässt sich am besten als eine Mischung aus Privateer und Descent beschreiben. Gerade die Bewegung erinnert stark an Letzteres, denn anders als in Wing Commander und Konsorten gleicht das Flugmodell nicht dem eines Flugzeuges, eure Triebwerke schießen euch wegen der fehlenden Atmosphäre und Gravitation schnell in jede erdenkliche Richtung. Diese Dogfights finden also entlang dreier Bewegungsachsen statt, woran man sich erstmal gewöhnen muss. Am besten, man stellt sich Everspace 2 als First-Person-Shooter in der Schwerelosigkeit vor. Wer in den letzten Jahren Elite oder Star Citizen probierte, wird wissen, wohin die Reise geht.

Everspace 2 gibt sich allerdings vom Anfassen her ungleich schnörkelloser. Euer Schiff ist flink, Ausweichmanöver um Asteroiden herum fühlen sich nach einem kleinen Kunststück an und selbst größere Distanzen legt man im Nu zurück: Wählt einen Punkt auf der Karte, haltet einen Knopf für Lichtgeschwindigkeit und ihr seid in unter einer Minute beim nächsten Planeten des Sternensystems, dem gewünschten Asteroidenfeld oder an der nächsten Raumstation angekommen. Zwar gibt es eine minimale Ladepause, in der das Spiel sichtlich zwischen zwei "Spielräumen" wechselt, aber das ist eher ein ausgedehnter Wimpernschlag und kein Ladebildschirm.

Doch auch, wenn im Spiel an sich alles leicht von der Hand geht und es nie fummelig wird, steckt unter der Haube doch eine Menge Tiefe, denn die Rollenspielelemente erlauben euch einen hohen Grad der Anpassung eures Schiffes und steuern euren Fortschritt, sie beeinflussen auch, wie ihr die Raumkämpfe spielt. In vielen Wracks, die ihr hinterlässt, aber auch an ausgebombten Raumstationen und in Banditenlagern inmitten vermeintlich verlassener Kometentrümmer findet ihr Loot, das von Handelsgegenständen bis hin zu Raumschiffausrüstung reicht. Eure Waffen wählt ihr nicht nur nach Schadens-Output, sondern nach Energiekonsum, Reichweite und Schadensart, denn ob eine Kanone nun mehr die Schilde ankratzt oder die Panzerung, ist alles andere als trivial.

Ein Rollenspiel im Weltraum

Die Menge an verschiedenen Waffensystemen lässt Raum zum Experimentieren und Optimieren. Lieber schon auf große Distanz Nadelstiche setzen, oder direkt rein und ran an die Gegner. Ebenso muss man sich um die Subsysteme kümmern: Wählt zwischen starken Schilden oder einen mit schneller Aufladung? Sucht ihr euch einen Energiekern aus, der Waffen, Boost oder Schilde priorisiert? Weitere Individualisierungsmöglichkeiten für eure Spielweise bieten die Unterstützungsmodule: vom EMP-Schlag bis zum Teleport oder Flucht-Boost ist jedes Upgrade für eine bestimmte Spielsituation extrem effektiv. Der aktuell noch fast lächerlich mächtige Ultimate meines Start-Raumschiffes dürfte aber gerne noch etwas generft werden.

Vom Avatar an sich hätten ich dann noch gar nicht angefangen, dabei spielt auch er eine gewaltige Rolle. Mit jedem Levelaufstieg steigen nicht nur global Angriffs- und Verteidigungswerte der Schiffe, ihr dürft auch alle fünf Stufen einen von drei substanziellen Perks aktivieren, zwischen denen ihr in jedem Raumhafen jederzeit wechseln könnt, um euren sich ewig wandelnden Build zu komplettieren. Sogar Raum für etwas Grind gibt es, der - soweit ich das bisher beurteilen kann - eher optionaler Natur ist.

Perks hat nämlich nicht nur Adam, eure Spielfigur, sondern auch eure Begleiter. Euer Retter Dax zum Beispiel baut gerade eine eigene Raumstation aus einem Wrack wieder auf - schmeisst gefundene Ressourcen in seine Projekte und auch von ihm gibt es nach und nach Boni, die euch weiterhelfen. Es steckt eben ein echtes Actionrollenspiel in Everspace 2, dem vor allem die Pflege und Optimierung eures persönlichen Builds am Herzen liegt.

Und mit dem werft ihr euch dann in den Kampf: Ihr müsst die Gegnerrotten genau studieren, und dann den richtigen Angriff fliegen, der oft damit beginnt, die feindlichen Drohnen zu priorisieren. Das sind mehrheitlich echte "Glaskanonen", die zwar nichts einstecken, aber wahnsinnig Schaden austeilen. Aber einige können euch auch fesseln oder oder eure Raketen neutralisieren. Weiterhin müsst ihr die Feindschiffe genau anschauen und überlegen, ob eine Waffe gegen Schilde oder Panzerung die bessere Wahl ist. Wechselt dann entsprechend durch und ihr könnt die Kämpfe entschieden verkürzen, einzelne Feinde aus der Schlacht nehmen und so das Blatt nach und nach zu euren Gunsten wenden.

Bislang fügt sich das alles bemerkenswert gut zusammen, auch wenn ich zugeben muss, dass viele andere Space-Games das Gefühl von Weite und Größe ein wenig besser hinbekommen. Das hier ist eher die Matchbox-Version des Weltraums. Für mich ist das allerdings aktuell weniger von Belang. Als Paket überzeugt dieser umfassend und gehaltvoll aufgepolsterte Nachfolger einer der größten Spiele-Überraschungen aus deutschen Landen schon kurz nach dem Start des Early Access auf nahezu ganzer Linie. Mit fast 40 Euro ist es sicher nicht der Gelegenheitskauf, den man an einem Freitagabend zwischen dem ersten und zweiten Bier ohne groß nachzudenken in den Steam-Warenkorb legt. Mit Haupt- und Nebenquests dürfte man aber dennoch schon jetzt deutlich über zehn Stunden Spaß haben - und wir haben es hier nominell erst mit einem Viertel des Spiels zu tun. Mit einem Kauf tut ihr also nicht nur Rockfish einen Gefallen, sondern auch euch selbst. Überlegt es euch!


  • Entwickler / Publisher: Rockfish Games
  • Plattformen: PC, PS4, Xbox One (getestet auf PC)
  • Release-Datum: Early Access erhältlich
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: ca. 38 Euro, keine Mikrotransaktionen
In diesem artikel

Everspace 2

PS5, Xbox Series X/S, PC

Verwandte Themen
Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
Kommentare