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Lies of P im Test: Ob ihr mit Pinocchio wohl die Menschlichkeit findet - oder wenigstens ein gutes Soulslike?

So ein (Puppen-)Theater!

Sehr stilvolles, wenn auch sehr vertraut wirkendes Soulslike mit durchdachtem Kampfsystem und motivierender Charakterentwicklung, aber über weite Strecken schwacher Erzählung.

Ich hatte ja im Vorfeld schon gehört, dass Lies of P ein richtig gut gemachtes, aber auch sehr vorhersehbares Soulslike ist, weil es ausgesprochen deutlich jenen Fußspuren folgt, die Miyazaki mit seinen Abenteuern hinterlassen hat. Tatsächlich wurde mir da aber noch nicht klar, wie stark sich Lies of P an den bekannten Mechaniken und Formeln orientiert, um nur behutsam eigene Ideen ins Spiel bringen. Eigene Ideen, die gar nicht mal schlecht sind. Die für mich aber nicht genug sind, um mit dem Nachahmer von Beginn an so richtig warm zu werden.

Dabei bekommt Lies of P vieles sogar verdammt gut hin. Das fängt mit den prachtvollen Fassaden der fiktiven Stadt Krat an, deren prachtvoller Glanz von einem Aufstand wütender Puppen in ein finsteres Dunkel getaucht wird. Dass die Puppen lebendig sind, ist in dieser Welt nichts Besonderes. Eine Energie namens Ergo verleiht ihnen diese Fähigkeit. Dass sie sich allerdings gegen die Menschen erheben, war nicht vorgesehen. Immerhin bekommen die Puppen vier einfachen Regeln ähnlich den uns bekannten Robotergesetzen eingebaut, die unter anderem genau das verhindern sollen.

Dass das in Krat nicht so funktioniert hat wie gedacht, versteht sich von selbst, und daher gibt es nur eine Puppe, die den Menschen helfen kann, den Aufstand niederzuschlagen: der von Pinocchio inspirierte P, gebaut auch hier von Geppetto. Letzteren muss man zunächst mal finden und sich anschließend dorthin durchschlagen, wo die Revolte offenbar ihren Ursprung hat.

Ps Reise beginnt direkt in der Stadt... (Lies of P im Test - PC)

Und wenn ihr jetzt Pinocchio lest, dann denkt ihr vielleicht an die Geschichte von der Puppe, die ein Mensch sein will. Nun, das gehört auch in Lies of P dazu. Denn da er im Gegensatz zu fast allen anderen Puppen die Fähigkeit besitzt zu lügen (daher der Titel), kann P nicht nur eine nüchterne logische Antwort geben, sondern Menschen zum Beispiel auch Trost spenden. Nach den ersten einfachen Multiple-Choice-Antworten müsst ihr daher ein paar knifflige Entscheidungen treffen und mit jeder Lüge wird P mehr zu einem Menschen. Sind das die Lügen letztlich wert?

Lasst euch nichts vormachen: Die erzählerische Komponente hat ungefähr das Ausmaß einer Erbse. Der Kampf und das Erkunden der geradlinigen, stellenweise recht verzweigten Levels stehen überdeutlich im Vordergrund. Der Rest verleiht dem Soulslike zwar einen Rahmen, er zeichnet es aber nicht aus. Das wird schon dadurch klar, dass der stumme P vom Start weg überhaupt keine Anzeichen macht, ein Mensch sein zu wollen. Er folgt einfach sämtlichen Befehlen und selbstverständlich ist das ein wichtiger Teil seines Wesens und der Geschichte. Als echten Charakter habe ich ihn unterm Strich aber leider nie wahrgenommen.

... und führt ihn natürlich auch schnell in andere Bereiche, darunter die direkte Umgebung. (Lies of P im Test - PC)

Umso besser aber natürlich, dass sich vor allem das Kämpfen dafür richtig gut anfühlt. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich nicht der größte Fan des relativ statischen Schlagabtauschs eines Soulslikes bin – für mich fühlt sich das mehr nach Rundentaktik statt nach dynamischer Action an. Innerhalb dieser vertrauten Konventionen funktioniert Lies of P aber hervorragend und bringt auch alles sowie ein bisschen mehr mit, was in dieses Subgenre gehört.

Dazu zählt die Ausdauer, die man sowohl zum Zuschlagen als auch zum Blocken und Rennen benötigt. Es gibt leichte und schwere Angriffe sowie solche mit länger gehaltener Taste. Inhalte des Rucksacks werden über das Digikreuz ausgewählt und es kostet wertvolle Zeit, sie zu verwenden. Außerdem trägt P zwei Waffen, zwischen denen er jederzeit, nur nicht mitten in einer Kombo wechseln darf.

Wobei sich Waffen hier abnutzen, weshalb man sie hin und wieder schärfen sollte, was einige Sekunden dauert und mitten im Bosskampf daher den Stresslevel in die Höhe schiebt. Eine weitere Besonderheit ist Ps zweiter Arm, an dem er verschiedene Funktionen anbringen kann. Dazu zählt ein Minenleger, ein Flammenwerfer, ein Greifhaken, mit dem er sich an Gegner heranziehen kann, sowie ein gewaltiger Konterschlag.

Auf Steam Deck ist Lies of P übrigens mit 30 oder 40 Bildern pro Sekunde spielbar, wobei der Handheld je etwa drei beziehungsweise zwei Stunden durchhält. (Lies of P im Test - Steam Deck)

Ganz allgemein spielt das rechtzeitige Blocken eine außergewöhnlich starke Rolle. Denn nur, wenn P im richtigen Augenblick seine Waffe zur Abwehr hebt, blockt er den ankommenden Angriff vollständig ab. Die sonst übliche Möglichkeit zu einem besonderen Gegenschlag erhält er darüber allerdings nicht. Gelingt ihm dafür mehrmals eine perfekt getimte Abwehr, zerbrechen die Waffen kleinerer Gegner, sodass sie nur noch geringen Schaden anrichten.

Doch was, wenn man den Block zu früh oder zu spät aufzieht? Klar: Verteidigt man überhaupt nicht, kommt die Attacke mit voller Wucht bei P an. Verteidigt man hingegen zu früh, wehrt er immerhin einen großen Teil des Schlags ab – und hat anschließend ein paar Sekunden lang Zeit durch eigene Treffer Lebensenergie zurückzuholen. Man wird also trotz des starken Fokus‘ auf das sorgfältige Abwehren in die Offensive gezwungen, was mir außerordentlich gut gefällt.

Hinzu kommt ja, dass man die Gegner durch eine penetrante Offensive auch ins Taumeln bringt, sodass P eine Folge besonders mächtiger Treffer landen kann. Tatsächlich würde ich das in den späteren, angenehm fordernden Bosskämpfen auch dringend empfehlen, damit die Chefetage nicht einen Hieb nach dem nächsten landet. Dass man dafür eine gesunde Mischung aus genauer Beobachtung und gutem Timing benötigt, versteht sich von selbst.

Die Ausholbewegungen der oft sehr einfallsreichen Gegner sind mitunter schwer vorherzusehen - logisch, denn das richtige Timing ist von zentraler Bedeutung im Kampfsystem. (Lies of P im Test - PC)

Überhaupt: Die Bosse können sich sehen lassen! Ich hatte jedenfalls meinen Spaß mit einigen der Biester und habe mir auch an manchem Zwischengegner Ps Zahnkeramik ausgebissen. Schön dabei, dass man sein verlorenes Ergo (das ist Lebensenergie und Währung zugleich) immer kurz vor dem letzten Scheitern aufsammeln kann. Dass man nicht im Bosskampf erst in die hintere linke Ecke rennen muss, um seinen Fortschritt aufzuheben, empfinde ich als sehr gelungenes Entgegenkommen. Besiegen muss man die Gegner schließlich immer noch.

Wobei man in den ganz großen Boss-Begegnungen übrigens Hilfe in Form eines Geists beschwören kann. Leider zählen diese Gespenster aber nicht gerade zu den Sternstunden der KI-Geschichte, da sie ohne Rücksicht auf sich selbst in Richtung Gegner laufen und dort einfach so lange Schaden anrichten, bis sie ein paar Mal getroffen wurden. Recht schnell werden sie daher wieder ins Nirvana zurückbefördert und wenn man Glück hat, ist der Boss dann schon zur Hälfte heruntergekämpft, was ja durchaus sein Gutes hat. Begeistert bin ich von den einfältigen und immer nur kurz auftauchenden Koop-Kumpel allerdings nicht.

Hier seht ihr eine der roten Ausholbewegungen, bei denen der Block perfekt sein muss, falls P nicht komplett getroffen werden soll. Unter dem Boss: einer der hilfreichen, aber wenig einfallsreichen Geister. (Lies of P im Test - PC)

Und das gilt letztlich auch für das Kämpfen selbst. Denn obwohl man nicht nur Blocken muss, sondern auch per Rolle beziehungsweise Doppelrolle ausweichen kann, verlaufen sämtliche Aufeinandertreffen auf Dauer doch recht ähnlich. Überspitzt formuliert lässt man einen Gegner ankommen, wehrt seine Attacke ab, schlägt dann selbst zu und macht von vorn weiter.

Variation gibt es natürlich trotzdem, eben in Form des Ausweichens oder über eine Fähigkeit des Arms. Auch in der Umgebung befinden sich mitunter Gegenstände, die man einsetzen kann. Nicht zuletzt wählt man zu Beginn gleich eine von drei Charakterklassen, darunter ein langsamer, starker P sowie ein etwas schwächerer, agiler. Man findet ja sogar zahlreiche Waffen! Nur ähneln sich viele davon auffallend stark.

Man kann die Griffe und Klingen oder womit sonst zugeschlagen wird beliebig kombinieren und sich so eine Wunschwaffe zusammenbauen. (Lies of P im Test - PC)

Das und die Tatsache, wie vertraut mir selbst als gelegentlichem Souls-Spieler die Struktur der geradlinigen Levels mit ihren gelegentlichen Abzweigungen vorkommt, hat mir den Einstieg nicht gerade leicht gemacht. Ich hatte immer das Gefühl, dieses Souls(like) schon etliche Male gespielt zu haben, während Miyazaki selbst längst in einer offenen Welt angekommen ist.

Hinzu kommt etwas, das mich schon an den Originalen nicht begeistert: Das Durchstreifen der Levels fühlt sich in keiner Form nach dem Besuchen eines lebendigen Orts an. Und wehe, jetzt sagt einer, dass da ohnehin nur Puppen patrouillieren. Ich mag es einfach nicht, wenn Wachen übermäßig offensichtlich nur platziert werden, damit man ab einer bestimmten Distanz ihre Aufmerksamkeit triggern und sie bekämpfen kann. Die bemerken ja nicht einmal, wenn man einen Meter vor dieser Entfernungslinie oder knapp außerhalb ihres Gesichtsfelds, aber direkt neben ihnen mit viel Getöse einen Kollegen meuchelt. Klar: „Soulslike halt.“ Mein Fall sind diese rein funktionellen Levelschläuche aber nun mal nicht.

Die Levels sind über weite Strecken rein funktionell aufgebaut. Lasst mich aber nicht gesagt haben, sie seien nicht hübsch anzuschauen! (Lies of P im Test - PC)

Auf der anderen Seite ist das Leveldesign in seinem funktionellen Aufbau nicht mal schlecht und das Wichtigste: Nach dem linearen Anfang wird es vor allem deutlich besser. Und was ich Lies of P unbedingt zugutehalten will, das sind die recht zahlreichen Überraschungen und kleinen Geheimnisse, die es zu entdecken gibt. Gerade an fiesen Fallen herrscht in Krat nämlich wahrlich kein Mangel, weshalb man sich stets mit offenen Augen voranzutasten sollte. Selbst dann kann man aber längst nicht alles vorhersehen und muss beim Reagieren auf eine plötzliche Gefahr seinen üblichen Rhythmus aufgeben, um schnelle Lösungen zu finden statt einen noch schnelleren Tod zu sterben – das ist natürlich klasse.

Es gibt darüberhinaus noch mehr, das mich immer stärker zum Dranbleiben motiviert hat, und dazu gehört das ständige Verbessern der Ausrüstung. Zum einen muss man die verschiedenen Versionen des Arms selbst herstellen und um zusätzliche Funktionen erweitern, wofür man wiederum Material benötigt. Zum anderen sind auch die Waffen modifizierbar, indem man sie auflevelt. Aber nicht nur das: Man darf Griff und Klinge (oder was auch immer vorn dran steckt) sogar voneinander trennen und mit anderen Gegenstücken beliebig kombinieren.


Lies of P ist sowohl digital (unter anderem im Game Pass) als auch im Handel erhältllich. Der Preis beträgt auf allen Plattformen stets knapp 60 Euro.
  • Amazon
  • Steam
  • PlayStation Store
  • Xbox Store

  • Das ist deshalb von Bedeutung, weil sowohl Klinge als auch Griff über jeweils einen Spezialangriff verfügen und weil die Klinge zwar bestimmt, welchen Schaden man anrichtet, die Griffe aber unterschiedlich gut zu bestimmten Charakterklassen passen. Nun kann man diese Anpassung in mehreren Schritten langsam ändern, im Idealfall hantiert ein agiler P aber nicht mit dem Griff, der eher zu einer behäbigen Waffe passt. Abgesehen davon verfügen sowohl der Griff als auch die Klingen jeweils über eine Spezialfähigkeit, meist starke Spezialangriffe. Man muss also überlegen, welche davon man gut gebrauchen kann.

    Man kann manche Falle natürlich auch für sich arbeiten lassen... (Lies of P im Test - PC)

    So stellt man P also Schritt für Schritt eine Ausrüstung zusammen, mit der er möglichst effektiv auf die gewünschte Art kämpft, und braucht dafür Ressourcen, die man bei besiegten Puppen, am Wegrand oder in gut bewachten Kisten findet. Und weil man dabei kein Schrottsammeln betreibt, sondern jedes Bauteil einen kleinen, aber wirkungsvollen Schritt bedeutet, lohnt sich das Erkunden zumindest in dieser Beziehung eben durchaus.

    Lies of P im Test – Fazit

    Manchmal hatte ich mit dem auf den ersten Blick verblüffend ähnlichen Steelrising etwas mehr Spaß. Denn vor allem dessen abwechslungsreiche Waffen und Fähigkeiten vermisse ich in Lies of P. Schade ist außerdem, dass die grundsätzlich gute Geschichte um die Werte der Menschlichkeit nur punktuell mal eine knifflige Entscheidung fordert, den stummen P aber überhaupt nicht als interessanten Protagonisten inszeniert.

    Je tiefer ich nach Krat beziehungsweise zur Quelle des Puppen-Aufstands vorgedrungen bin, desto mehr habe ich aber auch gemerkt, dass mich das Abenteuer langsam in seinen Bann zog. So vertraut die leicht verzweigten Levels auch wirken, so sehr findet man dort wichtige Belohnungen, versteckte Geheimnisse und nicht zuletzt fiese Fallen, die den relativ starren Charakter der Fassaden oft genug aufbrechen. Viele große und kleine Bosskämpfe sind auf angenehme Art fordernd, das Kampfsystem ist einschließlich der Spezialfähigkeiten eine sehr griffige Herausforderung an gutes Timing und schnelle Reaktionen, das Bauen und Verbessern der Ausrüstung zudem angenehm motivierend… Denkt man sich die drögen ersten zehn Stunden weg, ist Lies of P unterm Strich dann doch ein verdammt guter Vertreter seiner Art!

    Lies of P
    PROCONTRA
    • Durchdachtes Kampfsystem mit verschiedenen taktischen Möglichkeiten…
    • Motivierendes Verbessern und Bauen der eigenen Ausrüstung sowie Hinzufügen passiver Fähigkeiten in Charakterentwicklung
    • Lohnenswertes Erkunden dank interessanter Geheimnisse, gemeiner Fallen und wichtiger Ressourcen, ohne ins Schrottsammeln auszuarten...
    • Stilvolles Artdesign und stimmungsvolle Kulissen
    • … bei dem sich viele Waffen allerdings stark gleichen
    • Eigentlich interessante Erzählung spielt zum großen Teil keine Rolle
    • … über weite Strecken aber auch rein funktionelle, nicht sehr lebendige Schauplätze
    • Kampf, Fähigkeiten, Inventarhandhabung und Leveldesign sind eine Idee zu offensichtlich von den Vorbildern inspiriert

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